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Lamya Kaddor: Der Klub der kritisierten Islamkritiker schlägt zurück


"Initiative säkularer Islam"
Der Klub der kritisierten Islamkritiker schlägt zurück

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

23.11.2018Lesedauer: 5 Min.
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Cem Özdemir: Der ehemalige Grünen-Chef ist Unterstützer der "Initiative säkularer Muslime".Vergrößern des Bildes
Cem Özdemir: Der ehemalige Grünen-Chef ist Unterstützer der "Initiative säkularer Muslime". (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Neuerdings gibt es eine "Initiative säkularer Islam". Im Prinzip eine gute Idee, verdeutlicht sie doch die Vielfalt des Islams. Leider ist das Ganze ziemlich unglaubwürdig, weil sich lediglich Personen zusammengefunden haben, die seit Jahren selbst für ihre holzschnittartigen Äußerungen zum Islam in der Kritik stehen. Nur einer darunter gibt zu denken: Grünen-Politiker Cem Özdemir.

Der Islam in Deutschland hätte um eine weitere Facette reicher werden können. Hätte. Neben den Zusammenschlüssen von Fundamentalisten bis Ex-Muslimen lässt uns "Die Zeit" wissen, dass sich eine "Initiative säkularer Islam" zusammengefunden hat. Sie druckte den Gründungstext anlässlich der nächste Woche startenden Islamkonferenz in ihrer aktuellen Ausgabe ab.

Allerdings droht die Initiative so schnell zu verpuffen, wie sie dahergekommen ist. Das liegt meines Erachtens nicht an den Inhalten. In dem veröffentlichten Manifest steht vieles, was vom Liberal-Islamischen Bund (LIB e.V.) längst vertreten wird und was ich selbst schon seit Jahren so oder ähnlich formuliere – sei es die Forderung nach der Entwicklung eines zeitgemäßen Islamverständnisses in Deutschland, nach weitgehender Trennung von Religion und Politik, nach mehr Teilhabe von Muslimen, ohne Sonderrechte zu beanspruchen etc.

Fragwürdige Zustimmung

Konterkariert wird dieser Vorstoß primär durch die zehn Erstunterzeichner. Sie wirken wie ein Klub der kritisierten Islamkritiker, die ihren ramponierten Ruf aufpolieren wollen. Die meisten von ihnen tauchen jedenfalls in wissenschaftlichen Diskursen über Rechtspopulismus oder Islamfeindlichkeit auf – wie Necla Kelek. Oder sie besetzen Randpositionen in öffentlichen Islamdebatten.

Nur ein Name unter den Unterzeichnern überrascht: der des früheren Grünen-Chefs Cem Özdemir. Seine Mitwirkung irritiert viele Beobachter. Manche fühlen sich schon an Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer oder an Sarah Wagenknecht bei den Linken erinnert. Özdemir könnte damit zur Belastung für seine Partei werden, stehen die Grünen nicht zuletzt auch deshalb in Umfragen so weit vorn, weil sie sich als Gegenentwurf zum Rechtspopulismus aufstellen.

Kürzlich erst hatte Özdemir in einer Wutrede im Bundestag die AfD geradezu zerlegt und war dafür gefeiert worden. Jetzt steht er an der Seite von Stichwortgebern für die Anti-Islam-Agenda dieser Partei und ähnlicher Bewegungen. Wie passt das zusammen? AfD-Vize Beatrix von Storch schrieb erst jüngst: "Einige der mutigsten Kämpfer gegen die Islamisierung haben selbst einen muslimischen Hintergrund", und zählte dann unter anderem Hamed Adel-Samad, Necla Kelek und Seyran Ates auf. Allesamt Mitunterzeichner.

Distanzierung seitens Özdemirs?

Für das Misstrauen gegenüber diesen Personen gibt es berechtigte Gründe: Kelek etwa gilt auch in Fachkreisen als erste deutsche Vertreterin mit muslimischem Familienhintergrund, die in den Nullerjahren die Abneigungen gegenüber der Weltreligion Islam und damit deren Anhängern maßgeblich geschürt hat. Noch 2010 stellte sie freudestrahlend Thilo Sarrazins Pamphlet "Deutschland schafft sich ab" der Presse vor. Hinter Kelek konnten sich all jene Islamhasser ohne Migrationshintergrund verstecken, die sich dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt sahen. Deren Logik besagte nämlich: Wenn schon eine "muslimische Türkin" den Islam pauschal abwertet, können unsere eigenen Äußerungen analog dazu nicht rassistisch sein. Ein Trugschluss.

Hamed Abdel-Samad schrieb Bücher mit Titeln wie "Der islamische Faschismus" und die Gründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates, kommt gerade von einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), auf der deren Chef, Heinz-Christian Strache, seelenruhig vor der Islamisierung warnte; ein zentrales Motiv antiislamischer Hetze. Das alles passt einfach nicht zusammen, wenn es in dem Manifest heißt: "Wir sind besorgt über eine zunehmende Muslimfeindlichkeit."


Möglicherweise war Özdemir die Liste der Unterzeichner nicht bewusst. Das deuten nachträgliche Tweets von ihm an, indem er dazu aufruft, weniger über Namen, mehr über Inhalte zu reden. Aber wie soll man einen Text losgelöst von seinen Urhebern rezipieren? Auch die AfD sagt mitunter Richtiges und trotzdem würde man sich damit nicht gemein machen, wenn man die Grundausrichtung der Partei ablehnt. Man würde auch nicht mit "Opus dei" über "das" Christentum sprechen, obwohl in dieser Personalprälatur der katholischen Kirche durchaus theologisches Wissen vorhanden ist.

Immer wieder die gleichen Fehler

In der Sache ist das alles ziemlich bedauernswert, denn so kann die "Initiative säkularer Islam" innerislamisch nichts bewirken. Gewiss werden sich vor allem Medien dennoch blindlings darauf stürzen. Das belegt schon die seitenfüllende Veröffentlichung der "Zeit" inklusive larmoyantem Begleitinterview mit Mitunterzeichner Ahmad Mansour, wonach Islamkritiker angeblich nicht gehört würden, dabei prägen sie seit mehr als einem Jahrzehnt die öffentlichen Islamdebatten.

Auch die üblichen Aktivisten werden sich auf das Manifest stürzen. Aber diejenigen, die es interessieren sollte, damit sich etwas bewegt, die Muslime, werden es angesichts der von ihnen als toxisch wahrgenommenen Unterzeichner gar nicht erst in Betracht ziehen, geschweige denn bedenken.

Bemerkenswert ist, dass sich die Fehler wiederholen. Die Initiative ist nicht neu. 2016 gab es eine "Gemeinsame Erklärung säkularer Muslime in Deutschland, Österreich und der Schweiz". Sie war eine Totgeburt. Von der sogenannten Freiburger Deklaration spricht niemand mehr. In beiden Fällen war Ali Ertan Toprak von der Kurdischen Gemeinde Deutschland einer der Hauptinitiatoren. Offenbar bekommen wir hier alten Wein in neuen Schläuchen vorgesetzt.

Eigentlich eine gute Sache

Dabei ist die Initiative von Säkularen im Prinzip sinnvoll. Es wäre begrüßenswert, wenn sie eine echte eigene Stimme bekämen, die deutlich macht, dass nicht alle, die aus einer muslimischen Familie stammen, automatisch gläubige Muslime sind. Alles, was dazu beiträgt, die wahre Vielfalt des Islams zu verdeutlichen und wegzukommen von der politischen Fixierung auf die konservativen Islamverbände um Ditib und Co., wäre hilfreich. Doch dazu müsste die Reihe der Erstunterzeichner breiter aufgestellt sein und wenigstens ein paar Persönlichkeiten umfassen, die für einen sachlicheren und neutraleren Umgang mit der Thematik stehen.

Zudem lässt sich ein säkulares Lager nicht glaubwürdig organisieren, indem man bloß die Ideen des liberalen Islams kopiert. Deshalb ist das Manifest auch inhaltlich nicht ganz frei von Widersprüchen. Auf Facebook stellte ein LIB-Mitglied fest: "Bisher dachte ich, wenn man säkularer Kulturmuslim ist, lässt man den Lieben Gott einen guten Mann sein und schert sich nicht weiter um Religion." Das stimmt. Warum zeigt eine säkulare Initiative so viel Enthusiasmus bei der Gestaltung des Islams? Und dann richtet sie sich noch gegen einen "politisierten Islam". Aber politisiert sie den Islam nicht selbst, wenn sie sich mit Forderungen, wie er denn sein soll, an die Deutsche Islamkonferenz wendet?

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin wie Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds (LIB e.V.). Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnisten auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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