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Klimawandel: Verschwörungstheorien ums Klima – alles schon mal da gewesen


Verschwörung ums Klima
Alles schon mal da gewesen

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 03.02.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Klimaaktivistin Greta Thunberg: Für Leugner des Klimawandels steht Thunberg oft im Zentrum von Verschwörungstheorien.Vergrößern des Bildes
Klimaaktivistin Greta Thunberg: Für Leugner des Klimawandels steht Thunberg oft im Zentrum von Verschwörungstheorien. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Welt steckt voller Verschwörungstheoretiker. Vor allem bei der Diskussion ums Klima kochen die Gemüter schnell über. Ein

Manchmal bekomme ich Mails geschickt, die sich mit Greta Thunberg beschäftigen. Dass sie eine Handpuppe ihres Vaters sei, gehört fast schon zum Gemeingut der Verächter von "Fridays for Future". Dass sie gar nicht auf dem Segelschiff nach New York fuhr, sondern die Crew samt Boot unterwegs in ein Transportflugzeug eingeladen wurden, um Greta dann zu ihrem Auftritt bei der UN zu bringen, ist die wildeste Mär, die mich bisher erreichte.

Die Welt steckt voller Verschwörungstheoretiker. Wahrscheinlich sind es mehr als im Kalten Krieg und sicherlich sind heute mehr von uns nur zu willig, Schauergeschichten für bare Münze zu nehmen. Je absurder, desto glaubwürdiger. Und der Gedanke dahinter ist immer: Es geht um Betrug und Hochstapelei, lasst euch nicht zum Narren halten – es geht um nichts als Geld, ums Abzocken der Dummerhaften.

Wir sind alle Amateure in der Klimapolitik

Vor 40 Jahren gab es einen Menschen namens Erich von Däniken, der ein großes Publikum mit seiner Erzählung vom Treffen mit Außerirdischen in den Bann zog. Dass dort draußen im All andere Planeten kreisen mit einer anderen Art von Lebewesen, die uns dann urplötzlich heimsuchen, ist ja ein Lebensalbtraum der Menschheit. Heute aber entspringen die aberwitzigen Geschichten im Zentrum eines anderen Albtraums: dass die Erde sich lebensfeindlich erwärmt und wir nichts oder nicht genug oder gar nichts dagegen tun.

Im Grunde sind die meisten von uns Amateure in der Klimapolitik. Wir lesen darüber, sind halbgebildet und fühlen uns trotzdem stark. So gehen wir privat auf Partys oder im Internet mit unseren halbgaren Argumenten aufeinander los. Dazu suchen wir uns Experten, die ja wirklich wissen sollten, wie die Dinge stehen. Jeder von uns kann eine Autorität unter den Klimaforschern finden und sich darauf berufen. Damit können wir dann renommieren und die Gegner mit unserm Wissen verblüffen.

Auch Klimaforscher uneins

Dummerweise sind sich aber die Fachleute untereinander keineswegs einig. Auch sie streiten miteinander um die Wahrheit, wenn auch weniger unkultiviert als wir.

Im Journal "Nature" ist kürzlich eine Diskussion ausgebrochen, wie groß die Gefahr durch die Erderwärmung ausfällt. Es ging um ein Klimaszenario namens "RCP8.5", das sich damit beschäftigt, was passiert, falls die Menschen einfach so weitermachen sollten wie bisher. Nimmt die CO2-Konzentration stetig zu, steigt die Temperatur um 5 Grad. Das ist die bedrohliche Annahme.

Nein, nein, alles übertrieben, schreiben nun zwei bekannte Klimaforscher und rechnen allenfalls mit 3 Grad Temperaturanstieg. Immer noch viel, aber eben nicht so viel.

Wissenschaftliche Prognosen sind mit Vorsicht zu genießen

Ich muss gestehen, dass ich grundsätzlich skeptisch gegenüber wissenschaftlichen Vorhersagen bin. Ich habe da meine Erfahrungen gemacht. Es gab einmal vehemente Diskussionen über den Energiebedarf in Deutschland, womit der eilige Ausbau der Atomkraft begründet wurde. Oder die Prophezeiungen über das Waldsterben. Oder die Angst vor einem Atomkrieg.

Solche Szenarien sind mit Vorsicht zu genießen. Sie schreiben einen Trend fort. Sie gehen linear vor. Sie berücksichtigen nicht – und können es auch gar nicht – dass sich zwischenzeitlich Entscheidendes ereignen kann, wodurch alle Prognosen über den Haufen geworfen werden – entweder zum Schlechteren oder zum Besseren.

Dass sich das Klima verändert, lässt sich im Alltag studieren. Dass die Industrialisierung zu den Ursachen gehört, ist schwerlich zu leugnen. Zumeist geht es zwischen den Klimagegnern nur um Proportionen: Wie groß ist der Anteil der Menschen, wie groß der Anteil der Natur?

Zur Abwechslung sollte man mal die Perspektive wechseln. Egal, wie man über Greta Thunberg oder den Klimawandel denkt, wir stehen vor einem Modernisierungsschub in unserer Gesellschaft, der so oder so kommt, egal, ob sich die Erde um 3 oder 5 Grad erwärmt. "Ein bisschen Panik ist schon okay", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" am Sonntag. Das gefällt mir. Ein bisschen Panik treibt überfällige Entwicklungen voran, zum Beispiel den Ausbau der Windenergie oder die Digitalisierung der Industrie. Oder den Ausstieg der Automobilindustrie aus dem Verbrennungsmotor.

Die ersten Fahrzeuge fuhren elektrisch

Apropos Auto: Ein guter Freund machte mich darauf aufmerksam, dass die ersten Fahrzeuge elektrisch fuhren. Erstaunlich, oder? Als erstes elektrisches Straßenfahrzeug gilt das Trouvé Tricycle von Gustave Trouvé aus dem Jahr 1881. Höchstgeschwindigkeit: 12 Kilometer pro Stunde. Reichweite: 26 Kilometer.

Das war fünf Jahre vor dem Patent, das Carl Benz für seinen Motorwagen Nummer 1 bekam.

Ferdinand Porsche baute im Jahr 1900 das erste Elektrofahrzeug mit Frontantrieb. Zu dieser Zeit fuhren in Amerika Droschken, Müllautos, die Feuerwehr und Fahrzeuge der Straßenreinigung mit elektrisch betriebenen Wagen. Diese Art der Fortbewegung blieb allerdings auf Nutzfahrzeuge beschränkt, die auf kleinerem Raum unterwegs waren. Sie waren nämlich teuer in der Anschaffung und im Unterhalt, da sie Batterien und besondere Reifen benötigten und nicht weit fahren konnten. Klingt vertraut, oder?

Alles schon mal da gewesen

Der Erste Weltkrieg brachte den Umschwung zu Verbrennungsmotoren. Die militärischen Nutzfahrzeuge mussten weit fahren, sollten jederzeit einsatzbereit und mit schwerem Gerät beladbar sein. Den Durchbruch brachte dann der elektrische Anlasser, der die Kurbel ersetzte, mit der der Fahrer umständlich hantieren musste, bevor er losfahren konnte.

Der Otto-Motor war der Fortschritt, das Elektroauto blieb auf der Strecke. Die Ölindustrie hatte das schärfste Interesse daran, bis heute.

Auch E-Scooter haben eine lange Vergangenheit und waren anfangs sogar ein Sinnbild für Emanzipation. 1916 fuhren Frauen die motorisierten Roller, die amerikanische Post lieferte damit aus.

Alles schon mal da gewesen. Die Industrie muss nur in ihre eigenen Geschichtsbücher schauen und darf sich mit uns wundern, weshalb das Anknüpfen an die E-Automobile so lange auf sich warten ließ. Erfindungen sind manchmal gar keine Erfindungen, sie bauen auf Entwicklungslinien auf, die historisch aus bestimmten Gründen unterlagen. Aber dabei muss es ja nicht bleiben.

Der zweite Perspektivwechsel gilt Greta Thunberg. Sie hat ihre Verdienste, kein Zweifel, und damit geht sie in die Geschichtsbücher ein. Was sie auslöste, geht jedoch weit über sie hinaus und hat vor allem eine Funktion für die Demokratie. Die Regierungen wurden aus ihrem Schlaf gerissen. Sie müssen nachholen, was sie versäumt haben. Ihnen wird das Alibi für Nichtstun oder Zu-wenig-Tun genommen. Von jetzt an gibt es keine Ausreden mehr.

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