Israels Ex-Premierminister "Das ist ein Konzentrationslager"

Ehud Olmert kritisiert die israelische Strategie in Gaza aufs Schärfste. Er warnt vor drohender ethnischer Säuberung.
Der ehemalige Premierminister Israels, Ehud Olmert, kritisiert die Pläne der israelischen Regierung scharf, in der zerstörten Stadt Rafah ein Zeltlager für Palästinenser zu errichten. "Das ist ein Konzentrationslager. Es tut mir leid", so Olmert im Gespräch mit dem britischen "Guardian".
Die Regierung Netanjahus bezeichnet dieses Lager als "humanitäre Stadt", in der vorerst rund 600.000 Menschen untergebracht werden sollen. Langfristig plant die Regierung aber die Umsiedlung eines Großteils der mehr als zwei Millionen Menschen, die im Gazastreifen leben, in das Lager. Sobald sich die Menschen in dem Lager befinden, sollen sie dieses nicht mehr verlassen dürfen.
"Es geht darum, sie zu deportieren"
"Wenn die Palästinenser in die neue 'humanitäre Stadt' deportiert werden, dann kann man sagen, dass dies Teil einer ethnischen Säuberung ist", so Olmert. "Wenn sie ein Lager errichten, in dem sie mehr als die Hälfte von Gaza 'säubern' wollen, dann ist die unvermeidliche Schlussfolgerung aus dieser Strategie, dass es nicht darum geht, die Palästinenser zu retten. Es geht darum, sie zu deportieren, zu vertreiben und wegzuwerfen. Zumindest habe ich keine andere Interpretation dafür", führt er weiter aus. Erklärt aber auch, dass die bisherige Kriegsführung der israelischen Armee keine Form der ethnischen Säuberung sei.
Trotzdem zeigt er sich im Gespräch mit dem "Guardian" tief bestürzt über die Vorgänge im Gazastreifen, obwohl er nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas die Militäroperation unterstützt habe. Doch er sei "beschämt und untröstlich", wie sich die anfängliche Selbstverteidigung Israels in etwas so Entsetzliches entwickeln konnte. Besonders zu schaffen machen würden ihm die vielen unbeteiligten Todesopfer dieses Kriegs. Das sei auch der Grund, warum er der Regierung vorwerfe, an Kriegsverbrechen beteiligt zu sein.
Nicht jede Kritik antisemitisch
Daher glaubt er auch nicht, dass jede Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung nur durch Antisemitismus zu erklären sei. "Wir machen uns selbst zu leicht, wenn wir sagen: 'Das sind Antisemiten.' Ich glaube nicht, dass sie nur Antisemiten sind, ich glaube, viele von ihnen sind anti-israelisch, wegen der Dinge, die sie im Fernsehen und den sozialen Medien sehen. Es ist eine schmerzhafte, aber normale Reaktion, dass die Menschen sagen: 'Hey, ihr habt jede mögliche Grenze überschritten.'"
Olmert fordert von der internationalen Gemeinschaft mehr Druck auf die israelische Regierung. Das Verhalten von Netanjahu und seinen Ministern, so Olmert weiter, würde auf lange Sicht eine größere Gefahr für die Sicherheit Israels darstellen als jeder Feind von außen. Sie seien "der Feind im Inneren". Es sei ihm vollkommen unvorstellbar, wie unter diesen Umständen ein Mensch wie Netanjahu, gegen den ein Strafbefehl wegen Kriegsverbrechen vorliegt, jemanden wie Donald Trump für einen Friedensnobelpreis vorschlagen könne.
Trotz all dem habe er bisher nicht die Hoffnung aufgegeben, dass man gemeinsam mit den Palästinensern eine Zwei-Staaten-Lösung finden könne. Er selbst arbeite mit dem ehemaligen palästinischen Außenminister Nasser al-Kidwa an der Ausarbeitung eines solchen Plans. Olmert, der von 2006 bis 2009 Premierminister war, war der letzte Staatschef Israels, der ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern über einen unabhängigen palästinensischen Staat geführt hatte.
- guardian.com: "Israel’s ‘humanitarian city’ in Rafah was a refugee camp, says former PM Ehud Olmert" (Englisch)