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Jobcenter und Arbeitsamt streichen für 450-Euro-Job 565 Euro


Ämter streichen 565 Euro wegen 450-Euro-Job

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 13.02.2018Lesedauer: 3 Min.
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Panne im Jobcenter: Andrea Schulteisz sollte fürs Arbeiten Geld drauflegen.Vergrößern des Bildes
Panne im Jobcenter: Andrea Schulteisz sollte fürs Arbeiten Geld drauflegen. (Quelle: Privat, Montage t-online.de)

Eine Berlinerin sollte es mit 565 Euro bezahlen, dass sie einem 450-Euro-Job nachgeht. Ein Lehrstück über Fallstricke im System von Agentur

Bescheide von Agentur für Arbeit und Jobcenter haben die Berlinerin Andrea Schulteisz fassungslos gemacht. "Ich hatte Suizidgedanken", sagt sie t-online.de. Es sollte sie unterm Strich 115 Euro kosten, dass sie arbeiten geht. "Ich habe aber den inneren Trotz, dann 'jetzt gerade nicht!' zu sagen." Sie hat einen 450 Euro-Job, und Agentur für Arbeit und Jobcenter hatten mitgeteilt, ihr dafür zusammen 565 Euro abzuziehen. Auf eine Anfrage von t-online.de haben die Stellen umgehend reagiert.

Es hatte schlechte Nachrichten gehagelt: Kündigung vom Arbeitgeber, bei dem sie 20 Stunden pro Woche als Buchhalterin beschäftigt war, keine Zusage auf rund 30 Bewerbungen – "ich bin ja schon fast 60". Und dann kam die Post von der Agentur für Arbeit in Berlin-Mitte und vom Jobcenter Marzahn-Hellersdorf: ab April sollte sie nur 264,63 Euro Arbeitslosengeld und Hartz IV erhalten. "Ich würde keinem Menschen wünschen, in der Situation zu sein."

Zumindest Zweifel an Bescheiden kommen aber oft auf: Im vergangenen Jahr legten rund 640.000 Hartz-IV-Empfänger Widerspruch ein, mehr als jeder dritte (rund 226.000) bekam ganz oder zumindest teilweise recht.

Kontakt zunächst reibungslos

Schulteisz erkannte sofort, dass ein Fehler vorliegen muss und wo er liegen könnte. "Und ich bin Buchhalterin. Aber was macht denn jemand, der in die Behörden vertraut, die Bescheide nicht richtig lesen kann und die Beratungsstellen nicht kennt?"

Kontakte mit Jobcenter und Agentur für Arbeit waren zunächst reibungslos verlaufen, erzählt sie. Sie hatte die Unterlagen eingereicht und mitgeteilt, dass ihr Ex-Arbeitgeber sie vom 8. Januar an dann doch wieder auf 450-Euro-Basis beschäftigt. Dann kamen die Bescheide. "Ich dachte: Ich oder die Welt – einer von uns hat einen Schuss."

Doppelter Abzug durch Jobcenter und Agentur

Die auf Sozialrecht spezialisierte Berliner Anwältin Barbara Hiller hat sich die Bescheide für t-online.de angeschaut: "Eindeutig falsch. Das Arbeitsamt hat Abzüge für den 450-Euro-Job vorgenommen und das Jobcenter hat das nicht berücksichtigt." Beide Stellen rechneten bei ihren Leistungen den 450-Euro-Job an.

Das Jobcenter erklärte auf Nachfrage über die Pressestelle dagegen zunächst, die Bescheide seien richtig. Erst auf eine erneute Nachfrage stellte das Jobcenter fest, nicht alle Informationen vorliegen zu haben. Schulteisz habe nur ein missverständliches Schreiben weitergeleitet.

Zwei Schreiben am gleichen Tag

"So einen Schwachsinn lasse ich mir nicht unterstellen", konterte sie. "Ich habe gar nichts ans Jobcenter geschickt." Schließlich sei ihr in der Agentur gesagt worden, dass die Information weitergeleitet werde.

Am 15. Januar verließen tatsächlich zwei Schreiben die Agentur für Arbeit Marzahn-Hellersdorf. Beide gingen an Schulteisz, aber nur eines auch an das Jobcenter. In diesem Brief, den Schulteisz als Kopie zur Kenntnis bekommen hat, ist fett der Nebenjob aufgeführt. Das Schreiben zur Verrechnung zwischen den Behörden schlüsselt aber nicht auf, dass die Agentur den 450-Euro-Verdienst bereits berücksichtigt. Der detaillierte Bescheid dazu ging nur an die Berlinerin.

Mitwirkungspflicht: "Lieber zu viel weiterleiten"

Die Folge: 285 Euro Abzug im Bescheid zum Arbeitslosengeld – blieben 122,10 Euro. Außerdem noch einmal 280 Euro Abzug im Bescheid zum ALG II – blieben hier noch 142,53 Euro. Zusammen mit den Einkünften aus dem Bürojob hätte Schulteisz dann statt des Anspruchs von 999,63 Euro nur 714,63 Euro für Leben und Wohnen.

"Da haben alle ein bisschen was falsch gemacht", sagt im Rückblick Andreas Ebeling, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Erst durch t-online.de habe das Jobcenter von dem Bescheid der Agentur für Arbeit erfahren. Wenn dort bei der Kundin der Eindruck erweckt worden sei, alle Informationen würden an das Jobcenter weitergeleitet, sei das ein Versehen. "Der Kunde hat eine Mitwirkungspflicht, über sämtliche Veränderungen Agentur und Jobcenter zu informieren."

Inzwischen korrigierter Bescheid

Schulteisz hätte den Bescheid an das Jobcenter schicken müssen. "Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig weiterleiten." Zumindest für diese Lektion ist der Fall also gut. "Und das wäre auch in fünf Minuten in einem Gespräch mit dem Sachbearbeiter erledigt gewesen", sagt er.

Nachdem der Fehler dann gefunden war, hat das Jobcenter schnell reagiert: Andrea Schulteisz hat einen neuen Bescheid. Sie bekommt nicht mehr 565 Euro abgezogen für den Job, der ihr 450 Euro bringt.

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