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Union fordert "Elterngeld" für Ältere: Alles andere ist Verrat


"Elterngeld" für pflegende Angehörige
Alles andere ist Verrat

MeinungVon Miriam Hollstein

10.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Eine Pflegekraft legt ihre Hand auf die eines Patienten (Symbolbild): In 70 Fällen soll ein Pfleger Bewohner einer Einrichtung missbraucht haben.Vergrößern des Bildes
Je älter man wird, umso höher wird das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Für die über 90-Jährigen liegt er bei über 80 Prozent. (Quelle: Westend61/imago images)

Die Union fordert eine Art Elterngeld für pflegende Angehörige. Das ist ein klares Wahlkampfmanöver – und trotzdem eine gute Idee.

Deutschland ist eine alternde Gesellschaft – nach Japan die zweitälteste der Welt. Schon jetzt liegt das Durchschnittsalter hier bei 44,7 Jahren, nur vier Jahre hinter dem japanischen Durchschnittsalter. Für die Zukunft bedeutet das: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird weiter steigen. Und zwar deutlich: von heute rund fünf Millionen auf 6,3 Millionen im Jahr 2035.

Immer mehr Menschen werden sich in einer Situation der extremen Doppelbelastung wiederfinden. Einerseits müssen sie sich noch um ihre heranwachsenden Kinder kümmern, andererseits um ihre pflegebedürftigen Eltern. Und das neben der eigenen Berufstätigkeit. "Rush hour" des Lebens nennt sich diese Phase.

Diese Menschen will die Bundestagsfraktion von CDU und CSU entlasten. In einem gemeinsamen Positionspapier schlägt sie vor, für pflegende Angehörige nach dem Vorbild des Elterngelds Lohnersatzleistungen und Steuerfreibeträge einzuführen. Bislang hat man Anspruch auf Pflegegeld, wenn beim Angehörigen ein Pflegegrad festgestellt wird. Auch eine Lohnersatzleistung gibt es bereits, das sogenanntes Pflegeunterstützungsgeld. Dieses muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Es wird bis zu zehn Tage bezahlt und soll eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gewährleisten.

Kinder lassen sich planen, die Pflege von Angehörigen nicht

In der Realität ist das ein Witz. Denn anders als Kinder lässt sich die Pflegebedürftigkeit der Eltern nicht planen. Natürlich sieht man sie älter und gebrechlicher werden. Aber oft können sie sich noch lange selbstständig versorgen. Doch dann kommt es plötzlich zu einem Sturz oder einer unerwarteten Verschlechterung. Quasi über Nacht werden die Eltern zum Pflegefall. Zehn Tage reichen in solchen Situationen gerade einmal aus, um das Notwendigste zu organisieren.

Nun könnte man den Unions-Vorschlag als durchschaubares Wahlkampfmanöver kritisieren. In zwei Monaten sind in Hessen und Bayern Landtagswahlen, da kommt so ein Pflegevorschlag gerade recht. Und warum hat sich die Union nicht in den 16 Jahren ihrer Regierungszeit darum gekümmert? Den Ruf nach einem "Elterngeld" für die Betreuung Älterer gibt es schon lange, etwa vom Deutschen Beamtenbund.

Alles richtig, doch dies ändert für Betroffene nichts. Zu mehr als 70 Prozent sind es die Frauen, die die Pflege der Angehörigen übernehmen. Sie jonglieren oft jahrelang mit Kindern, Haushalt, Beruf und Eltern, manchmal an der Grenze zum Burn-out oder darüber hinaus. Nehmen berufliche Nachteile und schlechtere Renten in Kauf, weil sie in Teilzeit arbeiten, um Zeit für die Pflege zu haben. Ähnlich wie früher bei der Kinderbetreuung wird diese Leistung gesellschaftlich kaum anerkannt. Von den Frauen wird wie selbstverständlich erwartet, dass sie sich kümmern. Die tradierten Rollenbilder sind immer noch mächtig.

Das Elterngeld war ein Durchbruch

Bei der Kinderbetreuung brachte das Elterngeld den Durchbruch. Insbesondere, als die Vätermonate dazu kamen. Zum einen gab es nun eine relevante finanzielle Absicherung. Zum anderen wurde mit der Leistung signalisiert, dass es keinesfalls eine Selbstverständlichkeit ist, dass Frauen die Kinderbetreuung weitgehend alleine wuppen.

Ein solches Signal ist auch bei der Pflege älterer Angehöriger dringend notwendig. Wer die Verantwortung für Mutter oder Vater, Oma oder Opa übernimmt, muss mehr als zehn Tage finanziell abgesichert sein. Zumal der Gesellschaft die hohen Kosten für einen Heimplatz erspart bleiben, der in Zeiten des Pflegenotstands ohnehin zu einem knappen Gut wird.

Wie genau diese Unterstützung aussehen sollte, darüber kann man diskutieren. Das "Elterngeld" für die Betreuung Älterer ist nur ein Baustein, wie die Union richtig erkannt hat. Eine bessere Anrechnung der Pflegezeit bei den Rentenansprüchen und mehr Kurzzeitpflegeplätze, wenn die Pflegenden eine Auszeit brauchen, müssen hinzukommen. Auch muss darüber beraten werden, wo die Einkommensgrenze für den Erhalt eines solchen neuen Elterngelds liegen sollte. Im Gegensatz zu Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen werden wohlhabendere Menschen auch immer die Möglichkeit haben, eine private Pflegekraft für Oma oder Opa zu finanzieren. Für sie käme eventuell eine stärkere steuerliche Entlastung infrage.

Für die Arbeitgeber und die Gesellschaft würde ein solches "Elterngeld II" aber eine klare Botschaft bereithalten: Pflegende Angehörige sind keine Bittsteller; ihr Einsatz ist keine Privatangelegenheit. Die Gesellschaft hat allen Grund, ihnen dankbar zu sein.

Verwendete Quellen
  • PKV: Pflege in einer alternden Gesellschaft. https://www.pkv.de/wissen/pflegepflichtversicherung/die-pflege-in-einer-alternden-gesellschaft/
  • Forderungen des Deutschen Beamtenbundes: https://www.dbb.de/artikel/lohnersatzleistung-fuer-pflegende-muss-kommen.html
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