Kampfflugzeuge für Erdoğan Deutschland stößt zwei Verbündete vor den Kopf

Recep Tayyip Erdoğan ist am Ziel: Nach der Genehmigung aus Deutschland bekommt die Türkei nun Eurofighter geliefert. Es ist eine Entscheidung, die auch bei deutschen Verbündeten Unmut auslösen dürfte.
Was in Deutschland am Mittwoch inmitten der parlamentarischen Sommerpause eher eine nachrichtliche Randnotiz war, schlägt in der Türkei hohe Wellen: Die Bundesregierung hat den Weg freigemacht, damit 40 in Großbritannien gefertigte Eurofighter an die Türkei geliefert werden können. Damit hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Ziel erreicht, für das er viele Monate gekämpft hat – und Deutschland hat am Ende seinen Widerstand aufgegeben.
Am Mittwoch berichteten viele türkische Fernsehsender umfassend über die Lieferung der Kampfflugzeuge. Der Eurofighter wurde in Nachrichtensendungen mit all seinen Fähigkeiten vorgestellt. Ferner tobt im Land ein innenpolitischer Kampf um die Deutungshoheit des Deals. Erdoğans Anhänger schreiben die Kampfjet-Lieferungen der Beharrlichkeit ihres Präsidenten zu. Die oppositionelle CHP behauptet dagegen, sie habe Einfluss auf die Bundesregierung und vor allem auf ihre Freunde in der SPD genommen.
"Ich sagte den deutschen Behörden: 'Es ist wichtig, dass Sie unseren Kampf für Demokratie unterstützen, aber wir wollen auch den Eurofighter'", so der CHP-Vorsitzende Özgür Özel am Mittwoch. Sie seien "überrascht" gewesen und hätten zugestimmt.
Dass der wichtige Nato-Partner Türkei mittelfristig Kampfflugzeuge aus Europa oder den USA bekommt, erwarteten Experten zwar – lediglich der Zeitpunkt überrascht. Schließlich lässt Erdoğan auch in diesem Jahr für den eigenen Machterhalt politische Gegner und Journalisten verhaften. Und auch außenpolitisch könnte die Türkei militärische Konflikte mit Ländern führen, die mit Deutschland verbündet sind. Deswegen ist die Eurofighter-Freigabe aus Berlin vor allem eines: ein Risiko.
Erdoğan bleibt kompromisslos
Die Debatte über Waffenlieferungen aus EU-Staaten und insbesondere aus Deutschland an die Türkei läuft seit vielen Jahren. Begonnen wurde sie spätestens in der Regierungszeit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, als im Jahr 2018 die türkische Armee Kurden in Nordsyrien angriff und plötzlich in Deutschland gefertigte Panzer über die Grenze nach Syrien rollten.
Die deutsche Skepsis änderte sich in den Folgejahren kaum. Es gibt für die politischen Entscheider in Berlin auch heute noch zahlreiche Gründe dafür, die Bewaffnung von Erdoğan zumindest kritisch zu hinterfragen.
Ein Überblick:
- Im Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas stellte sich Erdoğan hinter die Hamas und verglich im Angesicht der humanitären Katastrophe im Gazastreifen Premier Benjamin Netanjahu oft mit Adolf Hitler. In Syrien droht ein direkter militärischer Konflikt zwischen Israel und der Türkei, da beide Regionalmächte ihren Einfluss in Syrien festigen möchten und geostrategisch unterschiedliche Ziele verfolgen.
- In den Beziehungen zu Griechenland ging es in den vergangenen Jahren auf und ab. Es gab auch unter Erdoğan Phasen, in denen sich beide Rivalen annäherten. Doch es gibt weiterhin Territorialkonflikte. So kommen aus der türkischen Führung immer wieder Drohungen, sich Teile der griechischen Inseln in der Ägäis gewaltsam einzuverleiben. Auch deshalb hat Griechenland seine Luftwaffe in den vergangenen Jahren gestärkt.
- In der Türkei versucht Erdoğan, sich den kurdischen Bevölkerungsgruppen anzunähern, weil er ihre Stimmen möglicherweise braucht, um sich mit einer Verfassungsänderung eine weitere Amtszeit zu sichern. Doch in Syrien und im Irak attackiert die türkische Armee weiterhin Ziele, um kurdische Autonomie und einen kurdischen Staat zu verhindern.
- Im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien stützt die Türkei den aserbaidschanischen Diktator Ilham Alijew. Diese militärische Unterstützung ist eine ernsthafte Gefahr für Armenien, zumal die armenische Schutzmacht Russland geschwächt ist.
- Die türkische Führung sieht sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine als Vermittler. Erdoğan möchte weiterhin mit Kremlchef Wladimir Putin Geschäfte machen. Der Flughafen in Istanbul galt in den ersten Jahren der russischen Vollinvasion als Umschlagplatz, um westliche Sanktionen gegen Russland zu umgehen. Die Türkei schränkte dies erst ein, als der westliche Druck größer wurde.
- Innenpolitisch beschädigt Erdoğan weiterhin die türkische Demokratie. Erst im Frühjahr verhafteten türkische Sicherheitsbehörden einen seiner größten Rivalen, den CHP-Bürgermeister von Istanbul Ekrem İmamoğlu. Doch das ist nur die Spitze des Eisberges: In der Türkei sitzen zahlreiche Oppositionelle und Erdoğan-Kritiker im Gefängnis. Das verurteilt aktuell auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Dementsprechend dürften Israel und Griechenland die deutsche Freigabe für die Eurofighter-Lieferungen als Gefahr für die eigene Sicherheit bewerten. Erdoğan hat zwar bei bilateralen Gesprächen immer wieder betont, wie wichtig ihm Waffenlieferungen seien. Trotzdem nutzte der außenpolitische Druck auf ihn nicht viel, der türkische Präsident zeigte sich keinesfalls kompromissbereit, änderte seine Politik nicht.
Welche Interessen hat Deutschland?
Die Bewertungsgrundlage hat sich für die Bundesregierung demnach kaum geändert. Im Gegenteil. Erdoğan ist innenpolitisch eigentlich noch radikaler geworden. Deshalb markieren die neuen Waffenlieferungen an die Türkei vor allem einen Kurswechsel in der deutschen Politik. Denn die schwarz-rote Koalition nimmt damit Abstand von der wertegeleiteten Außenpolitik der Ampelregierung und folgt nun mehr einem interessengeleiteten Ansatz.
Aber welche Interessen hat Deutschland, dass die Türkei modernere Kampfflugzeuge bekommt?
In erster Linie brauchen die europäischen Nato-Partner die Türkei als starken Verbündeten. Erdoğan verfügt auf dem Papier quantitativ über die zweitstärksten Streitkräfte innerhalb des Militärbündnisses. Der europäische Kontinent steuert auf eine neue Sicherheitsarchitektur zu, in der die USA sich immer weiter zurückziehen und die Europäer ihre Sicherheit selbst gewährleisten müssen. Deshalb wird auch der Türkei in Zukunft eine wichtigere Rolle zukommen.
Ein weiterer Grund für die Aufgabe der Blockade hat vornehmlich mit der deutschen Politik zu tun. Denn der Eurofighter wurde von einem Konsortium entwickelt und die Herstellerstaaten Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien müssen einem Verkauf zustimmen. Vor allem aus Frankreich und Großbritannien kam wiederholt Kritik an Bundesregierungen, dass sich mit dieser Exportpolitik gemeinsame Waffenentwicklungen nicht lohnen würden. Dementsprechend möchte die Bundesregierung möglicherweise nicht mehr als Blockierer wahrgenommen werden, indem sie es Erdoğan nach jahrelangen Debatten ermöglicht, neue Kampfflugzeuge zu bekommen.
- zeit.de: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Türkei
- spiegel.de: Erdoğan gewinnt, Europa schaut hilflos zu
- rnd.de: Erdoğan reißt die Ruinen der türkischen Demokratie weiter ein
- welt.de: Europa braucht die Türkei, deshalb stimmt Deutschland nun zu
- spiegel.de: Bundesregierung macht Weg für Eurofighter-Lieferung an Türkei frei
- Eigene Recherche