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USA: Bill Weld ist der letzte Widerständler gegen Donald Trump - ein Treffen


Post aus Washington
Der letzte Widerstand gegen Trump

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 14.02.2020Lesedauer: 5 Min.
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Bill Weld beim Wahlkampf in New Hampshire: "Sie haben alle Angst vor Trump."Vergrößern des Bildes
Bill Weld beim Wahlkampf in New Hampshire: "Sie haben alle Angst vor Trump." (Quelle: Scott Eisen/getty-images-bilder)

Dieser Mann ist der letzte Widerstand gegen Donald Trump bei den Republikanern. Bill Weld will die neue Kandidatur des Präsidenten verhindern – und die Partei spalten, um sie zu retten.

Guten Tag aus Washington,

wo man in dieser Woche ganz genau auf einen Bundesstaat im Nordosten geschaut hat: In New Hampshire hielten am Dienstag beide Parteien ihre Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur ab. Bernie Sanders gewann bei den Demokraten, seine moderaten Gegner aber ebenfalls – bis auf Joe Biden, der eine Bruchlandung hingelegt hat. Sie werden es gelesen haben.

Doch lassen wir die Demokraten einmal links liegen. Ich erzähle Ihnen heute von meiner Begegnung mit William Floyd Weld.

Denn immer wieder höre ich von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die vollkommen naheliegende Frage, warum sich bei den Republikanern niemand Donald Trump entgegenstellt. Nun ja, Bill Weld tut genau das.

Weld ist der einzig verbliebene innerparteiliche Herausforderer Trumps. Er will Präsidentschaftskandidat werden – und das ist so aussichtslos wie mutig. Denn wer sich gegen Trump stellt, zahlt in der Regel einen Preis.

Ich treffe Weld an einem Sonntagmorgen in Manchester, der Hauptstadt des kleinen New Hampshire, als das Thermometer noch minus 15 Grad zeigt, in Murphy’s Diner, wo die Spiegeleier mit Würstchen und Speck kommen.

Mein erster Eindruck ist, wie traurig sein Wahlkampf abläuft. Schon draußen muss er an einem Stand mit Trump-Devotionalien vorbei. Geschäftsleute haben sich in Erwartung einer Trump-Rally am Folgetag in einer Halle schräg gegenüber aufgebaut, wo Trump sich von 11.000 Besuchern feiern lassen wird. Als Weld das Diner betritt, erhebt sich immerhin eine Gruppe von vier Männern und klatscht. Doch der erste Gast, auf den Weld trifft, trägt zum USA-Käppi eine Trump-Fleecejacke. "Sie wollen Präsident werden?" ätzt er. "So sehen Sie aber nicht aus." Die Kräfteverhältnisse sind sogleich klar.

Der Zwei-Meter-Mann Weld zieht höflich weiter, in Jackett, Krawatte, Jeans und Winterstiefeln, man sieht ihm beim Gang ein bisschen das Alter an. Er ist 74, ein Jahr älter als Trump.

Als ich Weld begrüße, antwortet er blitzschnell auf Deutsch: "Ich spreche Ihre Sprache. Ich habe Deutsch im Goethe-Institut in Arolsen gelernt." Dann erzählt er mir, dass er als Präsident als allererstes die "Beziehungen zu den Verbündeten reparieren" und Wladimir Putins Expansionsplänen entgegentreten wolle.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Ich lasse ihn erst einmal die Wähler begrüßen. Rede kurz mit seinem Pressesprecher, der auf seinem zersprungenen Handydisplay weitere Termine mit Weld sucht, aber gerade keine findet. Der traurigste Wahlkampf, denke ich, aber ich täusche mich.

Ich setze mich an die verklebte Theke von Murphy’s und spreche die Frau zu meiner Rechten an. "Sind Sie auch hier, um den Kandidaten zu sehen?" "Ja," sagt sie und lächelt, "ich bin seine Ehefrau." Und so beginnt die wahre Begegnung mit dem letzten Widerstand gegen Donald Trump.

Leslie Marshall war einst Journalistin, sie zeigt mir auf ihrem Handy einen Text, den sie vor 25 Jahren geschrieben hat: Ein großes Porträt über… Donald Trump. Nicht alles aus unserer Unterhaltung ist zitierfähig, aber nur so viel: Er hat sie damals schon mächtig verstört. Und sie erklärt mir, dass der etwas zerstreute Pressemann mit dem zersprungenen Handydisplay ihr Sohn ist. Trump-Widerstand als Familienunternehmen.

Später, als Weld nach einer halben Stunde mit einem Dutzend Wähler gesprochen hat, laufe ich mit ihm über die vereisten Bürgersteige Manchesters. Warum die chancenlose Kandidatur? "Trump ist auf direktem Wege, ein Diktator zu werden", sagt Weld, jetzt auf Englisch. "Darum."

"Die Republikaner scheint’s nicht groß zu stören", entgegne ich.
"Sie haben alle Angst vor ihm, Angst, dass er ihnen einen Gegenkandidaten auf den Hals hetzt – und sie dann ihr Amt verlieren."

Tatsächlich hat Trump sich die Partei zum Untertan gemacht. Man sah es beim Impeachment, man sieht es bei den Ausfällen, die gedeckt werden, und Weld spürt es auch: Die Partei gehorcht auf allen Ebenen. Mehrere der Vorwahlen konnte Trump einfach unterdrücken: in Nevada und South Carolina, wo es nun für die Demokraten hingeht, fallen die republikanischen Abstimmungen einfach aus.

Weld will es nicht zulassen, dass sich seine Partei Trump vollends ergibt. Ihn stört es regelrecht, wenn ich sage, dass die Partei doch zu 90 Prozent hinter dem Präsidenten steht.

"Sie sprechen immer von der Partei", sagt er mir. "Aber Sie meinen die Wähler jetzt in den Vorwahlen. Aber das ist doch nicht die Partei, in der ich Mitglied bin, seit ich 18 war." Weld hat seine eigene Logik: "Vielleicht werden wir uns spalten. Und vielleicht passiert das am ehesten dann, wenn er nicht wiedergewählt wird."

Er hofft auf die Spaltung der Partei, um sie zu retten.

Weld hat eine lange Karriere hinter sich: War Rechtsberater im Kongress während der Watergate-Affäre, später Vize-Justizminister unter Ronald Reagan und schließlich Gouverneur des benachbarten Massachusetts. Danach scheiterte er mehrfach: Seine Berufung zum Botschafter in Mexiko unter Bill Clinton versauerte im Senat, er bewarb sich erfolglos als Gouverneur von New York und zuletzt 2016 als Vizekandidat des Präsidentschaftsbewerbers der kleinen Libertären Partei. Mit anderen Worten: Verlieren scheint ihn nicht zu stören. Weld stammt aus dem Bostoner Geldadel, seine zweite Frau aus dem Washingtoner Establishment.

Er will weniger Staatsschulden, eine härtere Politik gegenüber Russland – klassische republikanische Positionen, zumindest so lange, bis Trump übernahm.

In Iowa bekam Trump 97,1 Prozent, Weld 1,3 Prozent und ein dritter Mann namens Joe Walsh 1,1 Prozent der Stimmen. Trump spottete im Weißen Haus daraufhin so über sie: "Ich betrachte sie als Nicht-Menschen." Drei Tage später gab Walsh auf. Es bleibt nur noch Weld.

In New Hampshire rechnete er sich mehr aus, "ein Ergebnis, das Aufsehen erregt". Weld verbrachte hier viel Zeit, man kennt den früheren Gouverneur des großen Nachbarstaats Massachusetts. Am Ende, zwei Tage nach unserem Gespräch, holt er 9,1 Prozent der Stimmen. Nicht schlecht, aber kein großes Thema in Amerika.

In erster Linie will er der Nation, der Welt und wohl vor allem sich selbst zeigen, dass es noch Anstand in seiner Partei gibt.

Seine Frau Leslie sagt: Wenn Trump gewinnt, müssen wir wirklich schauen, ob wir im Land bleiben. Sie verweist auf ein Zitat von Trumps früherem Chefstrategen Steve Bannon: "Wenn Trump gewinnt, dann setzt es vier Jahre Rache." Weld gibt sich unerschrockener und holt einen Shakespeare-Satz hervor. "Der Feigling stirbt tausend Tode, der Mutige nur einen." Dann steigen sie in ihren Jeep und fahren zum nächsten Kleintermin.

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Ich finde seinen Wahlkampf gegen einen allmächtigen Präsidenten, der seine Gegner vernichten will und Unmengen an Hass auf sie lenkt, genau das: verdammt mutig. Weld will noch bis zum Super Tuesday weitermachen, vielleicht geht ihm dann Luft oder Geld für den Wahlkampf aus.

Doch schon jetzt ist klar: Wenn die Republikaner im August auf ihrem Parteitag im August Donald Trump erneut zum Kandidaten krönen werden, wird dies nicht einstimmig passieren: Denn die eine Delegiertenstimme, die hat Bill Weld, der letzte Widerständler der Republikaner, bereits sicher.

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