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V-Mann: Lukrative Spitzel-Honorare


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Lukrative Spitzel-Honorare: Nebenjob V-Mann

Julia Jüttner

Aktualisiert am 07.02.2013Lesedauer: 4 Min.
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Karnevalsumzug in Erfurt 2012: "Suche VM mit IM Erfahrung"Vergrößern des Bildes
Karnevalsumzug in Erfurt 2012: "Suche VM mit IM Erfahrung" (Quelle: dapd)

Über Jahre verdienten sich die V-Leute des Thüringer Verfassungsschutzes eine goldene Nase: Mehrere zehntausend Mark kassierten die Informanten aus der rechten Szene.

Kein V-Mann feiert sich seit seiner Enttarnung so sehr wie Tino Brandt, einst Kopf des Neonazi-Netzwerks "Thüringer Heimatschutz" (THS) und NPD-Funktionär. Von 1994 bis 2001 hat er für den Thüringer Verfassungsschutz in der rechtsextremen Szene spioniert. Die Behörde sagt, sie habe wertvolle Informationen von Brandt erhalten. Brandt selbst behauptet, er habe seine V-Mann-Führer ausgebootet und sein Honorar von insgesamt bis zu 200.000 D-Mark in den Aufbau der Neonaziszene investiert. Leicht verdientes Geld, wenn es so war, wie Brandt behauptet.

Erst kürzlich wurde eine Unterhaltung zwischen ihm und NPD-Vorstandsmitglied Thorsten Heise bekannt: Demnach sollen die Verfassungsschützer Brandt vor Razzien gewarnt, ihn für Hausdurchsuchungen präpariert und es ihm auch sonst leicht gemacht haben, ein doppeltes Spiel zu spielen. Ein weiterer Bonus: Da Informanten des Verfassungsschutzes anonym sind, musste Brandt keine Steuern zahlen. Seit 1999 führt das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz einen Steuersatz an den Fiskus ab - allerdings einen wesentlich geringeren als üblich.

Das ergab eine Anfrage von Katharina König, Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion in Thüringen, an die Landesregierung zur Steuerpraxis des Verfassungsschutzes. Königs Resümee: "Eine Anstellung für Neonazis als staatlich bezahlte Spitzel beim Thüringer Verfassungsschutz gehört durch die besondere steuerliche Begünstigung zu den lukrativsten Einkommensquellen."

Aus Königs Anfrage geht nun hervor, dass das Honorar-Einkommen von Informanten des Thüringer Inlandsgeheimdienstes seit über 13 Jahren lediglich mit einem pauschalen Steuersatz von zehn Prozent durch das Landesamt für Verfassungsschutz versteuert wurde - und damit deutlich niedriger als das Einkommen eines "normalen" Arbeitnehmers ist. Dies beruhe auf einer Festlegung des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Jahr 1963. Der Eingangssteuersatz eines "normalen" Bürgers in Deutschland liegt hingegen bei 14 Prozent, der Spitzensteuersatz bei 45 Prozent.

Die Landesregierung erklärte dazu: Im Jahr 1999 habe das Landesamt für Verfassungsschutz in Erfurt den Steuersatz der Bundesbehörde in Köln übernommen und die pauschale Steuer ohne Nennung der besteuerten Informanten an das Finanzamt Gotha abgeführt.

Welche Praxis war denn vor 1999 üblich in Thüringen? "Das lassen wir gerade recherchieren", so ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Das Ergebnis: Da das Bundesfinanzministerium 1995 vorgeschlagen habe, die Zehn-Prozent-Pauschale auch für die ostdeutschen Verfassungsschutzämter einzuführen, sei man für derartige Anfragen nicht zuständig.

Beim Finanzministerium fiel die Antwort ebenso knapp aus: "Aufgrund des Steuergeheimnisses können wir keine fallspezifischen Auskünfte erteilen", erklärte eine Sprecherin.

Einladung zum Sozialleistungsmissbrauch

Laut Innenministerium sind die V-Leute jedoch verpflichtet, die Honorare etwa bei der Agentur für Arbeit oder Sozialämtern anzugeben, wenn sie dort Leistungen beziehen. Ob Thüringer V-Leute Steuerhinterziehung oder Sozialleistungsmissbrauch begehen und neben ihrer Spitzeltätigkeit noch andere Gelder vom Staat erhalten, könne jedoch nicht überprüft werden, gab Staatssekretär Bernhard Rieder der Linken-Politikerin zur Antwort - und räumte ein: Leistungsbeziehende V-Leute müssten zwar ihre Nebenverdienste melden, da die Identitäten jedoch verheimlicht würden, könne eine Überprüfung durch diese Ämter nicht stattfinden. Hinzukommt: Wegen Verschwiegenheit kann auch das Amt für Verfassungsschutz die Namen nicht an die entsprechenden Ämter melden.

Wenig überraschend ist daher, dass der Landesregierung konkrete Fälle von Sozialleistungsbetrug durch V-Leute nicht bekannt sind - ein Restrisiko bestehe durchaus, so Staatssekretär Rieder.

"Da beißt sich die Katze in den Schwanz, wenn man bei spitzelnden Neonazis, welche ihre Kameraden gegen Geld verraten, an deren Ehrlichkeit appelliert, ihre geheim erhaltenen Honorare selbst den Behörden anzugeben, die möglicherweise aufgrund der mitunter hohen Nebeneinkommen Leistungen kürzen würden", sagt König.

Dem Fiskus müssen bislang ordentliche Summen entgangen sein: Allein in den neunziger Jahren sollen zwischen 35 und 45 Personen nur aus der Thüringer Neonaziszene den Nachrichtendienste von Bund und Ländern Informationen gesteckt haben. Helmut Roewer, ehemaliger Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, sagte einmal, dass zwischen 1994 und 2000 etwa 1,5 Millionen Euro in bar für "nachrichtendienstliche Zwecke" geflossen seien.

Unter den Empfängern: Thomas Dienel, der mindestens 25.000 D-Mark kassiert haben soll, Szenekenner berichten von mehr als 200.000 D-Mark - für etwa 90 Treffen mit seinem V-Mann-Führer. Auch Dienel behauptet, er habe das Geld in rechtsradikales Propagandamaterial angelegt und der Verfassungsschutz habe die entworfenen Flugblätter abgesegnet.

Für 41 Berichte 16.200 Euro

Dem ehemaligen Vorstandsmitglied der rechts-nationalen Deutschen Partei Manfred Reich zahlte der Thüringer Verfassungsschutz mehrere zehntausend Euro. Reich will von 1994 an bei den Republikanern und bei der DVU für die Behörde gespitzelt haben. Nach seiner Abschaltung beklagte er allerdings öffentlich, wie schlecht ihn die Behörde behandelt habe.

Auch auf der Gehaltsliste: der ominöse Günther, eine von Verfassungschef Roewer selbst geführte, angebliche Quelle, die bislang nicht identifiziert ist, aber Gelder in Höhe von 40.000 Euro quittiert hat. Entsprechende Unterlagen wurden in Roewers Tresor gefunden.

Kai-Uwe Trinkaus, einer der aktivsten Spitzenfunktionäre der NPD in Thüringen, war V-Mann der Erfurter Behörde, bis er 2010 abgeschaltet wurde: Für 41 Berichte soll er 16.200 Euro erhalten haben.

Auch andere Verfassungsschutzämter zahlten großzügige Honorare: Der Brandenburger Verfassungsschutz warb Carsten Szczepanski an, als der Neonazi noch wegen Mordversuchs an einem Nigerianer in Haft saß. 1000 D-Mark pro Monat erhielt der heute 40-Jährige Ende der neunziger Jahre. Thomas R., Spitzel für den Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt und später für das Bundesamt, soll mehrere zehntausend Euro verdient haben. Der bayerische Verfassungsschutz zahlte seinem V-Mann Kai D. bis 1998 800 D-Mark monatlich - plus Ausgaben rund um sein Thule-Netz. Insgesamt soll Kai D. mehr als 150.000 D-Mark kassiert haben.

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