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Corona-Umfrage: So schnell hat Deutschland bei digitaler Bildung aufgeholt


Repräsentative Umfrage
So schnell hat Deutschland bei digitaler Bildung aufgeholt

Von Christian Füller

Aktualisiert am 08.12.2020Lesedauer: 4 Min.
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Junge hält ein Tablet in die Kamera: Deutschland scheint beim digitalen Lernen schon weiter voran gekommen zu sein, als bislang angenommen. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Junge hält ein Tablet in die Kamera: Deutschland scheint beim digitalen Lernen schon weiter voran gekommen zu sein, als bislang angenommen. (Symbolbild) (Quelle: Cavan Images/imago-images-bilder)

Der weitverbreitete Eindruck lautet: Die Schulen arbeiten auch im Corona-Herbst noch immer genauso vorsintflutlich wie im Frühjahr. Dabei hat sich in den vergangenen Monaten extrem viel getan.

Die Lage an den Schulen in Deutschland spitzt sich zu. Die Entscheidung Bayerns, die Schulen ab den achten Klassen jahrgangsweise zu schließen, könnte einen Dominoeffekt unter den Bundesländern auslösen. Damit drängt sich die Frage auf, ob die Schulen eigentlich Wechselunterricht anbieten könnten. Sind die digitalen Klassenzimmer online? Während die weit verbreitete Meinung herrscht, Deutschland sei bei digitaler Bildung unter den Schlusslichtern, scheint sich die Lage im Corona-Jahr verbessert zu haben. Und zwar auf dramatische Weise. Das zeigt zumindest eine renommierte Studie.

In Schulen wird mit Cloud gearbeitet

Die unabhängige repräsentative Befragung der beiden Landesmedienanstalten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Die deutschen Schulen sind viel weiter mit der digitalen Bildung als erwartet. In der so genannten JIM-Studie (Jugend Information Medien) berichteten im Juli 55 Prozent der befragten Schüler, "dass sie in der Schule in einer Cloud arbeiten."

Im April, als die Forscher das erste Mal gefragt hatten, waren es nur 22 Prozent gewesen. Binnen drei Monaten ist damit die Anbindung der Schulen an Clouds und Lernplattformen um 150 Prozent gestiegen. Über solche Plattformen können Lehrer mit ihren Schülern über Mail und Messenger kommunizieren und Aufgaben gemeinsam bearbeiten. Die Studie ist am Freitag veröffentlicht worden.

Zuwachs bei Schulclouds überholt Netzwerk Tiktok

Der Zuwachs bei den Schulclouds stellt die größte Steigerung bei digitalen Anwendungen überhaupt dar – selbst Freizeit-Apps kommen da nicht mehr mit. Das weltweit am schnellsten wachsende soziale Netzwerk etwa, die chinesische Kurzvideo-App Tiktok, verzeichnet bei deutschen Jugendlichen im Vergleich einen Zuwachs von 135 Prozent – und liegt damit hinter den Schulclouds.

Mit Stand Dezember dürfte die Abdeckung der Schüler mit Clouds indes weiter deutlich angestiegen sein. Einen Überblick dazu kann die Kultusministerkonferenz zwar nicht geben. Recherchen von t-online zeigen aber: zwischen 60 und 100 Prozent der Schüler können je nach Bundesland inzwischen auf eine Schulcloud oder ein Lernmanagementsystem (LMS) zugreifen.

Nur ein Drittel der Schüler hat Zugriff?

Bislang geisterten Zahlen über Lernplattformen der OECD herum, nach der nur ein Drittel der Schüler Zugriff auf eine Cloud habe. Deutschland liege damit auf Platz 65 der untersuchten Staaten. Diese Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2018 – sie sind nach dem Pandemie- und Digitalisierungssommer längst veraltet. Ein Beispiel: Mit dem Zugriff von 80 Prozent der Schüler auf eine Schulcloud läge man hinter Dänemark auf Platz 4. Einige Bundesländer schaffen das inzwischen.

Sachsen etwa verzeichnet in seiner Schulplattform Lernsax 500.000 Personen – bei 366.000 Schülern. Das Bundesland hat zusätzlich 20.000 Videolizenzen bei dem Anbieter Sofatutor erworben. Weit fortgeschritten ist auch Bremen mit itslearning und ebenfalls Sofatutor. Brandenburg hat binnen kürzester Zeit über 500 von 900 Schulen an die Schulcloud des Hasso-Plattner-Institutes angeschlossen, viele Schulen nutzen dort bereits andere Systeme.

In Berlin erreicht die Plattform Lernraum inzwischen 75 Prozent der Schulen. Bayern ist mit Mebis fast vollständig abgedeckt – und hat übergangsweise zusätzlich das Microsoft-Videotool MS Teams erlaubt. Die Anbieter von Clouds und LMS berichten ebenfalls von großen Zuwachsraten. Die Nutzerzahlen des ID-Management-Systems UCS@school von Univention, über das Lernplattformen wie itslearning oder Moodle datensicher angebunden werden können, haben sich so beispielsweise seit März verdreifacht. Cloud-Anbieter und LMS berichten ebenfalls von großen Zuwachsraten.

Kultusminister schreiben Wechselunterricht in Hygienepläne

Die Kultusminister haben den sogenannten Wechselunterricht, bei dem Schüler alternierend zuhause und in der Schule lernen, in ihre jeweiligen Hygienepläne geschrieben. Sie wenden ihn aber bisher kaum an. Das Robert-Koch-Institut will ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche das Halb-Präsenz-Halb-Digital-Lernen.

Dennoch sagt etwa die Ministerin von Baden-Württemberg für Kultur, Jugend und Sport, Susanne Eisenmann (CDU): "Für den Wechselunterricht spricht gar nichts. Es gibt keine inhaltliche Begründung, weder Zahlen noch Fakten." Die Kultusministerkonferenz hat den Grenzwert für Wechselunterricht unterdessen auf 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner hochgesetzt. Und das Land NRW hat in der jüngsten Schulmail verfügt, dass auch bei diesem Wert pauschale Schulschließungen "nicht vereinbar und auch nicht erforderlich" sind.



Schulleiter aus ganz Deutschland finden diese Haltung inzwischen riskant. "Ich trage als Schulleiterin die volle konkrete Verantwortung für die Bildung der Schüler – und für ihre Gesundheit", sagte die Schulleiterin der Waldschule Hatten (Niedersachsen), Silke Müller, die zu den führenden Rektorinnen Deutschlands zählt. Müller, die alle ihre Lehrer und Schüler mit Endgeräten ausgestattet hat und die seit langem das Lernmanagementsystem iServ betreibt, sagte t-online: "Wozu hat man eigentlich eine halbe Milliarde Euro für die Endgeräte von Schülern ausgegeben, wenn man jetzt vom Distanzlernen nichts mehr wissen will?"

Mittel in Millionenhöhe von Bund und Ländern bereitgestellt

Tatsächlich stehen bei Bund und Ländern sogar rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Allein der Bund hat sieben Milliarden Euro, teilweise für Nothilfe, abrufbereit – und davon bereits auch Hunderte Millionen ausgegeben. So sind von dem Sofortprogramm für Schülergeräte aus dem Juli inzwischen fast 90 Prozent der halben Milliarde angefordert worden. Zwei weitere Programme über eine Milliarde Euro für Lehrer und IT-Administratoren sind auf dem Weg.

Die Länder ziehen dabei mit. Das Land Baden-Württemberg etwa gab auf die 65 Millionen Euro des Bundes für Schülergeräte eigene 65 Millionen obenauf. Und Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Gebauer Yvonne Gebauer (FDP) stellte im Sommer satte 350 Millionen Euro bereit: für Dienstgeräte für Lehrer, für Schüler-Tablets und für die Lernplattform Logineo-LMS. Als die Stadt Solingen als Schulträger allerdings an ihren Schulen Wechselunterricht einführen wollte, untersagte das die Schulministerin Gebauer.

An diesem Donnerstag tagen die Kultusminister wieder. Erster Tagesordnungspunkt: Umgang mit der Corona-Pandemie. Und: Wahl der Präsidentin und des Präsidiums der Kultusministerkonferenz für das Jahr 2021. Zwei spannende Punkte, die noch einmal Bewegung in die Debatte um den Wechselunterricht bringen können.

Verwendete Quellen
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