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Krankenkassen: Merz schlägt Leistungskürzungen vor, Kassen empört


Milliardenminus droht
Merz hat eine Idee – doch die Krankenkassen sind empört


Aktualisiert am 15.07.2025 - 16:39 UhrLesedauer: 4 Min.
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Friedrich Merz beim Sommerinterview: Er bekommt Gegenwind. (Quelle: Michael Kappeler)
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Die Beiträge sind gerade erst gestiegen, da drohen die nächsten Milliardenkosten für die Krankenkassen. Der Kanzler hat deshalb einen Vorschlag – zulasten der Versicherten.

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland gelten längst als Problempatient – und ihre Genesungsprognosen werden zunehmend düsterer eingeschätzt. Die Politik diskutiert mittlerweile unterschiedlichste Maßnahmen, doch eine Besserung ist bisher nicht in Sicht. Nun hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz mit einem Vorschlag gemeldet. Er will die Leistungen für die Versicherten kürzen.

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Erst am Wochenende tauchten neue Zahlen auf, wonach den Krankenkassen für das Jahr 2027 ein Minus von zwölf Milliarden Euro droht. Das berichtetet die "Bild" und bezieht sich dabei auf unbestätigte Prognosen des Gesundheitsministeriums.

Doch es gibt keinen Zweifel darüber, dass die Krankenkassen dringend eine neue Finanzierungsgrundlage benötigen. Entweder müssen die Ausgaben der Kassen gesenkt werden oder sie brauchen größere Einnahmen. Merz plädiert für Ersteres. Doch wie realistisch sind solche Forderungen und wie geht es nun weiter mit den Krankenkassen? Die Kassen selbst sind mit der Forderung des Kanzlers nicht einverstanden.

Krankenkassen: Merz hat einen Vorschlag

Erst zu Jahresbeginn wurden die Beiträge für die Versicherten deutlich angehoben. 14 Krankenkassen haben die Sätze seitdem noch einmal erhöht. Dabei hatten die Kassen im Vorjahr eigentlich Rekordeinnahmen erzielt. Allerdings gibt es zwei Probleme: Die Krankenversicherungen haben ihre Reserven verbraucht – bis unter das gesetzliche Minimum – und die Kosten steigen in noch höherem Maße als die Einnahmen.

Während die Anstiege zu Jahresbeginn zu großen Teilen dem Wiederaufbau der Reserven dienen sollten, steigen die laufenden Ausgaben weiter an. Bereits für das kommende Jahr gewährt Finanzminister Lars Klingbeil den Kassen ein Darlehen über 2,3 Milliarden Euro – eine Lücke von weiteren vier Milliarden Euro ist noch nicht gedeckt.

So droht zum Jahreswechsel 2026 ein Beitragsanstieg um 0,2 Beitragspunkte. Dann wären 17,7 Prozent des Bruttolohns für die Kassen fällig – statt 17,5 Prozent aktuell. Steigt das Minus bis 2027 tatsächlich weiter auf zwölf Milliarden Euro, drohen weitere Erhöhungen – um erneut mindestens 0,6 Prozentpunkte.

Kanzler Merz sieht deshalb Reformbedarf. Man müsse über das Leistungsniveau sprechen, erklärte er im ARD-Sommerinterview. Er sieht die Beitragszahler in der Pflicht. "Wo fängt Eigenverantwortung an? Wo hört Eigenverantwortung auf und geht in Solidarität über?", fragte er. Diese Grenzen müssten neu gezogen werden.

Bei den Krankenkassen kommt das nicht gut an. Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, sagt t-online: "Wir glauben nicht, dass wir die Diskussion um die notwendigen Reformen mit Leistungskürzungen für kranke Menschen beginnen sollten."

94 Krankenkassen: Zu viel oder Stabilitätsfaktor

Ein anderer Vorschlag kommt dagegen immer wieder auf: Die Zahl der Krankenkassen müsse verkleinert werden. Aktuell gibt es 94 von ihnen. Die Zahl ist ohnehin deutlich gesunken, vor zehn Jahren gab es noch 122. Dennoch fordert Klaus Holetschek, Chef der CSU im Bayerischen Landtag, in der "Bild": "Es kann nicht sein, dass wir über Milliardendefizite reden, aber gleichzeitig fast 100 gesetzliche Krankenkassen mitfinanzieren." Ähnliche Forderungen kommen aus der SPD. Der Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Jochen Ott, fordert einen Weg "mit weniger Kassen und weniger unnötigen Untersuchungen, dafür mit mehr Einzahlern und einer finanziell solideren Basis".

Auch in diesem Fall treffen die Forderungen der Politik auf wenig Verständnis der Kassen. GKV-Sprecher Lanz spricht von einer "Alibidebatte", die von ernsthaften Reformen im Gesundheitswesen ablenke. Er sieht in der Vielfalt vielmehr einen Faktor für niedrigere Ausgaben. "Der Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen ist einer der Gründe, warum die Verwaltungskosten bei den gesetzlichen Krankenkassen so niedrig sind. Viel niedriger übrigens als die der privaten Krankenversicherung", betont er.

Auch der Gesundheitsökonom Hartmut Reiners sieht hier kaum Einsparpotenzial: "Die Verwaltungskosten würden sich durch eine Einheitsversicherung im Promille-Bereich verändern, weil die ganzen Aufgaben die gleichen bleiben", sagte er dem MDR. Lediglich die Vorstands-Etats und einige Leitungspositionen könnten eingespart werden. Dies mache aber lediglich 0,09 Prozent der Gesamtausgaben aus.

Krankenkassen: Was soll der Staat übernehmen?

Doch wie sollen Eingaben und Ausgaben zukünftig in Einklang gebracht werden?

Die Kassen fordern bereits seit Längerem, dass der Bund gewisse Leistungen übernimmt, die aus GKV-Sicht nicht in den eigenen Aufgabenbereich gehören. Allen voran: die Kosten für die Bürgergeldempfänger im Gesundheitssystem. Die betragen aktuell etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr und werden komplett von den Kassen getragen.

Lanz betont: "Als Sofortmaßnahmen braucht es die vollständige Gegenfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbezieher, womit wir bei der Schließung des Defizits einen entscheidenden Schritt weiter wären." Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, wendet sich auf LinkedIn an Finanzminister Klingbeil und sieht in der Finanzierung der Bürgergeldempfänger "eine Aufgabe, die unzweifelhaft in Ihr Ressort und von Steuergeldern finanziert gehört".

Die Länder fordern derweil zudem mehr Steuermittel für Ausgaben wie die Mitversicherung von nicht berufstätigen Familienmitgliedern, Mutterschaftsgeld und Krankengeld bei der Betreuung von erkrankten Kindern – alles Leistungen, die keine primären Aufgaben der Versicherung sind, die aber momentan von den gesetzlichen Kassen übernommen werden.

Die Krankenkassen hatten sich bereits früher im Jahr ein Ausgabenmoratorium vorgeschrieben. Das bedeutet: Es soll nicht mehr Ausgaben als Einnahmen geben. Leistungen müssen dafür nicht zwingend gekürzt werden. Vielmehr will man einen Anstieg des Ärztehonorars begrenzen.

Kommt es zu solch einem Entgegenkommen, sind die zwölf Milliarden Euro für 2027 nicht zu erwarten, erklärt GKV-Sprecher Lanz. "Wir setzen darauf, dass sich diese Frage so krass nicht stellt, da die Politik vorher aktiv wird."

Mehr Einnahmen für Krankenkassen? Wohl nicht mit Schwarz-Rot

Alle Vorschläge zielen darauf ab, die Ausgaben der Kassen zu senken. Bliebe noch die Möglichkeit der Einnahmesteigerung. So schlug der SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf vor, die Beiträge für Besserverdiener zu steigern. So liegt die Beitragsbemessungsgrenze aktuell bei 5.512 Euro im Monat. Wer mehr verdient, muss aus dem zusätzlichen Gehalt nichts in die Krankenversicherung einzahlen. Klüssendorf verwies in der "Bild am Sonntag" auf sein Gehalt: "Da zahle ich den Maximalbeitrag und wäre in der Lage, auch mehr zu zahlen."

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Realistisch ist dies aber nicht. Schließlich blockte der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann umgehend ab: "Das ist nicht gedeckt im Koalitionsvertrag."

Behandlungsmethoden für die Krankenkasse gibt es also theoretisch genug. Nur umgesetzt wurde bisher wenig. Es liegt nun also an der Bundesregierung, anzufangen, bevor es wirklich kritisch für die Kassen wird.

Passiert nichts, gibt es laut GKV-Sprecher Lanz nur eine Option: "Solange die Ausgaben schneller steigen als die Einnahmen, werden die Beiträge steigen müssen. Der Schlüssel zu stabilen Krankenkassenbeiträgen liegt darin, die Ausgaben in den Griff zu bekommen."

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