Besonderheit des Schia-Glaubens Der Iran wartet seit über 1.000 Jahren auf sein Staatsoberhaupt

Die Verfassung des Iran ist tief verwurzelt in der schiitischen Glaubenslehre. Diese bestimmt auch, wer das eigentliche Oberhaupt der Islamischen Republik ist.
Gemeinhin gilt Ajatollah Ali Chamenei, der Nachfolger des Staatsgründers Ajatollah Khomeini, als Staatsoberhaupt des Iran, doch das stimmt nicht ganz. Der eigentliche Führer des Iran ist verschwunden, und zwar schon seit mehr als 1.000 Jahren. Denn in der Verfassung der Islamischen Republik Iran von 1979 wird als eigentliches Oberhaupt des Iran der "zwölfte Imam" Muhammad ibn al-Hasan al-Mahdi genannt.
In der Zwölfer-Schia, der Staatsreligion des Iran, gilt der zwölfte Imam als zentrale religiöse Autorität. Nach dieser Lehre obliegt die rechtmäßige Führung der islamischen Gemeinschaft (Umma) ausschließlich zwölf Imamen, die als direkte Nachfahren von Fatima, der Tochter des Propheten Mohammed, und deren Ehemann Ali gelten. Dabei wurde der Titel des Imam von Generation zu Generation weitergegeben.
Oberster Führer nur ein Stellvertreter
Der zwölfte und letzte dieser Imame, Muhammad ibn al-Hasan al-Mahdi, ist nach schiitischer Überzeugung nicht gestorben, sondern lebt in Verborgenheit (Ghaiba). Gläubige erwarten seine Rückkehr am Ende der Zeiten, um Gerechtigkeit herzustellen und das Böse zu besiegen.
Die Rolle des obersten Führers des Iran ist daher die eines Stellvertreters, der so lange regiert, bis der zwölfte Imam aus seiner Ghaiba zurückkehrt. Das Herrschaftssystem wird auch in Bezug auf diesen Umstand "Statthalterschaft des Rechtsgelehrten" (welayat-e-amr) genannt.
Ein Expertenrat wählt den obersten Führer
So steht in der Verfassung des Iran: "In der Islamischen Republik Iran steht während der Abwesenheit des entrückten zwölften Imams – möge Gott fügen, dass er baldigst kommt – der Führungsauftrag (Imamat) und die Führungsbefugnis (welayat-e-amr) in den Angelegenheiten der islamischen Gemeinschaft dem gerechten, gottesfürchtigen, über die Erfordernisse der Zeit bewussten, tapferen, zur Führung befähigten Rechtsgelehrten zu."
Der oberste Führer wird nach iranischem Recht vom sogenannten "Expertenrat" auf Lebenszeit gewählt. Der Expertenrat wird zwar alle acht Jahre vom Volk gewählt, aber jeder der 88 Kandidaten wird vor seiner Zulassung zur Wahl genau auf seine ideologische Übereinstimmung mit dem amtierenden obersten Führer überprüft, sodass dieser seinen Nachfolger faktisch bestimmen kann. Auch gilt es aufgrund dieser Tatsache als höchst unwahrscheinlich, dass der Expertenrat jemals von seinem Recht Gebrauch machen könnte, den obersten Führer abzusetzen.
- kas.de: "Die Zwölferschia und ihre Rolle in Politik und Gesellschaft des Iran" (Deutsch)
- kulturgutschutz-deutschland.de: "Iran – Constitution" (Englisch)