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Schiffsunglück: Rätsel um Estonia-Untergang ist immer noch ungelöst


20 Jahre nach dem Untergang
Das Rätsel um die "Estonia" ist immer noch nicht geklärt

Von t-online, dpa
26.09.2014Lesedauer: 4 Min.
"Estonia": Vor 20 Jahren ist die Ostseefähre mit 1000 Menschen an Bord gesunken. Das Bugvisier soll bei stürmischer See abgerissen sein.Vergrößern des BildesVor 20 Jahren sank die Ostseefähre "Estonia" mit 1000 Menschen an Bord. Das Bugvisier soll bei stürmischer See abgerissen sein. Um die Ursache ranken sich einige Verschwörungstheorien. (Quelle: dpa-bilder)
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Der Untergang der Ostseefähre "Estonia" am 28. September 1994 ist das schwerste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte. 852 Menschen verloren in der Ostsee ihr Leben. Auch 20 Jahre später belastet der Untergang der "Estonia" die Menschen in Estland und Schweden - weil weder die Unglücksursache eindeutig geklärt ist, noch die Toten aus dem Wrack geborgen wurden.

Die Bilder der Unglücksnacht kann Marge Rull nicht vergessen. 20 Jahre, nachdem die Estin mit der "Estonia" auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der Südküste Finnlands verunglückt ist, ist die Erinnerung an den 28. September 1994 allgegenwärtig. Als 25-Jährige konnte sie sich beim Untergang der unter schwedischer und estnischer Flagge fahrenden Fähre retten. Für 852 Passagiere aber kam jede Hilfe zu spät. Sie starben beim größten Schiffsunglück in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.

"Ich dachte, ich muss hier raus"

"Ich fühlte und hörte, wie die Wellen gegen das Schiff schlugen", schildert Rull in einem nun erschienen Buch zum 20. Jahrestag der Katastrophe. "Als sich das Schiff innerhalb weniger Augenblicke nach rechts neigte, sprang ich sofort aus dem Bett. Und als sich das Schiff bei etwa 20 Grad Neigung stabilisierte, war das wie ein Startschuss für mich. Ich dachte, ich muss hier raus."

Als sie es aus ihrer Kabine geschafft hatte, flüchtete Rull auf das Außendeck. Wegen der Schieflage des Schiffes verlor sie mehrfach den Boden unter den Füßen und stürzte tief. Dennoch schaffte es die damals als Tänzerin auf dem Schiff angestellte Frau nach oben zu gelangen und sich später auf eine der Rettungsinseln zu retten.

Koloss sinkt binnen einer Stunde

Bei stürmischem Wind und stark aufgewühlter See kenterte und sank die schwere Fähre innerhalb von nur einer Stunde in den Fluten der Ostsee. Als die Rettungsaktion von Finnland aus anlief, war es für die meisten Passagiere und Besatzungsmitglieder zu spät - sie ertranken im untergehenden Schiff oder erfroren im kalten Wasser. Nur 137 Personen überleben das Unglück.

Im ihrem Bericht benannte die viel kritisierte Untersuchungskommission ein falsch konstruiertes Bugvisier und Fehler der vor allem estnischen Besatzung als wichtigste Ursachen dafür, dass die Fähre so schnell sinken konnte. Doch die Spekulationen um den Untergang, über den auch ein Kinofilm produziert wurde, haben bis heute nicht aufgehört.

Spekulationen über Sabotage und Waffenschmuggel

Unstrittig ist, dass die Bugklappe des 157 Meter langen Schiffes sich auf offener See öffnete und abriss, wodurch Unmengen Wasser schnell und ungehindert ins Autodeck strömen konnten. Warum das aber passierte, ist nicht mit letzter Sicherheit festgestellt - trotz eines schier endlosen Hickhacks in diversen Kommissionen. Bei der Ursachensuche wiesen offizielle Stellen stets die Vermutung zurück, dass Sabotage oder eine Bombendetonation an Bord im Zusammenhang mit Militärtransporten der Auslöser gewesen sein könnten.

Endgültige Klarheit mit juristischen Folgen für die Verantwortlichen gibt es auch nach zwei Jahrzehnten nicht. Die Überlebenden und Hinterbliebenen treibt dies heute noch um. "Wir wollen herausfinden, was geschehen ist", sagt der Vorsitzende der Stiftung Estonia-Opfer und Angehörige in Schweden, Lennart Berglund. "Die Eltern meiner Frau waren damals an Bord."

501 der Opfer kamen aus Schweden und 232 aus Estland. Auch einige Deutsche waren unter den Toten.

Behörden lehnen Bergung von Schiff und Opfern ab

Trotz einer Estonia-Gruppe, die sich im schwedischen Parlament mit dem Fall beschäftigt, bekämen die Betroffenen im Reichstag bis heute keine Antwort. Auch bei der Schifffahrtsbehörde und der Behörde für Unfalluntersuchungen laufen derzeit keine Nachforschungen mehr. Auch in die ersten Ermittlungen seien die Überlebenden nicht einbezogen worden, erzählt Berglund. "Darüber sind sie sehr verärgert."

Die abgerissene Bugklappe war das Einzige, das nach dem Untergang von der "Estonia" geborgen wurde. Die schwedische Regierung löste trotz wiederholter Forderungen der Hinterbliebenen weder ihr Versprechen zur Hebung des Schiffes noch zur Bergung der Leichen aus dem Wrack ein. Stattdessen wurde die "Estonia" per Gesetz zur Grabstätte für die dort wahrscheinlich etwa 700 eingeschlossenen Opfer erklärt. Die Unglücksstelle ist zur Sperrzone erklärt worden. Die schwedische Regierung hegte sogar den Plan, das Wrack mit Beton zu versiegeln und zu einem gigantischen Sarkophag werden zu lassen. Das Vorhaben wurde mit Schutz der Totenruhe begründet. Massiver Protest der Angehörigen stoppte den Plan.

Neue Pläne, das Schiff zu heben, gibt es nach Angaben des schwedischen Verteidigungsministeriums nicht. Die Behörden weigerten sich, "irgendetwas aus dem Wrack hochzuholen", meint Berglund.

"Frage der Zeit, bis wieder etwas passiert"

Nach der Havarie gab es tiefe Umwälzungen in der Branche. So wurden etwa die Anforderungen an die Konstruktion der Schiffe verschärft. Das habe die Sicherheit auf See deutlich verbessert, sagt Markku Mylly, Leiter der Europäischen Agentur für Meeressicherheit.

Auch das estnische Schifffahrtsamt betont, dass der Fährverkehr auf der Ostsee sicher sei. Doch René Allik von der estnischen Polizei- und Grenzschutzbehörde warnt, dass auf dem kleinen und flachen Meer mit hoher Verkehrsdichte eine erhöhte Unfallgefahr bestehe: "Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas passiert."

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