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Bayern: Darum geht es beim umstrittenen Polizeigesetz


Darum ist das Polizeiaufgabengesetz so umstritten

Von dpa, pdi

Aktualisiert am 15.05.2018Lesedauer: 3 Min.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): Der Freistaat bekommt ein neues Polizeirecht.Vergrößern des BildesBayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): Der Freistaat bekommt ein neues Polizeirecht. (Quelle: Sven Hoppe/dpa-bilder)
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Das gab es seit Jahren nicht in Bayern: Zehntausende, die gegen ein geplantes Gesetz der Staatsregierung auf die Straße gehen. Doch die regierende CSU bleibt unnachgiebig, der Innenminister wirft den Kritikern "Lügenpropaganda" vor. Aber die Sache ist kompliziert.

Die bayerische Staatsregierung rückt auch nach einer Demonstration von Zehntausenden Menschen nicht von ihrem Zeitplan ab: Das geplante, äußerst umstrittene Gesetz, das die Befugnisse der Polizei massiv ausweiten wird, soll am Dienstag im Landtag verabschiedet werden – zu außergewöhnlich später Stunde übrigens. Fragen und Antworten dazu:

Weshalb ist ein neues Polizeiaufgabengesetz eigentlich notwendig?

Eine Neufassung ist nötig, weil das bestehende Gesetz an europäische Datenschutzvorgaben und an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Bundeskriminalamtsgesetz angepasst werden muss. Die Staatsregierung will die ohnehin nötige Neuregelung aber auch nutzen, um die Kompetenzen der Polizei teils deutlich zu erweitern. Ein Hauptargument: Man müsse mit Verbrechern mithalten, auch technisch.

Warum wird das Gesetz so massiv kritisiert - und was genau?

Kritiker beklagen, dass der Freistaat das schärfste Polizeirecht der deutschen Nachkriegsgeschichte bekomme. Ein zentraler Kritikpunkt ist, ganz grundsätzlich, die Absenkung der Eingriffsschwelle für die Polizei: Sehr viel mehr Befugnisse als bisher sollen die Beamten künftig nicht erst bei einer "konkreten", sondern schon bei einer "drohenden" Gefahr anwenden können. Der Begriff der lediglich "drohenden Gefahr" ist zwar nicht neu, er steht so schon seit einem Jahr im Gesetz - wobei Kritiker darauf verweisen, dass der Begriff eigentlich im Zuge der Terrorbekämpfung eingeführt worden sei. Er soll nun aber eben bei nochmals deutlich mehr Polizeibefugnissen als bisher Anwendung finden. Und: Der Begriff sei viel zu unbestimmt.

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Sogar Juristen sind sich uneins: Der Richter am Landgericht München I, Markus Löffelmann, beklagte in einer Anhörung im Landtag einen Paradigmenwechsel im bayerischen Polizeirecht: Jeder bayerische Polizist solle mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr bekommen als das Bundeskriminalamt im Kampf gegen den Terror. Dagegen argumentierte der Rechtsprofessor Markus Möstl, die Polizei müsse mit neuen Herausforderungen für die Innere Sicherheit Schritt halten.

Welche Befugnisse soll die Polizei neu bekommen - und was sagen Kritiker dazu?

Umstritten ist beispielsweise die Auswertung von DNA-Spuren schon zu Fahndungszwecken. Das Innenministerium argumentiert, mit einer DNA-Untersuchung von Geschlecht, Augen-, Haut- und Haarfarbe, Alter und Herkunft könne "der Kreis der potenziellen Gefährder eingegrenzt werden". Kritiker, darunter im Übrigen auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri, stören sich daran, dass die Polizei das genetische Programm eines Menschen auswerte, also zu Zwecken der Gefahrenabwehr in die Gene "hineinschauen" dürfe.

Umstritten ist auch die geplante Ausweitung des Einsatzes von Körperkameras ("Bodycams") durch Beamte, auch in Wohnungen und ohne dass dies anschließend durch einen Richter bestätigt werden müsste. Ebenso umstritten sind eine Vielzahl "technischer" Befugnisse, die die Polizei bekommen soll, etwa der Zugriff auf Cloud-Speicher. Petri hatte in einer Stellungnahme erklärt, die neuen zahlreichen Datenverarbeitungsbefugnisse halte er "unter Freiheitsaspekten für problematisch".

Was nicht stimmt: dass künftig jeder Streifenpolizist Handgranaten und Sprengstoff einsetzen darf, wie manche Kritiker gegen das Gesetz ins Feld geführt hatten. Das dürfen nur Spezialeinsatzkommandos.

Hat die CSU auf die Kritik der vergangenen Monate reagiert?

Ein bisschen. Einige Punkte wurden abgeschwächt oder entfallen. Beispielsweise soll auf die automatisierte Gesichtserkennung bei Videoüberwachungsmaßnahmen verzichtet werden. Diese und andere Änderungsanträge wurden zuletzt in das Gesetz eingearbeitet. Doch der zentrale Kritikpunkt, nämlich an der Ausweitung der polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten schon bei einer "drohenden Gefahr", bleibt.

Wird es nach der Großdemonstration am Donnerstag und vor der geplanten Verabschiedung des Gesetzes noch Korrekturen geben?

Unwahrscheinlich. Innenminister Joachim Herrmann hat sich noch einmal klar positioniert, hat den Kritikern nun sogar "Lügenpropaganda" vorgeworfen: Er sei überrascht, "dass die zum Teil auch Lügenpropaganda der letzten Wochen wohl auch manch unbedarfte Menschen in die Irre geführt hat". Das wiederum bringt nicht nur die Opposition zusätzlich auf die Palme. Auch der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, kontert, es gebe "sehr gute rechtliche Argumente gegen das kritisierte Gesetz". Herrmann sei deshalb aufgerufen, die Kritik "ernst zu nehmen und die Kritiker nicht pauschal als Lügner und Propagandisten zu diffamieren".

Verwendete Quellen
  • dpa
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  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt

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