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Mosambik: Schiffe retten Tausende vor IS-Terroristen aus belagerter Stadt


Spektakuläre Evakuierung in Mosambik
Schiffe retten Tausende aus belagerter Stadt

Von dpa, pdi

29.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Die Stadt Palma liegt in einer Bucht im Norden Mosambiks: Islamistische Terroristen belagerten sie von drei Seiten, Tausende Zivilisten konnten nur über das Meer gerettet werden.Vergrößern des BildesDie Stadt Palma liegt in einer Bucht im Norden Mosambiks: Islamistische Terroristen belagerten sie von drei Seiten, Tausende Zivilisten konnten nur über das Meer gerettet werden. (Quelle: Google/dpa-bilder)
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Verzweifelte Szenen im Norden von Mosambik: IS-Milizionäre greifen eine Stadt an, ermorden und verstümmeln Menschen. Tausende können nur durch eine spektakuläre Hilfsaktion gerettet werden.

Das Gemetzel in der nordmosambikanischen Küstenstadt Palma muss fürchterlich gewesen sein. Von enthaupteten Leichen in den Straßen berichteten Anwohner der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Dutzende Zivilisten sollen getötet worden sein.

Tage nach einem großangelegten Angriff von Dschihadisten auf die Küstenstadt Palma im Nordosten Mosambiks ist Tausenden Menschen die Flucht in die Provinzhauptstadt Pemba gelungen. Bis zu 10.000 Menschen warteten noch darauf, in Sicherheit gebracht zu werden, hieß es am Montag aus Kreisen internationaler Hilfsorganisationen. Viele entkamen nur knapp dank der Hilfe beherzter Schiffskapitäne. Nach Angaben der Regierung von Mosambik wurden bei dem dschihadistischen Angriff dutzende Zivilisten getötet.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich mittlerweile zu der Attacke bekannt. In einem am Montag verbreiteten Bekennerschreiben heißt es: "Kämpfer des IS haben die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Palma übernommen und mehr als 55 mosambikanische Sicherheitskräfte getötet." Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

"Dutzende hilflose Menschen feige ermordet"

Die Dschihadisten hatten am Mittwoch das in der Grenzregion zu Tansania gelegene Palma überfallen. Nach zweitägigen Gefechten übernahmen sie am Freitagabend die Kontrolle über die 75.000-Einwohner-Stadt. Regierungssprecher Omar Saranga sagte am Sonntag, die "Terroristen" hätten "Dutzende hilflose Menschen feige ermordet". Mindestens sieben Menschen seien am Freitag umgebracht worden, als sie versucht hätten, aus einem Hotel in Palma zu flüchten.

In den vergangenen drei Tagen hätten Sicherheitskräfte der Regierung sich um die Rettung von hunderten Zivilisten bemüht, darunter Einheimische und Ausländer, sagte der Regierungssprecher. Einige Menschen seien vorübergehend auf das schwer bewachte Gelände eines Gasförderprojektes auf der Halbinsel Afungi gebracht worden, bevor sie schließlich in die 250 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Pemba gebracht wurden.

Experten zufolge hat die Rebellion ihre Wurzeln in den Missständen der armen Region. Laut UN-Flüchtlingshilfe sollen knapp 700.000 Menschen vertrieben worden und gut 2.000 umgekommen sein. Erst vor ein paar Tagen hatte die Hilfsorganisation Save the Children auch von gezielter Gewalt gegen Kinder berichtet. Doch der jüngste Angriff gilt als Zäsur. "Wir können klar erkennen, dass sich Taktik und Planung der Gruppe deutlich verbessert haben", sagte die südafrikanische Sicherheitsexpertin Jasmine Opperman der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Bewaffnung sei beeindruckend gewesen.

Massenevakuierung aus Palma

Auf einem Gelände in unmittelbarer Nähe von Palma bauen unter anderem der französische Ölriese Total und der US-Konzern ExxonMobil ein Milliardenprojekt zur Erschließung von Flüssig-Erdgas auf. Unter den in Sicherheit gebrachten Menschen waren auch ausländische Beschäftigte des Projekts. Laut Deutscher Welle brachte Total etwa 1.000 Mitarbeiter aus Palma heraus. Sie seien mit einem Schiff nach Pemba transportiert worden, sagte Staatsminister Armindo Ngunga.

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Hunderte ausländischer Facharbeiter – darunter diverse Europäer – flohen zunächst in nahegelegene Hotelanlagen. Bei einem verzweifelten Ausbruchversuch mit 17 Fahrzeugen geriet der Konvoi unter starken Beschuss, mindestens ein Südafrikaner starb im Kugelhagel. Offiziell drang von den tagelangen Kämpfen zunächst aber kaum etwas durch: Die Angreifer hatten vorsorglich alle Kommunikationsverbindungen gekappt.

Ein erstes Schiff mit 1.400 Geretteten war nach Angaben der Polizei am Sonntag in Pemba eingetroffen. An Bord waren vor allem Arbeiter, darunter auch Beschäftigte von Total. Noch am Sonntagnachmittag erreichte ein weiteres Schiff mit Geretteten Pemba. Weitere Gerettete hatten sich mit kleinen Booten auf den Weg nach Pemba gemacht.

Positionsdaten der Onlineplattform "MarineTraffic", die von Twitter-Nutzern geteilt wurden, zeigten, dass zahlreiche Schiffe vor der mosambikanischen Küste ihre Fahrt unterbrachen, um Menschen aus Palma zu retten. Ein Nutzer verglich die Rettungsaktion mit der Evakuierung von Dünkirchen im Zweiten Weltkrieg.

HRW: Leichen liegen auf der Straße

Nach Angaben von Flughafenmitarbeitern in Pemba wurden humanitäre Hilfsflüge ausgesetzt, um Platz für Militäraktionen zu machen. Geplant war auch ein Dringlichkeitstreffen von UN-Vertretern, um die Evakuierung sowie die humanitäre Hilfe für die neu ankommenden Flüchtlinge zu koordinieren. In Pemba leben bereits hunderttausende Binnenvertriebene, die vor der islamistischen Gewalt in der Provinz Cabo Delgado flüchteten.

Das Verteidigungsministerium von Mosambik erklärte am späten Sonntagabend, die Sicherheitskräfte hätten ihre "Einsatzstrategie verstärkt, um die kriminellen Angriffe von Terroristen einzudämmen und die Normalität in Palma wiederherzustellen". Der Militäreinsatz in Palma habe sich in den vergangenen drei Tagen darauf konzentriert, "hunderte Zivilisten zu retten".

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte zuvor mitgeteilt, Zeugen in Palma hätten von auf der Straße liegenden Leichen berichtet sowie von dschihadistischen Kämpfern, die wahllos auf Menschen und Gebäude geschossen hätten. Laut HRW stehen die Angreifer in Verbindung zu einer in Mosambik als Al-Schabab bekannten Dschihadistengruppe, die jedoch keine direkten Verbindungen zu der gleichnamigen somalischen Dschihadistenmiliz haben soll.

USA sagen Unterstützung zu

Palma liegt in der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Provinz Cabo Delgado. Seit drei Jahren kommt es dort immer wieder zu Angriffen radikalislamischer Banden, bei denen nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen mindestens 2.600 Menschen getötet und 670.000 in die Flucht getrieben wurden.

Die USA äußerten sich am Montag ebenfalls besorgt und sagten der Regierung in Maputo Unterstützung im Kampf gegen die Extremisten zu. Bisher erstreckt sie sich jedoch in erster Linie auf einige wenige Berater. Der Konflikt drohe von Mosambik auch auf Nachbarländer überzugreifen, hatte der HRW bereits zum Jahresbeginn gewarnt. Doch bisher sah der regionale Staatenbund SADC eher tatenlos zu.

Die jüngste Attacke gilt zudem als Schlag ins Gesicht der Regierung in Maputo, die zuvor dem französischen Energiekonzern Total die Sicherung einer der größten Einzelinvestitionen in Afrika zugesichert hatte. Immerhin befindet sich Palma in direkter Nähe der Halbinsel Afungi, auf der Total an einem knapp 17 Milliarden Euro teuren Flüssiggasprojekt beteiligt ist. In die Einkünfte aus der Förderung setzt der Staat große Hoffnung für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten.

Ausländische Söldnergruppen erfolglos

Offizielle Angaben zu dem blutigen Geschehen an der Grenze zu Tansania sind rar. Auch zu Aktivitäten einer südafrikanischen Söldnertruppe, die laut Medienberichten im Auftrag der Regierung mit veralteten Alouette-Helikoptern die Lage vor Ort stabilisieren soll, dringen kaum belastbare Informationen durch. Zuvor soll bereits eine russische Söldnertruppe vergeblich versucht haben, die Islamisten zurückzudrängen.

Unklar ist bisher auch noch, woher die Aufständischen ihre Waffen beschaffen. Ende 2019 gab es dazu immerhin erste Hinweise durch die Festnahme von rund einem Dutzend Iranern. An Bord ihres Schiffes wurden in der Bucht von Pemba automatische Sturmgewehre, Pistolen, Munition sowie weitere Ausrüstungsgegenstände entdeckt.

Nach einer Reihe von Militärinterventionen hatte sich die Lage in den vergangenen Monaten beruhigt. Erst am Tag der Überfalls hatte Total die Wiederaufnahme der Bauarbeiten für das Erdgasprojekt angekündigt, die aufgrund der unsicheren Lage seit Jahresbeginn ruhten. Nach den bisherigen Plänen sollte die Anlage 2024 ihren Betrieb aufnehmen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
  • Eigene Recherche
  • Twitter
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