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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Maischberger" Trumps Kreml-Kurs: Was Klitschko nicht versteht

Sandra Maischberger spricht mit Kiews Bürgermeister über Trumps plötzliche Härte gegenüber Putin. Vitali Klitschko äußert gemischte Gefühle.
US-Präsident Donald Trump hat seinen Kurs gegenüber Moskau umgesteuert und den Druck auf Machthaber Wladimir Putin erhöht. Alle Russland-Verbündeten sollen mit massiven Zöllen überzogen werden, drohte er. Es sei denn, es gebe im Ukrainekrieg in den kommenden 50 Tagen einen "Deal".
Wie diese Nachricht in Kiew ankam, wollte Sandra Maischberger am Montagabend vom Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, Vitali Klitschko, wissen. Der bekundete gemischte Gefühle. Einerseits freue er sich über Trumps Versprechen. Dennoch verstehe er nicht, wieso er Putin 50 Tage einräume – schließlich könnten in dieser Zeit zahlreiche weitere Ukrainer dem Krieg zum Opfer fallen und es könnten noch viel mehr Gebäude beschädigt werden, sagte Klitschko: "Deswegen: Wieso solche Verzögerung?"
Die Gäste
- Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew
- Sigmar Gabriel (SPD), ehemaliger Außenminister und Parteivorsitzender
- Claus Ruhe Madsen (CDU), Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein
- Jürgen Becker, Kabarettist
- Anna Mayr, "Zeit”-Journalistin
- Michael Bröcker, "Table.Briefings"-Chefredakteur
"Was glauben Sie?", wollte Maischberger von Klitschko mit Blick auf das 50-Tage-Ultimatum wissen. "Schwierig zu sagen", erklärte der Ex-Profiboxer, der aus Kiew zugeschaltet war, und mutmaßte: Trump hoffe wohl, dass Putin den Krieg noch stoppen werde.
Er persönlich glaube nicht, dass das geschehe, so Klitschko. Putin verstehe nur Stärke, für Schwäche habe er "keine Aufmerksamkeit", erklärte er. Die Ukraine müsse deswegen stark sein. Sowohl politisch als auch an der Frontlinie, so der Bürgermeister. Letzteres gehe jedoch nur mit der Unterstützung der Partner der Ukraine.
Ob er eine Lieferung der Marschflugkörper Taurus von Deutschland erwarte, wollte Maischberger wissen. Die Ukraine brauche weitere Unterstützung, entgegnete Klitschko. Vor allem moderne Waffen spielten dabei eine wichtige Rolle. "Taurus ist eine moderne Waffe", so der Bürgermeister – wenn auch "keine Wunderwaffe". Noch vor dem Krieg habe man über 5.000 Helme diskutiert, danach über Leopard-Panzer und nun eben über Taurus, erinnerte er. Diese Verzögerung koste die Ukraine einen hohen Preis.
Klitschko bedankt sich
"Jeder in Deutschland muss auch verstehen: Wir verteidigen nicht nur unser Land, wir verteidigen jeden von euch", erklärte der Bürgermeister bei "Maischberger". Ohne moderne Waffen könne sich die Ukraine nicht verteidigen, stellte er klar. Wie viel Hoffnung ihm vor diesem Hintergrund die Trump-Zusage mache, dass die USA Patriot-Flugabwehrsysteme liefern werden, wollte Maischberger wissen. Man brauche die Patriots "sehr" und auch die Luftabwehrsysteme aus Deutschland – für die er "noch einmal 1.000-mal Danke" sagte – sind "sehr, sehr wichtig", so Klitschko. Gleichzeitig sei es aber auch notwendig, moderne Waffen an die Frontlinie zu schicken.
Was es mit Trumps Umsteuern auf sich hat, besprach Maischberger am Montagabend auch mit dem ehemaligen SPD-Außenminister Sigmar Gabriel. Der sah zwei mögliche Gründe für Trumps 50-Tage-Frist. Die "freundliche Erklärung" sei, dass Trump die Zeit brauche, um die Sanktionen gegen Russland-Unterstützer vorzubereiten. Es könne jedoch auch sein, dass er die Hoffnung hege, dass Putin an den Verhandlungstisch zurückkehre.
Ob er verstehen könne, dass Bundeskanzler Friedrich Merz zurückhaltend geworden sei, was eine Unterstützung der Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern angehe? "Ja", antwortete Gabriel. Merz wisse nun als Kanzler wahrscheinlich mehr als vorher darüber, was eine solche Lieferung mit sich bringe, mutmaßte er über die Gründe. Er halte es für gut, dass der deutsche Kanzler eine Entscheidung über die Lieferung weitreichender Waffensysteme nicht im Alleingang treffe, sondern in Abstimmung mit europäischen Partnern und den USA.
Gabriel nimmt Kanzler Merz in Schutz
Überhaupt fand der SPD-Politiker für die außenpolitischen Einsätze des CDU-Kanzlers lobende Worte. Er habe die ersten Wochen "sehr gut" hinter sich gebracht, so Gabriel. Auch sei es "absolut richtig", dass Merz sich darum bemühe, das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich und Polen wieder in Ordnung zu bringen. Merz' Versuch, mit Trump eine Gesprächsbasis zu finden, bezeichnete Gabriel als "vernünftig".
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Trotz des Lobs stellte Gabriel jedoch klar: Merz sei kein "Außenkanzler", weil er das möchte, sondern weil "die Zeiten" ihm das abverlangten. So würden wesentliche außenpolitische Entscheidungen heute bei Gipfeln getroffen, bei denen Außenminister gar nicht mehr anwesend seien, so seine Einschätzung.
In Schutz nahm Gabriel Kanzler Merz mit Blick auf die vergangene Woche geplatzte Verfassungsrichter-Wahl. Die Wahlen dreier neuer Richter für Karlsruhe waren am Freitag kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen worden, weil der Druck gegen die Richterkandidatin der SPD, Frauke Brosius-Gersdorf, in der Union zu groß geworden war. Während die Opposition von einem Desaster sprach, hatte Merz nach dem Vorfall zurückgewiesen, dass es sich um eine Krise handele.
Das Ganze sei "kein Meisterstück" gewesen, befand Gabriel bei "Maischberger". Das sei jedoch Unionsfraktionschef Jens Spahn zuzuschreiben, urteilte er. "Dass man das dem Merz jetzt anhängt, finde ich unfair!", so der Ex-SPD-Chef. Man solle sich doch viel eher fragen, ob Spahn wirklich wisse, was in seiner Fraktion "los ist".
Grund zur Beunruhigung sah der SPD-Mann jedoch nicht. "Es ist alles kein Desaster" und bedeute auch nicht das Ende der Republik oder der Koalition, erklärte er. "Es gibt für alles eine kluge Regel", erinnerte Gabriel an die Verfassung. Sollte sich der Bundestag nicht einigen können, werde über die Richter-Nachbesetzungen eben im Bundesrat entschieden.
- ARD-Sendung "Maischberger" vom 14. Juli 2025