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Amok-Tipps für US-Schulkinder: "Bettelt nicht um euer Leben"


Amok-Tipps für US-Schulkinder
"Bettelt nicht um euer Leben"

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

01.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Wenige Tage nach dem Attentat in Uvalde fand in Houston, Texas, die Jahrestagung der NRA statt. Die private Nachfrage nach Schusswaffen ist in den USA nach wie vor enorm.Vergrößern des Bildes
Wenige Tage nach dem Attentat in Uvalde fand in Houston, Texas, die Jahrestagung der NRA statt. Die private Nachfrage nach Schusswaffen ist in den USA nach wie vor enorm. (Quelle: Allison Dinner/imago-images-bilder)

Immer mehr amerikanische Eltern leben mit der Angst, dass ihre Kinder die nächsten Opfer eines Attentats an einer Schule sein könnten. Weil der Staat beim Schutz versagt, machen Firmen jetzt ein Riesengeschäft.

Wenn in wenigen Wochen die Sommerferien wieder vorbei sind, werden viele amerikanische Kinder sicherer als je zuvor zurück in die Schule gehen. So zumindest versprechen es Firmen, die wie nach jedem Massaker auch jetzt wieder wachsende Verkaufszahlen vermelden können.

Die Unternehmen heißen "Guard Dog Security", "Bullet Blocker", "Wonder Hoodie", "Tuffypacks" oder "MC-Armor". Sie alle produzieren Schulranzen, Kapuzenpullover, Laptoptaschen oder Ordner. Das Besondere: Ihre Produkte sollen kugelsicher sein und Kinder vor Attentaten wie im texanischen Uvalde schützen.

Mit Sätzen wie "Seien Sie auf jede Situation vorbereitet", "In der Schule stehen wir an Ihrer Seite" oder "Der ultimative Schutz vor einem Angriff" versprechen die Hersteller auf ihren Webseiten angebliche Sicherheit.

Der Tenor: Besorgten Eltern das Gefühl vermitteln, dass sie selbst sehr viel tun können, um ihr Kind vor dem Tod zu beschützen, der letztlich jederzeit lauern kann. Dass in Uvalde jetzt das lange Zögern und die schlechte Koordination der Polizei den Eindruck von Staatsversagen vermitteln, lässt Eltern und Kinder noch verunsicherter zurück.

Nicht um das eigene Leben betteln

Die Unternehmen inszenieren sich als treue Begleiter, auf die Verlass ist. Mit bedrohlichen Videos wird zusätzlich Angst geschürt. Dazu liefern sie bebilderte Anleitungen und Sicherheitstrainings, die zeigen sollen, wie sich Schüler hinter ihren kugelsicheren Rucksäcken verstecken und korrekt verhalten können im Fall des Falles.

Der Hersteller Tuffypacks wirbt außerdem damit, dass Schulen ihr Schullogo oder das Schulmaskottchen auf die Rucksäcke drucken lassen können. Ein PR-Kniff, um noch mehr Vertrauen in das eigene Produkt zu erzeugen.

Dazu liefert die Firma ein Informationsblatt für Eltern, damit diese ihre Kinder auf einen drohenden Angriff in der Schule vorbereiten können. "Bei Tuffypacks ermutigen wir Menschen, ihr eigenes Überleben selbst in die Hand zu nehmen – die Situation einzuschätzen und im fraglichen Moment Entscheidungen zu treffen", steht dort geschrieben. Hilfe zur Selbsthilfe. Darunter sind Tipps aufgelistet, die beispielsweise lauten: "Biete ein kleines Ziel für den Angreifer" oder "Bettle nicht um dein Leben".

Kinder sollen sich laut der Broschüre ganz klein machen und hinter ihren angeblich kugelsicheren Rucksäckchen zusammenkauern. Ziel: Den Schusswinkel eines Attentäters zu verkleinern. Um das eigene Leben zu betteln, das klinge zwar nach einer guten Idee, so das Infoblatt. "Aufgrund des Mangels an Empathie der meisten Schützen aber funktioniert solches Flehen selten." Wenn man keine anderen Optionen habe, soll sich das Sich-Totstellen tatsächlich noch als halbwegs wirksam erwiesen haben, schreibt der Hersteller.

Von der Nische zum Standardprodukt

Solche Schulranzen gibt es längst nicht mehr nur im Internet. Sie sind keine Nische mehr in den USA. Wer in die Läden bekannter Einzelhandelsketten wie "Home Depot" oder "Dick’s Sporting Ground" geht, findet zum Beispiel die Rucksäcke des Herstellers Guard Dog. Laut übereinstimmenden Medienberichten sollen deren Verkaufszahlen im Internetshop und auch in den Filialen gleich nach dem Attentat an der Grundschule von Uvalde in die Höhe geschnellt sein.

Es ist ein Effekt, der sich bereits bei dem Amoklauf 2018 an einer Schule in Parkland beobachten ließ. Neben dem schweren Anschlag dort kam es 2018 noch zu 23 weiteren Schießereien, bei denen es Tote oder zumindest Verletzte gab. Und auch 2019 waren die Verkaufszahlen kugelsicherer Rucksäcke nach einer Reihe von Schulattentaten wie im texanischen El Paso oder in Ohio um fast 300 Prozent gestiegen.

Und weil auch das Uvalde-Attentat nach wie vor im ganzen Land die Schlagzeilen und TV-Sendungen bestimmt, kommen auch dieses Mal die Bestellungen von überall aus den USA.

Teuer, aber unwirksam

Tatsächlich dürfte es aber nach wie vor so sein, dass keiner der auf dem Markt erhältlichen Kinderschulranzen auch nur vor einem Schuss aus dem Sturmgewehr des Täters von Uvalde geschützt hätte. Die meisten Produkte dämpfen nur die Durchschlagskraft der Kugel eines einfachen Revolvers oder eines Messerstichs.

Dabei kosten die in kindgerechten Farben und Mustern erhältlichen kugelsicheren Ranzen um die 200 Dollar. Für einige Modelle müssen Eltern sogar rund 500 Dollar bezahlen. Aber wer will schon sparen, wenn es um das Leben des eigenen Kindes geht? Selbst für die einfachen kugelsicheren Einlagen veranschlagen die Hersteller mehr als 100 Dollar. Kugelsichere Kapuzenpullover gibt es bei der Firma "Wonder Hoodie" ab 500 Dollar. Zum Feiertag am "Memorial Day" bot das Unternehmen immerhin noch 30 Prozent Rabatt an.

Es ist ein lukratives Geschäft mit der realen und nachvollziehbaren Angst von Eltern, Schülern und Lehrern. Nur wirksam sind die Produkte eben nicht gegen solch schwere Angriffe wie in Uvalde.

Warum der Verkauf trotzdem funktioniert? Auch deswegen, weil wie schon so oft in den vergangenen Jahren politisch alles beim Alten bleibt. Während von republikanischer Seite ein Hochrüsten der Schulen gefordert wird, fordern die Demokraten schärfere Waffengesetze.

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