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Corona-Regelverstöße: "Beamte werden bespuckt und als Gesundheits-Nazis beschimpft"


Einsatz gegen Regelverstöße
"Beamte werden bespuckt und als Gesundheits-Nazis beschimpft"


Aktualisiert am 19.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Kontrolle der Corona-Regeln in Köln: Polizisten kommen immer wieder in eine Gefahrensituation, etwa wenn sie Regelbrechern ohne Maske ausgeliefert sind.Vergrößern des Bildes
Kontrolle der Corona-Regeln in Köln: Polizisten kommen immer wieder in eine Gefahrensituation, etwa wenn sie Regelbrechern ohne Maske ausgeliefert sind. (Quelle: Jochen Tack/imago-images-bilder)

In der Corona-Pandemie gelten seit Monaten klare Regeln. Doch noch immer gibt es Berichte über ausufernde Feiern. Polizisten beklagen große Aggressivität, Politiker verurteilen das Verhalten.

Bundesweit haben sich am Wochenende wieder zahlreiche Menschen zusammengefunden und gefeiert, als gäbe es keine Pandemie. Im Berliner Stadtteil Wedding etwa löste die Polizei eine Hochzeitsfeier mit 56 Gästen auf. Anja Dierschke, Sprecherin der Polizei in der Hauptstadt, kennt die Einsätze genau. "Oft sind es Nachbarn oder Anwohner, die beobachten, wie sich ein Lokal langsam füllt oder laute Musik und viele Menschen Aufmerksamkeit erregen. Dann werden wir gerufen", sagte sie t-online.

Am vergangenen Wochenende seien allein in der Bundeshauptstadt mehr als 300 Beamte im Einsatz gewesen. "Manchmal kommt dann auch die Ausrede, die Feier sei ja schon vor dem Lockdown geplant gewesen.“ Dass lasse die Polizei natürlich nicht gelten. "Die Leute werden da schon sehr kreativ. In einem Lokal saßen etwa zehn Menschen bei Kerzenschein zusammen. Es hieß dann, dort werde gerade Inventur gemacht", erzählt Dierschke. "Manche sind sich der fatalen Folgen, die ihr Verhalten hat, nicht bewusst." Deshalb müssten die Strafen auch konsequent umgesetzt werden, ohne Kompromisse. Warum sich einige Menschen trotz Polizeikontrollen und Bußgeldern nicht an die Corona-Auflagen halten, sei schwer zu erklären, sagt Dierschke.

"Inzwischen herrschen Uneinsichtigkeit und Frust"

Sind die Personalien des Regelbrechers aufgenommen, folgt der Bußgeldbescheid vom zuständigen Ordnungsamt. Zu Beginn der Pandemie hätten sich die Menschen noch anders verhalten, es sei häufig bei einer Ermahnung geblieben. Inzwischen ist das aber anders. "Es gab zu Beginn der Pandemie einige, die nicht genau Bescheid wussten, was nun tatsächlich gilt. Inzwischen herrschen aber auch viel Uneinsichtigkeit und Frust", erklärt Dierschke.

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Dadurch sind auch die Polizisten immer wieder prekären Situationen ausgesetzt. "Die Beamten werden bespuckt und als Gesundheits-Nazis beschimpft", sagt Jörg Radek, Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei. Er plädiert dafür, dass Bund und Länder über eine Bevorzugung von Polizisten bei den Impfungen nachdenken. "Es besteht ganz klar ein erhöhtes Infektionsrisiko", sagt er. Viele Stellen hätten deshalb auch schon ihre Schichtpläne umgestellt und etwa 12-Stunden-Schichten eingeführt, damit das Risiko an dieser Stelle zumindest ein wenig durch geringere Kontakte zu Kollegen gemindert werden kann. Erst einmal werde es zu vorzeitigen Impfungen von Beamten aber wohl nicht kommen. "Da sind erstmal andere dran."

Inzwischen bereite den Polizisten aber nicht nur die Uneinsichtigkeit bei der Durchsetzung der Verfahren gegen die Regelverstöße Sorge, sondern "vielmehr der Vorsatz", sagt Radek. Eine Hochzeitsfeier mit so vielen Gästen zu planen, sei ganz klar ein vorsätzliches Verhalten. Das Ordnungsamt bewerte in diesem Fall die Lage auch genauer. "Es ist nicht die Zeit, mit der Polizei Fang-mich zu spielen. Wer sich so verhält hat einfach nicht begriffen, warum wir diese Auflagen haben", so der Vize-Chef der Polizeigewerkschaft.

Teilnehmer gefährden auch Dritte

Genau so schätzt auch der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz die Situation ein. "Das Verhalten der Veranstaltungsteilnehmenden ist hochgradig unverantwortlich und in Pandemiezeiten im wahrsten Sinne gemeingefährlich", sagt der Grünen-Politiker t-online. Denn die Teilnehmenden würden nicht nur sich gefährden, sondern setzten auch Dritte einem erhöhten Ansteckungsrisiko aus. Von Notz ist dafür, Verordnungen und Maßnahmen gegebenenfalls auch mal anzupassen, dennoch meint er: "Das entscheidende Mittel zur Durchsetzung der Maßnahmen gegen die Pandemie ist aber das Überzeugen mit Argumenten und Fakten, nicht das Drohen mit und Verhängen von Sanktionen."

Genau das sehe er derzeit auch als Problem vor dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern. "Die Bundesregierung muss schnellstmöglich ihre anhaltende Kommunikationskrise überwinden. Sie muss den Menschen Orientierung und Klarheit bezüglich ihrer Strategie, der zu greifenden Maßnahmen und ihrer Sinnhaftigkeit bieten", appelliert Konstantin von Notz.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat vor dem bevorstehenden Corona-Gipfel von Bund und Ländern die konsequente Durchsetzung der bestehenden Maßnahmen gefordert. "Das Wichtigste wäre zunächst einmal morgen, dass alle endlich das beschließen und umsetzen, was wir schon einmal gemeinsam auf den Weg gebracht haben", sagte Söder am Montag dem Radiosender Bayern 2.

Schärferes Vorgehen gegen Quarantäne-Verweigerer

Mehrere Bundesländer wollen zudem laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" schärfer gegen hartnäckige Quarantäneverweigerer vorgehen. Neben hohen Bußgeldern droht bei Missachtung der geltenden Bestimmungen künftig im Extremfall die Zwangseinweisung in zentrale Sammelstellen, Kliniken oder Jugendarrestanstalten. Bereits jetzt werde dies auf Grundlage richterlicher Anweisungen in Einzelfällen praktiziert.

Auf die Frage, ob ein Quarantäneverweigerer überhaupt isoliert werden darf, hat Experte Christoph Degenhart in dem Bericht eine konkrete Antwort: "Grundsätzlich ist es möglich, dass Kranke oder Krankheitsverdächtige abgesondert werden können." Das Infektionsschutzgesetz sehe in Paragraf 30 diese Möglichkeit vor. Dabei handele es sich um einen Freiheitsentziehung nach Artikel 2, Absatz 2, und Artikel 104 Grundgesetz. Über einen solchen Freiheitsentzug könne jedoch nur ein Richter entscheiden, betonte Degenhart.

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist ungeachtet des zu Jahresbeginn verschärften Lockdowns weiter hoch. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner über eine Woche hinweg, sank zuletzt zwar auf 136. Sie ist damit aber immer noch weit von dem Zielwert von 50 entfernt, den Bund und Länder ausgegeben haben, um das Virus unter Kontrolle zu bringen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Am Dienstag will sich Kanzlerin Merkel über weitere Verschärfungen mit den Ministerpräsidenten austauschen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Anja Dierschke, Sprecherin Polizei Berlin
  • Gespräch mit Jörg Radek, Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei
  • Gespräch mit Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter und Fraktions-Vize der Grünen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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