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Zum journalistischen Leitbild von t-online.23 Stellen beanstandet Das sind die Anschuldigungen gegen Frauke Brosius-Gersdorf

Frauke Brosius-Gersdorf sieht sich Plagiatsvorwürfen gegenüber. Ein umstrittener Plagiatsjäger erhebt schwere Anschuldigungen.
Der "Plagiatsjäger" Stefan Weber erhebt Vorwürfe gegen die von der SPD als Verfassungsrichterin vorgeschlagene Jura-Professorin Frauke Brosius-Gersdorf. In einem Eintrag seines "Blog für wissenschaftliche Redlichkeit" will der Kommunikationswissenschaftler Parallelen zwischen der Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf und der Habilitationsschrift ihres Ehemannes Hubertus Gersdorf gefunden haben.
Die Arbeit von Brosius-Gersdorf, die 1997 veröffentlicht wurde, ist 454 Seiten lang, die ein Jahr später fertiggestellte und 2000 veröffentlichte Arbeit ihres Mannes umfasst 557 Seiten. In seinem Blog gibt Weber an, 23 Passagen gefunden zu haben, die seiner Meinung nach verdächtige Ähnlichkeiten aufweisen. Die Union hatte dies zum Anlass genommen, ihren Koalitionspartner aufzurufen, die Nominierung von Brosius-Gersdorf wegen "Plagiatsverdachts" zurückzuziehen.
Weber selbst spricht nicht von Plagiatsvorwürfen
Im Kurznachrichtendienst X erklärte Weber in einem Beitrag: "Die Sichtweise der #CDU, dass Plagiatsvorwürfe gegen Frau #FraukeGersdorf erhoben wurden, ist falsch." Bemerkenswerterweise erneuert Weber aber im selben Post Vorwürfe unsauberer wissenschaftlicher Arbeit, die Plagiatsvorwürfen zumindest ähnlich erscheinen.
Denn es gäbe für die Ähnlichkeiten seiner Meinung nach nur drei Möglichkeiten. Entweder habe ihr Mann bei ihr abgeschrieben, sie bei ihm oder beide hätten zusammengearbeitet, ohne dies kenntlich zu machen. In der Wissenschaft spricht man in einem solchen Fall von Kollusion. Alle drei beschriebenen Szenarien sind jedoch Formen von Plagiat.
Um seine These zu untermauern, verweist Weber auf die zeitliche Nähe der Fertigstellung beider Arbeiten und dass beide Arbeiten laut einem Plagiatsprogramm einen Übereinstimmungsgrad von 17 Prozent hätten.
Weiterhin wirft er beiden vor, teilweise nicht korrekt zitiert zu haben und an manchen Stellen sogar dieselben Zitierfehler gemacht zu haben. Er fügt aber hinzu, dass diese Form des Zitierfehlers in der Rechtswissenschaft häufiger vorkommen würde und eine entsprechende Regel erst 2012 entsprechend verschärft worden sei.
Frage nach Auftraggeber
Im Internet werden die Vorwürfe von Weber kontrovers diskutiert. Viele Nutzer verstehen nicht, wie sich Brosius-Gersdorf falsch verhalten haben soll, wenn ihre Arbeit ein Jahr früher veröffentlicht wurde. Auch in den Kommentaren auf seinem eigenen Blog werden Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Vorwurfs laut. So schreibt ein Nutzer: "Aber die Schrift von Prof. Brosius-Gersdorf ist doch älter als die ihres Ehemannes? Inwiefern kann ihr da ein Plagiatsvorwurf gemacht werden (...)?" Andere Nutzer bezeichnen die Vorwürfe sogar als "Hexenjagd", die einer "politischen Agenda" folge.
Auch der Ressortleiter Politik und Gesellschaft in der Zentralredaktion der RTL-Gruppe, Nikolaus Blome, stellt auf X die Frage: "Jetzt wüsste man gern, ob (und wenn ja, von wem) der österreichische "Plagiats-Jäger" beauftragt wurde, dessen Verdacht der CDU/CSU gerade so dienlich ist. #Brosius_Gersdorf". Weber erklärt auf X, er habe aus reiner Neugier gehandelt.
Anschuldigungen gegen Habeck und Baerbock
Andere Nutzer stellen sich hinter Weber und seine Arbeit, sie sehen die Schuld von Brosius-Gersdorf als bewiesen an. Dabei verweisen sie auf die Tatsache, dass eine Habilitationsschrift deutlich aufwendiger ist als eine Doktorarbeit und daher das spätere Erscheinungsdatum der Arbeit ihres Mannes nichts darüber aussagt, wann die Arbeit angefertigt wurde.
Es ist nicht das erste Mal, dass Weber mit Anschuldigungen wegen angeblichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens für Aufsehen sorgt. In der Vergangenheit ist der selbst ernannte "Plagiatsjäger" wiederholt medienwirksam gegen Politiker vorgegangen. In Deutschland wurde er besonders durch seine Plagiatsvorwürfe gegen die Grünen-Spitzenkandidaten Robert Habeck und Annalena Baerbock einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Weber wurde wegen übler Nachrede verurteilt
Beide Male erhob er die Vorwürfe kurz vor den Wahlen: bei Baerbock im September 2021 und gegen Habeck zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2025. Andere Experten kamen bei Baerbock zu dem Schluss, dass tatsächlich einige der von Weber monierten Textstellen im "Graubereich" seien. Daraufhin zog sie ihr Buch aus dem Verkauf zurück. Bei Habeck kam die Uni Hamburg jedoch zu dem Schluss, dass er in seiner Doktorarbeit keine nennenswerten wissenschaftlichen Fehler gemacht habe.
Im Februar 2025 wurde Weber in zweiter Instanz wegen übler Nachrede verurteilt. Er hatte dem Rektor der Universität Klagenfurt unterstellt, er habe zwei Professoren als "Machtdemonstration" und aus niedrigen Beweggründen entlassen.
- plagiatsgutachten.com: "Textparallelen zwischen der Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf und der Habilitationsschrift von Hubertus Gersdorf"
- kaernten.orf.at: "Üble Nachrede: "Plagiatsjäger" verurteilt"
- duncker-humblot.de: "Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip"
- duncker-humblot.de: "Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip"
- plagstop.dh.nrw: "Plagiatsformen – Übersicht und Beispiele"
- x.com: Beitrag von @SprachPhilo
- x.com: Beitrag von @NikolausBlome