t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschland

Karl Lauterbach kritisiert bei "Markus Lanz" System der Testzentren


"Einladung zum Betrug"
Lauterbach kritisiert bei "Markus Lanz" System der Testzentren

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 02.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Karl Lauterbach (Archivbild): Der SPD-Gesundheitsexperte äußerte Kritik zum deutschen System der Testzentren.Vergrößern des Bildes
Karl Lauterbach (Archivbild): Der SPD-Gesundheitsexperte äußerte Kritik zum deutschen System der Testzentren. (Quelle: imago images)

Der SPD-Gesundheitsexperte kritisiert Jens Spahn bei Lanz für das System der Testzentren. 70 Millionen Euro Schaden könnten entstanden sein. Lauterbach ist dafür, Kinder zu impfen – aber nur, wenn das Kind es will.

Die Gäste

  • Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte
  • Anke Richter-Scheer, Leiterin des Impfzentrums für den Kreis Minden-Lübbecke
  • Matthias Sander, Taiwan-Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung"
  • Christina Schmidt, "Zeit"-Redakteurin

Wo viel Geld ohne jede Kontrolle zu holen ist, lässt kriminelle Energie nicht lange auf sich warten – auch oder gerade während einer Pandemie. "Tatsächlich war das eine Einladung zum Betrug", lautete am Dienstag bei "Markus Lanz" das vernichtende Urteil des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach zum System der Corona-Testzentren. Für ihn hat der Abrechnungsbetrug gravierende Ausmaße. Sollte bei zehn Prozent der abgerechneten Tests manipuliert worden sein, entspreche das einer Größenordnung von 70 Millionen Euro. "Das könnte auch mehr sein. Man kann einfach nur schätzen, man weiß es nicht ganz genau", sagte Lauterbach. In einem war er sich aber sicher: "Da konnte man richtig Geld machen."

Für den Mediziner liegt der Fehler im System: "Hier war auf Tempo gearbeitet worden." Am Ende seien fünf oder sechs Stellen für die Testzentren zuständig gewesen, von der Kassenärztlichen Vereinigung bis zum lokalen Gesundheitsamt. Eigentlich hätten laut Rechtsverordnung Qualität und Korrektheit der Tests überprüft werden müssen. "Aber es stand nicht drin, wer von den fünf oder sechs Beteiligten diese unangenehme Aufgabe hat. Von daher hat es keiner gemacht. Das hat sich natürlich sehr schnell rumgesprochen, deshalb war es so, dass Testzentren wie Pilze aus dem Boden schossen", kritisierte Lauterbach. "Es war Goldgräberstimmung."

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Lauterbach kritisiert Spahn

Er rechnete vor: Wenn ein Testzentrum dank des schnellen Rhythmus realistischerweise 1.000 Tests pro Tag abrechnen kann, aber jeder Zehnte in Wahrheit nicht durchgeführt wird, seien das mal eben knapp 2.000 Euro "Zugewinn" pro Tag. Wer war dafür verantwortlich, dass niemand klar für die Kontrolle der Einrichtungen benannt wurde?, wollte Lanz wissen. "Das war ein Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums", erwiderte Lauterbach. Betrug wäre bei der entsprechenden kriminellen Energie auch leicht in den Arztpraxen möglich, meinte Hausärztin Anke Richter-Scheer: "Keiner überprüft, ob ich den Patienten wirklich getestet habe."

Lauterbach betonte jedoch, dass die überwiegende Mehrheit der Testzentren korrekt arbeiten und entscheidend mit für die aktuell gute Lage verantwortlich sind. "Das ist ein massiv unterschätzter Grund dafür, dass die Fälle so zurückgehen", sagte der SPD-Politiker zur Teststrategie. "Was exponentiell wächst, sinkt auch exponentiell wieder ab", erklärte er die plötzlich so entspannt scheinende Lage. "Das wird auch so weitergehen", zeigte er sich angesichts des guten Wetters und der Impfungen zuversichtlich.

Trotzdem schauen Experten bereits mit Sorge auf den Herbst. Wenn noch nicht geimpfte Menschen sich dann wieder mehr in geschlossenen Räumen aufhalten und sich mit einer der neuen Mutanten infizieren, droht eine erneute schwere Corona-Welle. Besonders Kinder sind hier nach Ansicht Lauterbachs gefährdet. "Dann werden wir riesige Ausbrüche in den Schulen sehen", warnte er. Auch, um Kindern dann erneute Schulschließungen zu ersparen, plädierte er dafür, Kontingente des für Erwachsene ohne Priorisierungsstufe vorgesehenen Impfstoffs für Kinder zu reservieren. "Es gibt nichts zusätzlich", wies Lauterbach eine entsprechende Formulierung aus Berlin zurück. Deshalb müsse man klar sagen: "Ich nehme das jemandem weg." Letztlich würde sich die erste Impfung für Erwachsene ohne Priorisierungsstufe dadurch aber nur um zwei Wochen verschieben.

Lauterbach: Kinder nur mit Zustimmung impfen

Die beiden Mediziner der Runde pochten jedoch auf das Selbstbestimmungsrecht auch der kleinen Patienten. Würden Sie Kinder gegen Corona impfen?, wollte Lanz von Richter-Scheer wissen. "Wenn die Kinder es wollen und wenn die Eltern es wollen", antwortete die Leiterin eines Impfzentrums. Sie sprach sich dafür aus, Kinder sorgfältig über Risiken und Vorteile einer Immunisierung aufzuklären, am besten vom Hausarzt. Für Lauterbachs 14-jährige Tochter ist die Entscheidung bereits gefallen. "Sie kennt sich großartig aus und sie will geimpft werden. Wir ziehen da am selben Strang. Aber ich sehe es genauso wie Sie", sagte der Mediziner an Richter-Scheer gewandt. "Ich impfe kein Kind, das nicht geimpft werden will."

Beide Experten warnten jedoch davor, nun ausgerechnet bei den Jüngsten plötzlich vor schweren späten Nebenwirkungen einer Covid-19-Impfung zu warnen. Dann hätte man auch keine 18-Jährigen immunisieren dürfen, waren sie sich einig. "Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Impfung bei Kindern langfristig Schäden hinterlassen wird", sagte Lauterbach. Im Gegenzug gebe es jedoch Hinweise auf bleibende Schäden einer Infektion.

Gefährlich fand er auch Vorschläge, die zweite Dosis Astrazeneca früher als die empfohlenen zwölf Wochen nach der ersten Spritze zu verabreichen. Spahn hatte sich Anfang Mai für "deutlich mehr Flexibilität" ausgesprochen. Eine Verkürzung auf sogar vier Wochen sei "sehr problematisch, weil ich damit den Wert der Impfung um die Hälfte senke", sagte Lauterbach. Ist das Wahlkampf?, fragte Lanz. "Vorwahlkampf", urteilte der Sozialdemokrat.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Textes hatte sich ein Fehler eingeschlichen. Laut Karl Lauterbach könnte der Schaden durch Betrügereien bei Corona-Tests bis zu 70 Millionen Euro betragen, nicht 70 Milliarden.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 1. Juni 2021
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website