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Coronavirus-Krise: Das abenteuerliche Ringen ums Schutzmaterial


Beschaffung läuft auf Hochtouren
Das abenteuerliche Ringen ums Schutzmaterial

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 03.04.2020Lesedauer: 4 Min.
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Atemschutzmasken für Kliniken und Praxen: Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks zwischen Kartons mit Schutzausrüstung, die unter Polizeischutz in ein Lager des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit angeliefert wurden.Vergrößern des Bildes
Atemschutzmasken für Kliniken und Praxen: Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks zwischen Kartons mit Schutzausrüstung, die unter Polizeischutz in ein Lager des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit angeliefert wurden. (Quelle: Peter Kneffel/dpa-bilder)

Das Gesundheitsministerium hat mit der Ausgabe kürzlich bestellter Schutzgüter in der Corona-Krise begonnen. Bei der Beschaffung gehen die Behörden ganz neue und teilweise abenteuerliche Wege.

In der Debatte um fehlende Schutzausrüstung für Ärzte und medizinisches Personal liefert das Bundesgesundheitsministerium jetzt erstmals in der Krise bestelltes Material. Nach Angaben einer Ministeriumssprecherin ist Ende vergangener Woche mit der Auslieferung begonnen worden.

Zunächst wurden an die Länder und die Kassenärztlichen Vereinigungen knapp 20 Millionen Schutzmasken sowie 15 Millionen Handschuhe, 130.000 Schutzanzüge, 23.000 Schutzbrillen und 91.000 Liter Desinfektionsmittel ausgeliefert. Angaben zu weiteren Auslieferungen seither gibt es nicht. Diese bis Samstag ausgelieferte Menge stellt nur einen Bruchteil des erwarteten Bedarfs in den nächsten Wochen dar.

Der Bund hatte in der zweiten Märzwoche ein Amtshilfeersuchen gestellt, damit drei Ämter eilig auf Einkaufstour gehen. Die Generalzolldirektion, das Beschaffungsamt des Innenministeriums und die Beschaffungsbehörde der Bundeswehr haben inzwischen drei Ersuchen mit Listen bekommen, was sie kaufen sollen. Drei Milliarden Euro stehen zur Verfügung.

Bisher 80 Lieferverträge abgeschlossen

Der Bund will mit seinen Einkäufen die Länder und zum Teil die Kassenärztlichen Vereinigungen versorgen können. Die Bundesländer hatten dazu ihren Bedarf für die nächsten sechs Monate ermittelt, ebenso die Kassenärztlichen Vereinigungen für Arztpraxen, wie das Sächsische Sozialministerium der "Süddeutschen Zeitung" erklärte. Verteilt wird bundesländerweise nach der jeweiligen Einwohnerzahl, in der Verantwortung dort wird dann weiterverteilt.

Bisher wurden nach Informationen von t-online.de knapp 80 Verträge abgeschlossen. Über das Volumen ist nichts bekannt. Damit konnte aber zumindest ein Medikament, das bei der Behandlung schwerer Corona-Fälle eingesetzt wird, im gewünschten Umfang besorgt werden.

"Bei allen Schutzartikeln schwierig"

Bei anderen Wünschen gibt es aber offenbar noch große Lücken zwischen dem, was sich der Bund für die Versorgung mit Schutzausrüstung wünscht und dem, was die Ämter dafür bisher vertraglich sichern konnten. Ein Sprecher der Generalzolldirektion sagte zu t-online.de: "Derzeit ist es bei allen Schutzartikeln schwierig, den Bedarf zu decken. Das liegt teils an den wenigen Angeboten etwa für Schutzanzüge, an der geringen Anzahl an Herstellern, insbesondere in Deutschland, und an der weltweiten immensen Nachfrage nach diesen Artikeln."

Am Mittwoch hat das Bundesgesundheitsministerium nach seinen Angaben ein neues Vergabeverfahren für Anbieter initiiert. Lieferanten, die bereits angeboten hatten, in Deutschland gefertigte persönliche Schutzausrüstung wie Atemmasken, OP-Masken oder Schutzkittel zu liefern, wurden um Angebote gebeten. Bis sie erste Lkw mit Waren losschicken, können noch Monate vergehen: Bis zum 15. August muss zum ersten Mal geliefert werden. Angebote müssen bis zu diesem Freitag eingegangen sein.

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Ämter und Ministerium machen auch auf Anfrage keine Angaben dazu, welche Mengen der verschiedenen Artikel beschafft werden sollen. Aus Frankreich ist bekannt, dass das Land zuletzt eine Milliarde Schutzmasken bestellte. Weitere 15 Millionen Masken sollen dort pro Woche produziert werden. Das Land hat 67 Millionen Einwohner und bisher weniger bestätigte Corona-Fälle als Deutschland. Die Zahl der Corona-Toten ist dort mit mehr als 4.000 aber deutlich höher als in Deutschland.

Etliche Bundesländer haben begonnen, angesichts bereits fehlenden Materials und ausgehender Vorräte selbst auf Einkaufstour zu gehen. So räumt die Landesregierung von Rheinland-Pfalz ein, man unternehme alles, um insbesondere Medizin- und Pflegeeinrichtungen "durch eigene Ankaufaktivitäten auf dem Weltmarkt zu unterstützen".

Mehrere Hundert Angebote

Zum Teil führt dies dazu, dass Bund und Länder miteinander konkurrieren und Preise hochgetrieben werden, wie ein Beamter t-online.de sagte, der mit dem Einkauf befasst ist. International geht es offenbar zum Teil völlig rücksichtslos zu: Der "Tagesspiegel" berichtet, dass die USA für Berlin berichtete Masken der Schutzklassen FFP2 und FFP3 abgefangen haben. Ein US-Unternehmen hatte demnach aus seiner Produktion in China an Berlin liefern wollen. Die Lieferung sei dann aber in die USA umgeleitet worden.
Nach Angaben französischer Politiker haben die USA für Frankreich bestimmte Lieferungen von Masken aufgekauft, die bereits auf dem Rollfeld für den Flug nach Frankreich bereitstanden. Renaud Muselier, Präsident der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur, sagte, es sei der dreifache Preis für die Sendung bezahlt worden, die Masken seien nun weg.Zuvor waren auch in Kenia am Flughafen sechs Millionen bestellte Atemschutzmasken auf dem Weg nach Deutschland verschwunden. Finanzieller Schaden ist nicht entstanden, aber die Masken sind für Deutschland verloren.

Beschaffungsämter bekommen Hunderte Angebote

Bei den drei Behörden auf Einkaufstour gehen nach t-online.de-Informationen täglich mehrere Hundert Angebote ein. Zum Teil kommen diese von bekannten Unternehmen oder eingeführten Händlern. Zum Teil melden sich aber auch Menschen mit zunächst abenteuerlich klingenden Vorschlägen.

Ein Insider aus einem der Ämter: "Da gibt es Leute, die uns sagen, dass die Schwester eine Bekannte hat, die in China ein Werk leitet und eine große Lieferung vermitteln kann." Auch solchen Hinweisen wird nachgegangen.

Ein Sprecher der Generalzolldirektion sagte t-online.de, etwa für Atemschutzmasken vom Typ FFP2 erhalte man viele Angebote. "Schwierig einzuschätzen ist dabei die Seriosität der jeweiligen Anbieter und die Qualität der angebotenen Produkte." Wegen der besonderen Gefahren- und Dringlichkeitslage gelten die üblichen Vergaberegeln nicht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Bundesgesundheitsministerium: Schutzausrüstung aus deutscher Herstellung
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