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AfD-Aktivist darf nicht Anwalt werden: Juristen-Ausbildung verweigert


Eilantrag gescheitert
Langjähriger AfD-Mitarbeiter darf nicht Volljurist werden


09.06.2025 - 14:51 UhrLesedauer: 4 Min.
John Hoewer: Der langjährige AfD-Mitarbeiter, hier beim Wahlkampf 2022 in NRW, kann sich nicht in die Justiz einklagen.Vergrößern des Bildes
John Hoewer: Der langjährige AfD-Mitarbeiter kann sich nicht in die Justiz einklagen. (Quelle: Roland Weihrauch/dpa)
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Der Staat muss niemanden zum Volljuristen machen, der die Verfassung bekämpft: Einem Aktivisten aus dem Umfeld des AfD-Fraktionsvizes Sebastian Münzenmaier darf das Referendariat verweigert werden, so ein Gericht.

Ein langjähriger Mitarbeiter der AfD darf nicht Richter, Staatsanwalt oder Anwalt werden. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat das Ansinnen des Mannes zurückgewiesen. Er wollte sich in die Ausbildung zum Volljuristen einklagen. Daraus wird nichts wegen diverser Texte, die die Menschenwürde verletzen, und wegen seiner Rolle beim gesichert rechtsextremistischen Verein "Ein Prozent" und in der "Jungen Alternative".

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist deutlich: Nach dem Prinzip der "wehrhaften" Demokratie sei es "nicht (...) dem Staat zuzumuten, verfassungsuntreue Bewerber in den Vorbereitungsdienst aufnehmen zu müssen". Rechtsreferendare müssten sich durch "ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen".

Der Mann hatte sein Rechtsreferendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz beginnen wollen – die notwendige Voraussetzung, um Anwalt oder Richter werden zu können. Der Bewerber ist der 38-Jährige John Hoewer, der seit mindestens 2017 für die AfD arbeitet. Zuerst hatte das Portal "Endstation rechts" berichtet, dass es um ihn gehe.

Für Abgeordneten "Neue Rechte" in den Bundestag geholt

Hoewer war zunächst als Referent in der 2016 gewählten Landtagsfraktion der AfD in Sachsen-Anhalt beschäftigt und dann bei dem damaligen Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann (65) tätig. 2018 half er auch Pasemann, Köpfe der Neuen Rechte zu einer Veranstaltung in den Bundestag zu holen. Darunter war Philip Stein, Vorsitzender des Vereins "Ein Prozent".

In diesem Verein wurde Hoewer später stellvertretender Vorsitzender. Er publiziert auch im Verlag von Stein. Die beiden kannten sich spätestens seit 2017, als sie gemeinsam an einem Kongress der rechtsextremen italienischen Bewegung Casa Pound teilnahmen.

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Nachdem Pasemann aus der Partei ausgeschlossen und nicht wieder in den Bundestag gewählt worden war, zog Hoewer weiter zum rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier (35), der seit 2023 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion im Bundestag ist. Die Verbindung machte der BR im vergangenen Jahr öffentlich. Die "Experten" Stein & Co., die bei Pasemann in den Bundestag eingeladen wurden, kamen nun bei einer "alternativen Buchmesse" mit Schirmherr Münzenmaier in Mainz wieder zusammen.

t-online wollte von Münzenmaier wissen, ob und in welcher Funktion Hoewer weiterhin für ihn tätig ist und wie er die Entscheidung des Gerichts kommentiert. Der Abgeordnete teilte mit, er stehe für ein Interview zur Verfügung, wenn t-online sich "allgemein (und vielleicht sogar kritisch) mit den Maßnahmen im Kampf gegen die AfD beschäftigen" wolle, etwa mit Berufs- und Ausbildungsverboten und Kontokündigungen. Über den Fall Hoewer wollte er nichts sagen: Zu Personalangelegenheiten äußere er sich aus Datenschutzgründen und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte generell nicht.

"Genügt Mindestanforderungen an Verfassungstreuepflicht nicht"

Während Münzenmaier bereits wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung bei einem Angriff von Kaiserslauterer Hooligans verurteilt ist, wurde Hoewer zwar laut SWR beim Kampfsporttraining mit Neonazis der früheren NPD fotografiert. Strafrechtlich hat er aber eine weiße Weste. Er hat auch die freiheitliche demokratische Grundordnung "nicht in strafbarer Weise bekämpft". So steht es im Beschluss.

Darauf kommt es aber nicht an, so die Richter: Auch wer die freiheitliche demokratische Grundordnung "in bislang nicht strafrechtlich geahndeter Weise" beeinträchtigen oder beseitigen wolle, könne vom Vorbereitungsdienst ausgeschlossen werden.

Für eine funktionierende Rechtspflege sei es unerlässlich, derartige Bewerber nicht zuzulassen. Gesellschaftliches Vertrauen in die Justiz insgesamt sei nicht gewährleistet, wenn in Rechtsstreitigkeiten jemand mitwirke, der möglicherweise verfassungsfeindliche Ziele verfolge oder aktiv unterstütze.

Doch welche Gründe hat das Gericht für die Annahme? Zunächst einen, den Hoewer nach Ansicht des Gerichts auf den letzten Drücker noch aus der Welt schaffen wollte: Er war ab 2020 Vizevorsitzender beim Verein "Ein Prozent". Kurz vor der Verhandlung wurde diese Funktion im Vereinsregister gelöscht. Die Richter zur Änderung: Sie "erscheint ausschließlich verfahrenstaktisch motiviert". Hoewer hatte dagegen angegeben, das Amt schon im Februar 2023 niedergelegt zu haben, der Vereinsvorsitzende Philip Stein hatte das per eidesstattlicher Versicherung bestätigt. Hoewer hatte auch erklärt, Ende Januar 2023 aus der „Jungen Alternative" ausgetreten zu sein. Dort hatte er dem Landesvorstand Sachsen-Anhalt angehört.

Geldsammelmaschine "Ein Prozent"

Die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch ist bei "Ein Prozent" rechtskräftig. Die Organisation verbreitet über sich, sie sei eine "Bürgerbewegung" und die "erste seriöse Lobbyorganisation für verantwortungsbewusste, heimatliebende Bürger". Der Mitgründer Helge Hilse sieht das anders: "Sie war schon länger rechtsextrem", erklärte er 2023 der "Sächsischen Zeitung". Hilse, Vorgänger von Hoewer als Vizechef, schied 2020 aus. Eine "Bürgerbewegung" sei "Ein Prozent" nie gewesen, sondern "eigentlich eine Zwei-Mann-Show aus Stein und Kubitschek". Philip Stein ist der "Ein Prozent"-Vorsitzende, Götz Kubitschek der Vordenker der extremen Rechten und Gründer des 2024 formal aufgelösten "Instituts für Staatspolitik". Nach eigener Darstellung sind von "Ein Prozent" 2,2 Millionen Euro in "patriotische Projekte" geflossen und 1,4 Millionen Flyer und Plakate herausgegeben worden. Unterstützt wurde etwa die "Identitäre Bewegung".

Er wäre demnach ausgetreten kurz vor der Einstufung beider Organisationen als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Kein Argument, so die Richter: Eine Einstufung beruhe auf den Aktivitäten davor – als Hoewer unbestritten noch dabei war. Auf den Punkt komme es gar nicht an. Auch vor der Einstufung einer Organisation als gesichert rechtsextremistische Bestrebung müsse nicht bei allen Mitgliedern die Verfassungstreue angenommen werden.

Bundesverwaltungsgericht entschied in ähnlichem Fall

Andere Belege lagen dem Gericht schwarz auf weiß vor – in Texten von Hoewer: Insbesondere schwarze Menschen würden in einem Roman durchgehend pauschal herabgewürdigt. Unter anderem formulierte er, "Affenjungen" oder "Schimpansen" sollten keine deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Das Gericht: "Die Aussagen sprechen für sich."

In dem Roman werde strikte ethnische Trennung befürwortet. So heißt es, dass "Nudeln und Kartoffeln für sich genommen köstlich" seien, man sie aber "nicht zusammen in der Pfanne zubereiten" möge. Die menschenverachtenden Bezeichnungen zeigen aus Sicht der Richter ein Menschenbild, das mit der Würde des Menschen im Grundgesetz unvereinbar sei. In einem weiteren Text attestiere er dem Bundesverfassungsgericht eine "Demontage des Volksbegriffes", zudem habe sich "hierzulande der Staat gegen das Volk gerichtet".

Gegen den Beschluss ist die Beschwerde beim Oberlandesgericht möglich. Ein anderer Jurist aus der rechtsextremen Szene ist bereits bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen, hat dort aber verloren. Das OLG Bamberg hatte demnach das Mitglied der Neonazi-Partei "Der III. Weg" zu Recht nicht als Referendar zugelassen.

Für den Mann, der sich mit dem Zeigen des Hitlergrußes und dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht hat, war das aber vom Ergebnis her fast egal: Er hatte es auch in einem anderen Bundesland versucht und in Sachsen nach einer Entscheidung des dortigen Verfassungsgerichtshofs die Ausbildung machen können. Er ist inzwischen als Rechtsanwalt in Bayern tätig.

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