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Hartz IV und Sanktionen: So hart treffen Kürzungen die Betroffenen


Umstrittene Hartz-IV-Strafen
So hart treffen Kürzungen die Betroffenen


Aktualisiert am 10.04.2019Lesedauer: 4 Min.
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Harte Einschnitte: Wer den Verpflichtungen als Empfänger von ALG II nicht nachkommt, muss mit empfindlichen Sanktionen rechnen.Vergrößern des Bildes
Harte Einschnitte: Wer den Verpflichtungen als Empfänger von ALG II nicht nachkommt, muss mit empfindlichen Sanktionen rechnen. (Quelle: Steinach/imago-images-bilder)

Sanktionen und andere Kürzungen bedeuten für die Empfänger von Hartz IV einen tiefen Einschnitt. Nicht selten rutschen die Betroffenen unter das Existenzminimum – wie dieser Fall zeigt.

Rund 900.000 Mal im Jahr verhängen Jobcenter Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger. Meist geht es um Meldeversäumnisse, seltener um verweigerte Job-Angebote oder Verstöße gegen die so genannte Eingliederungsvereinbarung. Einschnitte drohen Leistungsempfängern aber auch, wenn ihre Wohnung aus Sicht des Jobcenters zu groß oder zu teuer ist. Der finanzielle Einschnitt trifft die Betroffenen im einen wie im anderen Fall meist hart.

So kann etwa, wer seinen Meldepflichten nicht nachkommt, um zehn Prozent beim Regelsatz gekürzt werden. Wer eine zumutbare Arbeit ablehnt, muss mit einem Abzug von 30 Prozent rechnen. Weigert sich der Leistungsempfänger binnen eines Jahres ein zweites Mal, können 60 Prozent wegfallen. Ein nochmaliger Verstoß und der Anspruch auf ALG II entfällt vollständig – jeweils für drei Monate. Für unter 25-Jährige sind diese Regeln noch einmal verschärft. Im Schnitt werden sanktionierten Empfängern von ALG II knapp 20 Prozent vom Regelsatz abgezogen, Beziehern unter 25 Jahren sogar fast ein Drittel. Heute hat die Bundesagentur ihre neue Hartz-IV-Sanktionsstatistik vorgestellt.

So eine Kürzung ist schnell passiert: ein verpasster Termin, ein nicht zugestellter Brief, oder eine Krankschreibung, die vom Amt ignoriert wird. Und rasch können einer Sanktionierung weitere folgen. Vieles liegt dabei im Ermessensspielraum der zuständigen Sachbearbeiter. Die Gesetzeslage ist undurchsichtig und oft fehlt die Zeit für eine angemessene Betreuung.

Eine Studie untersucht derzeit die Auswirkungen von Sanktionen auf die Betroffenen. Motivieren sie den Hartz-Empfänger, wie vom Gesetzgeber gewollt, schnell eine neue Beschäftigung zu finden? Oder verstärken sie den Druck auf Menschen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, wie Kritiker meinen? Der Berliner Verein Sanktionsfrei, der hinter der Studie steht, gleicht im Rahmen der Untersuchung 250 Hartz-IV-Empfängern für drei Jahre alle Strafen vom Amt aus. Den Teilnehmern wird also für den Zeitraum quasi eine bedingungslose Grundsicherung garantiert. Wie es die Lebenslage der Betroffenen verändert, wenn sie von der Sanktionsangst befreit sind, das will die Studie herausfinden.

Einschneidend wie eine Sanktionierung

Wie hart die Auflagen für die Betroffenen im Einzelfall oft sind, zeigt die Geschichte eines ALG-II-Beziehers. In seinem Fall geht es nicht um eine Sanktionierung im eigentlichen Sinne. Die ihm auferlegte Kürzung wirkt sich aber ähnlich einschneidend aus. Der Leistungsempfänger wollte seinen Fall nur unter der Bedingung an die Öffentlichkeit tragen, dass er anonym bleibt und seinen Namen nicht nennen muss. Er lebt in einer deutschen Großstadt.

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Der Hartz-IV-Bezieher und seine Ehefrau haben sich getrennt. Das Paar teilt sich aber noch eine Wohnung. Beide beziehen nach einer gescheiterten Selbstständigkeit seit einigen Monaten Hartz IV. Sie haben Kinder aufgezogen, über Jahre gearbeitet und Steuern gezahlt.

Jüngst wurde das Paar vom Amt aufgefordert, eine kleinere Wohnung zu finden, wie der Hartz-IV-Bezieher berichtete. Nach Ansicht der Behörde war der Wohnraum unangemessen groß – wenn auch nur knapp. Dabei war die Wohnung wegen eines recht alten Mietvertrags nicht einmal sonderlich teuer. Dennoch stand der Hartz-IV-Bezieher nun vor der Aufgabe, in einer Stadt mit umkämpftem Mietmarkt eine adäquate Wohnung zu finden.

Was gilt als angemessen?

Wie viel Wohnraum für einen Hartz-IV-Empfänger angemessen ist und welche Kosten für das Amt noch tragbar sind, ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Hier berücksichtigt das zuständige Jobcenter neben der Größe der Wohnung und dem örtlichen Mietspiegel auch die individuellen Lebensverhältnisse. In der Regel gilt für eine Einzelperson eine Wohnung von 50 Quadratmetern Größe als angemessen. Für jede weitere Person im Haushalt, die keine Babys sind, kommen 15 Quadratmeter hinzu.

Bei den Kosten für die Wohnung orientiert sich das Jobcenter an der Situation auf dem örtlichen Mietmarkt. Allerdings monieren Kritiker, die Städte würden hier oft mit veralteten Mietspiegeln arbeiten. Sieht das Amt die Wohnverhältnisse als nicht angemessen an, kann sie den Leistungsempfänger zum Wechsel der Wohnung auffordern.

Unters Existenzminimum gedrückt

Auch in dem hier beschriebenen Fall wurde der Leistungsempfänger gedrängt, sich eine neue Wohnung zu suchen. Als er drei Monate nach der ersten Aufforderung noch keine neue gefunden hatte, wurde das Geld für die Miete um einen beträchtlichen Anteil gekürzt, wie er schilderte. Die Lücke hätten er und seine Partnerin durch Geld aus dem Regelbedarf stopfen müssen, wodurch beide unter das Existenzminimum rutschten.


Was die Sanktionen für die Betroffenen bedeuten, und was sich für sie verändert, wenn die Sorge davor wegfällt, untersucht seit Anfang Februar die Studie HartzPlus. Das Projekt wird durch Spenden und durch Förderer aus der Wirtschaft finanziert. Wissenschaftler des Instituts für Unternehmensforschung und Organisationspsychologie an der Uni Wuppertal führen regelmäßige Umfragen in der Untersuchungsgruppe sowie einer gleich großen Kontrollgruppe durch. t-online.de hat das Projekt im Dezember vorgestellt und begleitet es fortlaufend.

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