Stiftungsaffäre in Schwerin Ermittler prüfen neun Strafanzeigen rund um Klimastiftung
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schweriner Staatsanwälte sind mit den Vorgängen rund um Nord Stream 2 und die Klimastiftung befasst: Die Vorwürfe reichen von Steuerhinterziehung bis Betrug.
Bei der Staatsanwaltschaft Schwerin sind mittlerweile neun Strafanzeigen rund um Nord Stream 2 und die sogenannte Klimastiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingegangen. In der Mehrzahl gingen die Strafanzeigen demnach auf Bürger zurück und beziehen sich fast ausschließlich auf die Presseberichterstattung. "Gegenwärtig wird unter Einbeziehung öffentlich zugänglicher Quellen geprüft, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen", sagte Oberstaatsanwältin Claudia Lange t-online. Zuvor hatte der "Nordkurier" berichtet.
Zur Prüfung von erstatteten Strafanzeigen ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet. Erst wenn sie einen Anfangsverdacht bejahen sollte, werden Ermittlungen aufgenommen und damit ein Strafverfahren eingeleitet. Auch dann gilt weiter die Unschuldsvermutung.
Staatsanwaltschaft listet Anzeigen auf
Bei einigen der Anzeigen wirkt die Aussicht auf Ermittlungen bislang abwegig. So ergeben sich aus der bisherigen Presseberichterstattung keinerlei Hinweise auf beispielsweise Landesverrat, Korruption oder Bestechlichkeit. Erstmals liegt nun aber durch die Staatsanwaltschaft Schwerin auf Anfrage von t-online eine Auflistung der Strafanzeigen und der darin vorgeworfenen Straftatbestände vor.
Drei Strafanzeigen zielen auf eine möglicherweise nicht oder nicht fristgerecht bezahlte Schenkungssteuer für 20 Millionen Euro, die die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV von Nord Stream 2 erhielt. Das Magazin "Cicero" hatte über den Verdacht berichtet. Die Stiftung hingegen geht davon aus, keine Steuer zahlen zu müssen. "Alle Spekulationen, der Vorstand habe sich der Steuerhinterziehung strafbar gemacht, beruhen auf einem falschen Verständnis der für diesen Steuerfall heranzuziehenden Vorschriften", teilte der Vorstand dazu mit. Stiftungsexperten widersprechen, die Opposition im Landtag ist alarmiert. Noch steht eine Entscheidung des zuständigen Finanzamts aus. Dort sollen "Cicero" zufolge Unterlagen verschwunden sein.
Zwei Strafanzeigen eines Anzeigenstellers gegen unbekannt haben die Errichtung der Stiftung selbst zum Gegenstand. Sie sei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen errichtet worden. Als angeblich möglicher Straftatbestand wird unter anderem Betrug genannt. Grundlage für diese Annahme ist offenbar, dass die Stiftung den Klimaschutz als Hauptzweck in der Satzung führte, während Nord Stream 2 nur als Nebenzweck genannt wird. Landesregierung und Stiftung bleiben bis heute bei dieser Darstellung.
Auch wahrscheinlich haltlose Vorwürfe
Alle weiteren Anzeigen sind eher vage und mutmaßlich wenig fundiert, sollten sie sich allein auf die Presseberichterstattung beziehen. Eine Strafanzeige vermutet angebliche Geldwäsche. Ein solcher Tatbestand würde allerdings voraussetzen, dass Geld aus Straftaten stammte. Darauf gibt es bislang keine Hinweise.
Zwei Strafanzeigen vermuten eine Vielzahl angeblicher Verfehlungen in Zusammenhang mit Nord Stream 2: unter anderem "Korruption, illegale Lobbyarbeit und Machtmissbrauch" sowie die Veruntreuung von Steuergeldern und Bestechlichkeit. Es ist völlig unklar, worauf sich diese Vorwürfe beziehen, da solche Straftatbestände zum Teil nicht existieren.
Eine Anzeige wirft politischen Entscheidungsträgern auch Landesverrat vor – ihr Handeln habe den Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Ukraine ermöglicht durch Unterstützung der Nord Stream 2 AG. Das fußt offenbar auf einem falschen Rechtsverständnis: "Landesverrat" (§ 94 StGB) stellt die Weitergabe von Staatsgeheimnissen unter Strafe. Auch darauf gibt es bislang keinerlei Hinweise. Das Gleiche gilt für umgangssprachlich verwandte Straftatbestände.
Die Klimastiftung war Anfang 2021 auf Initiative der von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) geführten Landesregierung mit Spenden der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 gegründet worden. Seitdem half sie unter Vorsitz des ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Erwin Sellering im großen Umfang beim Weiterbau der deutsch-russischen Ostseepipeline, indem sie beteiligte Unternehmen als Mittlerin vor drohenden US-Sanktionen schützte. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags versucht derzeit, die Vorgänge aufzuklären.
- Eigene Recherchen
- Cicero.de: "Klimastiftung äußert sich zum Verdacht der Steuerhinterziehung"
- Nordkurier.de: "Staatsanwaltschaft prüft Anzeigen gegen Klimastiftung"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa