Trumps Spiel mit dem Feuer Dann kommt es zur Explosion
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Weil Donald Trump von den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen werden könnte, freuen sich seine Gegner. Doch die Konsequenzen einer solchen Entscheidung könnten fürchterlich sein.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Hat Donald Trump mit seinen Worten einen Aufstand entfacht und hat er dafür juristisch die Konsequenzen zu tragen? Diese Frage wird den Wahlkampf der US-Präsidentschaftswahlen bestimmen. Bundesstaaten und regionale Gerichte entscheiden bereits jetzt, ob der ehemalige Präsident 2024 bei den Vorwahlen antreten darf. Es ist der Anfang einer Reihe weiterer anstehender Urteile, die ihn sogar ins Gefängnis bringen könnten.
Geprüft wird im Kern der Vorwurf, ob Trump beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in einen Aufstand gegen die Vereinigten Staaten verwickelt war. Das höchste Gericht des Bundesstaats Colorado etwa kam zu der Auffassung, dass dem so sei. Die Richter schlossen ihn dort von den Vorwahlen der Republikaner aus. Im Bundesstaat Maine war es die Innenministerin Shenna Bellows, die Trump von der Kandidatenliste strich.
Die zentrale Begründung für Trumps Ausschluss von den Vorwahlen, die auch auf die Präsidentschaftswahl angewandt werden könnte, lautet: Der einstige Präsident habe mit Lügen über eine ihm gestohlene Wahl Misstrauen gesät. Das Ergebnis soll dann die unbändige Wut seiner Anhänger gewesen sein, obschon sie vorgaben, die Demokratie nicht stürzen, sondern schützen zu wollen.
Die gefährliche Kehrseite
Tatsächlich ist der Versuch, Trumps Beteiligung an diesem Aufstand mit Worten nachzuweisen, juristisch heikel und gesellschaftlich sogar gefährlich. Die USA sind ein Land, das wie kaum sonst eines auf der Welt die Meinungs- und Redefreiheit schützt. Darum ist es nicht unwahrscheinlich, dass Trump am Ende vor den Gerichten siegen wird. Sollte er verlieren, könnte das die USA im schlimmsten Fall erst recht ins Chaos stürzen, wenn nicht sogar in bürgerkriegsähnliche Zustände.
Politische Gegner, aber auch Richter, sind dennoch überzeugt, dass sich Trumps Beteiligung am Aufstand gegen die Verfassung anhand seiner aufhetzenden Worte stichhaltig belegen lässt. Und auf den ersten Blick wirkt es sogar plausibel.
Eine seit Jahren vorbereitete Lüge
Denn Donald Trump rief schon 2016, im Wahlkampf gegen Hillary Clinton, bei einer Veranstaltung: "Es ist mein voller Ernst. Sie können uns nicht schlagen. Und wenn sie uns besiegen, dann nur, indem sie betrügen." Der Sieg sei ihm und seinen Anhängern nur zu nehmen, wenn die Demokraten Wahlbetrug verüben würden. Damals verhallten seine Worte, weil Trump gegen Clinton ohnehin gewann.
Vier Jahre später, im Wahlkampf gegen Joe Biden, peitschte Trump als Präsident seine Anhänger erneut damit auf. Er wiederholte 2020 seine Behauptung, er könne nur verlieren, wenn die Wahl manipuliert würde. Als Trump von Reportern gefragt wurde, ob er im Falle einer Niederlage eine "friedvolle Übergabe der Macht" garantieren würde, antwortete er zudem: "Das werden wir sehen." Wie sich später zeigte, war dies wörtlich zu nehmen.
Bei seiner Rede auf der National Mall in Washington am 6. Januar 2021 forderte er schließlich die teils bewaffnete Menge zwar auf, "friedlich" und "patriotisch" zum Kapitol zu marschieren. Was er aber dem wütenden Pulk auch sagte, war: "Wenn ihr nicht kämpft und dabei alles gebt, dann werdet ihr kein Land mehr haben." Sie sollten sich nun auf den Weg zum Kapitol machen. "Ich werde mit euch sein", rief er noch.
Nach Ansicht seiner Gegner ließ Trump damit ein Streichholz fallen, in einem Raum voller Dynamit. Anschließend zog er sich ins Weiße Haus zurück. Der explodierenden Gewalt am Kapitol gebot er über Stunden keinen Einhalt. Der Aufstand wurde zwar abgewehrt und Joe Biden zum Präsidenten gewählt; fünf Menschen aber fanden den Tod, darunter vier Demonstranten und ein Polizist. Hunderte wurden verletzt. Die älteste Demokratie der Welt war blamiert und beschädigt.
Doch reicht all das, um ihn einer Beteiligung am Aufstand schuldig zu sprechen? Sagen lässt sich: Würde der Populist Donald Trump seinen Worten keine Wirkmacht zutrauen, dann würde er sie nicht einsetzen. Gezielt bedient er sich einer Taktik, die auch die Nationalsozialisten in Deutschland für sich zu nutzen wussten. Er bekämpft offenkundig die Demokratie mit den Möglichkeiten, die die Demokratie bereithält. Die freie Rede, erst recht im Zeitalter des Internets, birgt Chancen und Gefahren.
Das Problem mit der Ursache und der Wirkung
Wie schwierig es ist, Trump für seine hetzerische Rhetorik voller Lügen juristisch zur Verantwortung zu ziehen, lässt sich an einem Beispiel aus der Zeit seiner Präsidentschaft zeigen:
Im Jahr 2019 erschoss der rechtsextremistische Terrorist Patrick Crusius (21) im texanischen El Paso 23 Menschen in einer Walmart-Filiale. Es war ein Hassverbrechen – das Attentat gilt als tödlichster Angriff auf Latinos in der neueren Geschichte der USA. Beim Täter fand sich eine Hetzschrift mit Rückschlüssen auf seine rassistische Motivlage. Er schrieb darin unter anderem über einen voranschreitenden "Bevölkerungsaustausch" in Amerika aufgrund einer "Invasion" von Latinos. Das lieferte ihm die Begründung für seine brutalen und kaltblütigen Morde. Kritiker gaben Trump damals eine Mitschuld für das Massaker.
Tatsächlich wurde der Begriff Invasion von Trump und seinen Anhängern damals benutzt, um die Probleme durch illegale Migration aus Lateinamerika an der Südgrenze der USA zu beschreiben. Und erst kürzlich sagte der Ex-Präsident über unkontrollierte Einwanderung: "Sie vergiften das Blut unseres Landes." Es klingt wie die Blut-und-Boden-Rhetorik beim Attentäter von El Paso.
Trump kann für solche Worte juristisch nicht belangt werden, und schon gar nicht für das El-Paso-Attentat selbst. Warum also beim Sturm auf das Kapitol? Seine Worte wirkten bei den Vorgängen des 6. Januar 2021 zwar örtlich und zeitlich viel direkter. Rechtlich könnte aber auch hier gelten: Verantwortlich sind am Ende nur die Täter, mögen sie sich noch so sehr von Trumps Äußerungen bestätigt oder ermutigt fühlen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die meisten amerikanischen Gerichte dieser Lesart am Ende folgen werden. Für Trump wäre das ein doppelter Triumph, der sich wohl wieder in steigenden Umfragewerten und einem späteren Wahlsieg niederschlagen könnte.
Die Hetze weitet sich immer mehr aus
Es mag einerseits verständlich sein, alle Versuche zu unternehmen, Donald Trump wegen seiner aufhetzenden Worte juristisch haftbar zu machen. Andererseits ist es gefährlich. Und zwar gerade, weil Donald Trump eindeutig verantwortlich ist. Aber eben nur im moralischen Sinne. Er trägt längst ganz real eine Mitschuld am gesellschaftlichen Klima in den USA – und das kann jederzeit wieder und noch viel weiter kippen. Seine Botschaften beeinflussen Millionen Amerikaner und bestärken manche sogar in ihrer Gewaltbereitschaft.
Mutwillig nimmt Trump dabei in Kauf, dass sich jemand finden wird, der sich im schlimmsten Fall zu tödlichem Handeln berufen und durch die Worte des ehemaligen Präsidenten bestätigt fühlt. Drei Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol ist die Gefahr von Aufständen, von politisch motivierten Attentaten und gefährlichen Aggressionen im kommenden Wahljahr besonders groß.
Denn Trump und seine Mitstreiter äußern sich immer explosiver, gerade angesichts der vielen Gerichtsverfahren und Entscheidungen gegen ihn. Der Ex-Präsident und seine Anhänger sprechen heute längst nicht mehr nur von einer gestohlenen Wahl oder einer Invasion durch illegale Migranten. Trump bezichtigt nicht allein politische Gegner als "Ungeziefer" und nutzt damit eine entmenschlichende Sprache.
Er verdammt inzwischen alle staatlichen Verwaltungsapparate und alle Gerichte, die nicht in seinem Sinne handeln und urteilen, als korrupt und von angeblichen Kommunisten infiltriert. In alle Institutionen sät er Misstrauen und Wut und greift damit alle drei Gewalten der US-Demokratie an: Legislative, Exekutive und Judikative.
Aus seinen Regierungsplänen macht er zudem keinen Hehl. Als Trump kürzlich in einem Interview gefragt wurde: "Sie werden kein Diktator sein, oder?", antwortete er: "Nein, nein, nein, außer am ersten Tag." Nur ein Spaß, sagen zumindest seine Anhänger. Vielleicht sollte man seine Worte dieses Mal aber besser ernst nehmen.
Die Angst vor den Folgen
Was am 6. Januar 2021 beim Aufstand in Washington, was 2019 beim Attentat in El Paso passierte – in Amerika kann das jetzt jederzeit wieder geschehen. Erst recht, sollte Trump wirklich verurteilt oder von den Wahlen ausgeschlossen werden. Dann könnte das Ausmaß eines möglichen Aufruhrs überall im Land die Ereignisse vom 6. Januar in den Schatten stellen. Mindestens die Hälfte des Landes steht hinter ihm.
Vor möglichen bürgerkriegsähnlichen Zuständen warnen politische Beobachter, Analysten und Wissenschaftler schon lange. Den Richtern des obersten Gerichts von Colorado, die Trumps Ausschluss von den Vorwahlen in diesem Bundesstaat entschieden, wird bereits jetzt Gewalt angedroht.
Der Rechtsstaat darf sich nicht einschüchtern lassen. Bemerkenswert war zuletzt trotzdem eine Äußerung von Shirley Weber, der Innenministerin Kaliforniens. Sie begründete, warum sie, anders als ihre Amtskollegin aus dem Bundesstaat Maine, Donald Trump nicht von der Liste der Vorwahl-Kandidaten streichen ließ. Zwar werte sie das Verhalten des Ex-Präsidenten als "abscheulichen und verstörenden Angriff auf die Demokratie". Da sie aber an die Demokratie glaube, müsse sie sich grundsätzlich weiterhin an die Rechtsstaatlichkeit halten. "Wenn ich das nicht tue, dann bin ich nicht besser als Trump", sagte Weber.
Die Kalifornierin befürchtet womöglich, was passieren könnte, sollten noch mehr Bundesstaaten Trump in den kommenden Monaten von den Wahllisten streichen. Dann könnte die gefährliche Macht seiner Worte ihre Wirkung erst recht entfalten. Der Boden dafür ist längst bereitet. Trump wäre im Zweifel wieder nicht haftbar zu machen. Egal, was er sagt.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen
- npr.org: "Read Trump's Jan. 6 Speech, A Key Part Of Impeachment Trial" (Englisch)
- maine.gov: "Ruling of the Secretary of State" (Englisch)
- courts.state.co.us: "Opinion of the Colorado Supreme Court" (Englisch)
- latimes.com: "'I must be better than Trump': Why California’s elections chief is keeping the former president on the ballot" (Englisch)