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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Ralf Stegner Untragbar

Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner trifft heimlich Vertreter des Kremls in Aserbaidschan. Von Reportern darauf angesprochen, lügt er offenkundig. Dieser Mann darf nicht länger die deutschen Geheimdienste überwachen.
Nähmen sich die SPD und ihre Fraktion im Bundestag ernst, hätten sie bald mindestens einen Abgeordneten weniger.
Es ist ein unglaublicher Vorgang: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner fuhr im April ins aserbaidschanische Baku und traf sich dort mit hochrangigen Vertretern des Kremls. Heimlich – ohne Auftrag des Auswärtigen Amts. Das ergaben Recherchen des ARD-Politikmagazins "Kontraste" und der "Zeit".
Fraktion sollte über Ausschluss beraten
Bisher war man von ehemaligen Mandats- und Funktionsträgern der SPD einiges in puncto Russland gewohnt. Schattendiplomatie eines Abgeordneten der neuen Regierungskoalition – das ist eine neue Qualität und allein das sollte ihn für seinen Posten im Auswärtigen Ausschuss disqualifizieren, den er bisher bekleidete. Die Fraktion sollte aber vielmehr über seinen Ausschluss beraten.
Denn besonders brisant macht Stegners Reise ein weiterer seiner Posten im Parlament: Als ordentliches Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist er zuständig für die Kontrolle der deutschen Geheimdienste, hat also Zugang zu geheimsten Informationen. Welche Sicherheitsvorkehrungen hat er für sein Unterfangen getroffen? Man weiß es nicht, denn schließlich war seine Reise "privat", wie er den Reportern der ARD mehrfach sagte.
Eine offenkundige Lüge
Das ist wohl das Schlimmste. Angesprochen auf seinen Baku-Trip log er zunächst offenkundig. Er sagte wörtlich: Über "private Reisen, die ich unternehme", "zu privaten Dingen" äußere er sich öffentlich nicht. Was er denn "privat" in Baku gemacht habe? "Das ist privat."
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Wie kann sich ein Mandats- und Geheimnisträger "privat" – also völlig losgelöst von seiner politischen Arbeit – mit hochrangigen Vertretern des Kremls treffen? War es ein Kegelausflug nach Aserbaidschan? Mit alten Kumpels, billigem Bier und gutem Essen? Wurden Fotoalben herumgereicht vom Angelausflug an der Riviera?
Stegners Eingeständnis
Die Antwort ist einfach: Es ist eine reine Schutzbehauptung, eine Lüge. Es ist völlig undenkbar, Stegners Reise unabhängig von seiner politischen Position zu betrachten. Ohne sie wäre sie erst gar nicht zustande gekommen.
Das räumten Stegner und seine Mitreisenden in einer Stellungnahme am Freitag dann auch gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" ein, in der sie das Offensichtliche schließlich zugeben: "Zu den Grundsätzen guter Außenpolitik gehört es, dass auch und gerade in schwierigen Zeiten von zunehmenden Spannungen, Konflikten und Kriegen, Gesprächskontakte in alle Teile der Welt und auch nach Russland aufrechterhalten werden sollten", heißt es in dem Schreiben, das auch t-online vorliegt. "Politisch Verantwortliche" hätten Kenntnis der Reise gehabt.
Welcher omniöse Verantwortungsträger das sein könnte – wenn schon nicht das Auswärtige Amt – will die SZ ebenfalls herausgefunden haben. Demnach war auch der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz informiert. Vielleicht ist nicht nur Stegner in einer Regierungskoalition untragbar. Eine Antwort darauf sollte am besten die SPD bald finden. Sonst könnte man das durchaus auch von ihrem Koalitionspartner erwarten.
- Eigene Recherchen