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Corona-Gipfel: Markus Söder gegen Olaf Scholz – Zoff in Schlumpfhausen


Söder gegen Scholz
Zoff in Schlumpfhausen


Aktualisiert am 04.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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Markus Söder und Olaf Scholz: Zwei Alphatiere geraten aneinander.Vergrößern des Bildes
Markus Söder und Olaf Scholz: Zwei Alphatiere geraten aneinander. (Quelle: Sven Simon/IPON/imago-images-bilder)

Auf einmal kracht es: Markus Söder und Olaf Scholz kriegen sich in der Corona-Schalte in die Haare. Für den Streit gibt es mehrere Erklärungen. Der Wahlkampf ist nur eine davon.

Es ist mal wieder das liebe Geld, an dem sich am späten Mittwochabend ein großer Streit entfacht. Die Bund-Länder-Runde berät schon weit mehr als acht Stunden über die nächsten Schritte in der Corona-Krise, da platzt Markus Söder der Kragen.

"Ich weiß nicht, was Sie getrunken haben", beschimpft er Olaf Scholz. "Sie sind hier nicht der Kanzler." Er steigert sich in eine kleine Tirade hinein, so berichten es Teilnehmer. "Sie sind nicht der König von Deutschland oder Weltenherrscher", wütet Söder. "Da brauchen Sie gar nicht so schlumpfig herumgrinsen."

Es ist der Tagesordnungspunkt 16, an dem es um den sogenannten Härtefallfonds geht, der den bayerischen Ministerpräsidenten in Rage bringt. Oder besser gesagt: Die Ausführungen des Vizekanzlers dazu. Unternehmen, die bisher durchs Raster der Finanzhilfen fallen, soll der Fonds künftig unterstützen. Das Geld dafür kommt nach Vorstellungen der Bundesregierung zur Hälfte vom Bund und zur anderen von den Ländern.

Scholz, nicht nur Vizekanzler, sondern als Bundesfinanzminister für das Geld zuständig, macht das laut Teilnehmern mit deutlichen Worten klar: "Es braucht keiner zu träumen, dass der Bund ein Konto einrichtet, von dem alles bezahlt wird", sagt er demnach. Es werde keinen anderen Konsens geben als die anteilige Finanzierung von Bund und Ländern.

Der Gedanke von Scholz, den Angela Merkel teilt, ist plausibel: Wenn der Bund allein zahlt, haben die Länder keinen Anreiz, aufs Geld zu achten. Deshalb die anteilige Finanzierung.

Die ökonomischen Anreizmechanismen dürften auch dem bayerischen Ministerpräsidenten bekannt sein. Trotzdem folgt: Wutauftritt Söder.

Ein bisschen von allem

Es gibt mehrere mögliche Erklärungen dafür, warum der Streit gerade an dieser Frage und gerade zwischen diesen beiden ausgebrochen ist. Da wären durchaus sachliche Gründe, aber auch charakterliche und strategische. Wer sich im Umfeld von Scholz und Söder umhört, kommt zu dem Schluss: Es war wohl ein bisschen von allem.

Auf der Sachebene ist der Druck bei den Hilfen für die Wirtschaft riesig. Die Unternehmen zürnen, dass alles viel zu lange dauere. Dass Novemberhilfen teils erst im März kommen etwa. Einen Großteil der Corona-Hilfen zahlt dabei bisher der Bund.

Der zusätzliche Härtefallfonds, so ist in Berlin zu hören, war nun vor allem ein Wunschprojekt der Länder. Die Länder sind es auch, die darüber entscheiden sollen, welche Unternehmen Geld aus diesem Fonds bekommen. Deshalb aus Sicht des Bundes die Mitverantwortung. Siehe oben.

In der Bund-Länder-Runde gegen 23 Uhr ist es jedoch nicht nur Söder, der Bedenken anmeldet. Mehrere Länderchefs fragen, ob man über so viel Geld denn unbedingt heute noch entscheiden müsse. Scholz habe mit sehr deutlichen Worten klargemacht, dass das ohnehin nicht verhandelbar sei. Zumal, so ist aus der SPD zu hören, die Wirtschaftsminister der Länder sich schon weitgehend auf das Prinzip Hälfte-Hälfte geeinigt hätten. Und der Bund ja auch den Ländern noch ihren Anteil am sogenannten Kinderbonus erstatte.

Söder habe dann gefragt, warum Scholz denn so aufgebracht sei, es sei doch nicht sein Geld. Scholz ließ ihn betont kühl abtropfen: "Nein, es ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler." Vor allem dieses betont kühle Abtropfen, so vermutet man in der SPD, habe Söder dann in Rage gebracht. "Söder ist in Bayern wenig Widerspruch gewohnt, und von einem Sozialdemokraten kann er ihn wahrscheinlich noch weniger leiden", sagt einer aus der SPD.

Doch der Konflikt reicht durchaus tiefer. Der Bund trägt derzeit nicht nur einen Großteil der Kosten, sondern bekommt zugleich auch einen Großteil der Wut auf die Corona-Politik ab. Selbst bei Problemen, für die allein die Länder verantwortlich sind, wie der Organisation des Impfens.

Wohl auch deshalb hatten sich Merkel und Scholz auf eine gemeinsame Position geeinigt. Ihr gemeinsames Signal während der Schalte: Es ist die Position der Bundesregierung, nicht nur die des Finanzministers. Und genauso landet es dann letztlich auch im Beschlusspapier: Bund und Länder tragen jeweils die Hälfte des Fonds.

Zwei Alphatiere

Die zweite Erklärung für den Streit findet sich in den Charakteren, die da aufeinandergetroffen sind. Scholz ist ein kluger Politiker, durchaus klüger als manch anderer. Er weiß das, und er strengt sich manchmal nicht allzu sehr an, es zu verbergen.

"Es ist schon unglaublich, wie er mit wenigen Worten seinem Gegenüber zu verstehen gibt: Du kannst mir nicht das Wasser reichen", sagt jemand aus der CDU-Parteispitze, der schon mit ihm verhandelt hat. Und manchmal reicht eben nur ein Blick aus – oder ein "schlumpfiges" Lächeln.

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Söder wiederum nervt nicht nur in der SPD, sondern auch in der Union viele mit seiner Politik der übergroßen Gesten. "Seine Inszenierung wäre ja halb so schlimm, wenn er inhaltlich auch tatsächlich liefern würde. Aber so richtig toll ist die Corona-Bilanz in Bayern ja auch nicht", sagt ein Beteiligter.

In der SPD wird hinter vorgehaltener Hand schon länger eher belustigt festgestellt, dass sich Söder in Spitzenverhandlungen auf Bundesebene oft nur ein Thema rauspicke, mit dem er anschließend in die Nachrichten kommen wolle – und an anderen Details kaum Interesse zeige. Nach dem Motto: Hauptsache, die Schlagzeile stimmt. Und es steht Söder drin.

Auch Olaf Scholz sei in letzter Zeit intern zunehmend und "hochgradig verärgert" gewesen über das Corona-Management einiger Unionskollegen, heißt es aus seinem Umfeld. Schon am Politischen Aschermittwoch hatte Scholz mit Politikern abgerechnet, die mehr Wert auf schöne Posen legten als auf die Realität, in der man dann auch anpacken müsse. Er nannte keine Namen, das ist nicht sein Stil, aber es braucht wenig Fantasie, um dabei auch an Markus Söder zu denken.

Ein bisschen Reibung hilft allen

Und dann wäre da noch der beginnende Wahlkampf, die dritte Erklärung für den Streit. Die Unruhe in der Bundesregierung steigt, die Nickeligkeiten nehmen zu. "Die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern ist generell gereizt", heißt es aus der Unionsspitze. Gerade die SPD versucht, sich zu profilieren und die Unterschiede zur Union klarzumachen, um trotz allseits anerkannter guter Regierungsarbeit bei der nächsten Wahl nicht wieder Schiffbruch zu erleiden.

Scholz, so heißt es aus der SPD, sei klar gewesen, dass der Streit den Weg in die Öffentlichkeit finde. Auch wenn die SPD die Zitate nicht selbst durchgestochen haben will. Scholz habe durchaus eine gewisse Freude daran gehabt, Söder aus der Reserve zu locken. Und der ließ sich eben locken. Und nannte dann im Zusammenhang mit Scholz auch noch das Wort "Kanzler". Das dürfte dem Finanzminister gefallen haben.

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Ein bisschen Reibung, so kann man das interpretieren, nützt der SPD gerade eher, als dass sie schadet. Und ein bisschen Alphamännchen spielen eben auch. Das wird Inszenierungskünstler Söder ganz genauso sehen.

Am Freitag treffen sie sich wieder

Auf der Pressekonferenz nach der Bund-Länder-Runde, es ist längst nachts, macht Söder dann schon wieder gute Miene: Man solle nicht jedes überlieferte Wort auf die "Goldwaage" legen, er schätze Scholz "grundsätzlich", sagt der CSU-Chef. Auch aus dem Scholz-Lager wird nachher der grundsätzliche Respekt füreinander betont.

Gleichwohl, sagt Söder am Abend, gebe es bisweilen unterschiedliche Standpunkte. Scholz habe "eine sehr pointierte Art". Eine bemerkenswerte Umschreibung. "Ich will nicht sagen, wir sind ein Herz und eine Seele, aber jetzt ist alles wieder gut."

Wie gut es dann tatsächlich wieder ist, wird vielleicht schon am Freitag zu erahnen sein, beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg. Es ist einer der Fixpunkte im bayerischen politischen Jahr. Die Politprominenz kriegt dabei kabarettistisch ihr Fett weg. Derblecken heißt das. Eigentlich würden Söder und Scholz das nebeneinander auf einer Bierbank über sich ergehen lassen. Diesmal sind sie wegen Corona nur virtuell zugeschaltet.

Vielleicht besser so. Der Schlumpfmoment vom späten Mittwochabend, er dürfte nachwirken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräch
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