t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikCorona-Krise

Anhusten und Spucken: Was ist dran an Coronavirus-Attacken auf Ältere?


Faktencheck
Absichtliche Corona-Spuck- und Hustattacken – was ist dran?

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 26.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Personenkontrolle: Die Polizei in Deutschlands Großstädten räumt mit Gerüchten auf, gezielt auf andere Menschen spuckende und hustende Jugendliche könnten ein Problem sein. Es sind kaum Fälle bekannt.Vergrößern des Bildes
Personenkontrolle: Die Polizei in Deutschlands Großstädten räumt mit Gerüchten auf, gezielt auf andere Menschen spuckende und hustende Jugendliche könnten ein Problem sein. Es sind kaum Fälle bekannt. (Quelle: imago-images-bilder)

Es sind Berichte, die Ekel wecken und Angst machen: Jugendliche, die andere anspucken, anhusten und mit "Corona" drohen? Was ist da dran? t-online.de hat den Faktencheck gemacht.

Mannheims Polizei hat gewarnt, dass Kinder und Jugendliche unter "Corona"-Rufen ältere Menschen anhusten oder sie gar anspucken. "Jugendliche Gruppen machen sich widerlichen Spaß mit älteren Menschen", berichtete sie am Mittwoch. In sozialen Netzwerken hatte es bereits vor einer Woche solche Schilderungen gegeben.

Nach Recherchen von t-online.de gibt es solche Fälle. Es ist aber ein Mythos, dass sie weit verbreitet sind. Die Auswertung von Pressemeldungen der Polizei der vergangenen Tage und die Nachfrage in den größten Städten Deutschlands zeigt: Das größere Problem sind Betrunkene und verantwortungslose Menschen, die sich nichts sagen lassen wollen und bei Hinweisen zum richtigen Verhalten in Zeiten der Coronakrise ausrasten.

Gibt es Hust- und Spuckattacken auf Fremde aus heiterem Himmel?

Die Mannheimer Polizei hatte gewarnt, dass sie Hinweise auf Kinder und Jugendliche bekommen habe, die ältere Menschen gezielt attackieren. In einer Umfrage von t-online.de bei den Polizeibehörden der zehn größten Städte Deutschlands berichtet nur Essens Polizei von etwas Vergleichbarem: Ein Anrufer meldete am Montagmittag, dass in Mülheim ein Trio mutmaßlich betrunkener junger Leute pöbelte und in Richtung Vorbeigehender spucken würde. Die Polizei war nach eigenen Angaben schnell dort, traf aber weder die Jugendlichen noch einen Betroffenen an.

Ansonsten sind in Berlin, München, Hamburg, Köln und den nächstgrößeren Städten keine vergleichbaren Fälle bekannt, in denen anlasslos auf diese eklige Art Angst und Schrecken verbreitet werden sollte. "Nichts Derartiges", sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei. "Ich weiß nicht, ob das nicht in Richtung urbane Mythen geht."

Bekannt wurde aber der Fall eines 19-Jährigen in Saarburg in Rheinland-Pfalz: Die Polizei konnte ihn ermitteln, nachdem er an einer Tankstelle mit Lackierer-Maske erschienen war und absichtlich in Richtung von Personen gehustet hatte. Er hatte darin einen Scherz gesehen. Er bekam eine Anzeige. Die Polizei Gießen meldete am Mittwoch einen Fall, der dem Klischee entspricht: Zeugen hatten demnach am Montag in einem Bahnhof merere Jugendliche beim Husten und "Corona"-Rufen gesehen. Die Polizei traf niemanden mehr an.

Empfohlener externer Inhalt
Facebook
Facebook

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Facebook-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Facebook-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Und was sagt die Polizei Mannheim, die mit ihrer Warnung heftige Reaktionen ausgelöst hat? Sie wurde von Nutzern und Medien nach Belegen gefragt und berichtete: Der Angestellte eines Heidelberger Einkaufsmarkts sei von zwei Jugendlichen angehustet worden, sie hätten vor ihm auf den Boden gespuckt. Die Jugendlichen hat die Polizei nicht ermittelt und nicht befragen können. In drei weiteren möglichen Fällen gab es Zeugenhinweise, die Umstände sind aber unklar. Betroffene oder Täter wurden nicht ermittelt, so ein Polizeisprecher auf Nachfrage.

Zudem mahnt die Mannheimer Polizei wegen der heftigen Reaktionen in den sozialen Netzwerken: "Wir verstehen, dass euch das geschilderte Verhalten sehr entsetzt und wütend macht. Aber Gewaltfantasien, was Ihr in so einer Situation machen würdet, sind keine Lösung!" Solche Reaktionen finden sich auch unter einem Tweet der Göttinger Bloggerin Amina Yousaf. Sie berichtete, dass mehrfach in ihre Richtung gehustet wurde, als mit Atemschutzmaske durch die Stadt lief.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Gibt es Corona-Attacken gegen Ordnungshüter?

Deutschlandweit berichtet die Polizei von einigen Fällen, in denen Polizisten mit dem Coronavirus gedroht wurde.

  • In Leipzig wurde ein Polizist von einem Mann mit Spucke getroffen, der sich angeblich angesteckt hatte. "Leider kommt es immer wieder vor. Aber in diesen Zeiten bespuckt zu werden, ist noch einmal etwas anderes", sagte ein Sprecher der Polizei Leipzig zu t-online.de. "Die ganze Gruppe wird dann auch aus dem Dienst genommen." Der polizeibekannte Randalierer kam in Gewahrsam, bis am nächsten Tag das Ergebnis des Tests feststand: negativ.
  • In Greven im Münsterland stand ein Mann wegen Kontakts mit einem Erkrankten tatsächlich unter Quarantäne, war aber auf einer Party, die die Polizei auflöste. Er war besonders uneinsichtig, hustete auch in Richtung der Beamten. Die Polizisten leiteten ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz sowie Körperverletzung ein.
  • In München wollten Polizisten einen Mann heimschicken, der sich nicht an Coronaregeln hielt. Der 22-Jährige hustete und spuckte darauf in Richtung der Beamten. Es folgte eine Anzeige.
  • In Neubrandenburg bespuckte eine 39-jährige Berlinerin Beamte, die sie zurück in die Hauptstadt schicken wollten. Auch sie sprach von Corona. Eine kleinlaute Entschuldigung am nächsten Tag ändert nichts an den Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Nötigung.
  • In Hamburg wollte eine Frau aus dem Drogenmillieu – vergeblich – ihre Festnahme verhindern, indem sie hustete und sich als positiv ausgab.

Gibt es Spuck- oder Hustenattacken?

Es sind Aufforderungen, Hinweise oder Bitten zu Vorsichtsmaßnahmen, die offenbar vielfach Menschen zum Austicken bringen. Aus Trotz husten oder spucken sie in Richtung von Personen, die auf Regeln der Schutzverordnungen hinweisen. Vier Fälle, die beispielhaft sind:

  • Am bekanntesten wurde der Fall, den die Moderatorin Nova Meierhenrich öffentlich machte: Ihre Mutter habe im Münsterland "ganz nett" eine Familie auf einem Spielplatz auf den Ernst der Lage hingewiesen. Daraufhin habe das junge Paar die ältere Dame extra angehustet und sie mit "Corona, Corona" angeschrien.coremedia:///cap/blob/content/87593234#data
  • Im Emsland suchten die Behörden sogar mit dem Bild einer Überwachungskamera nach einer Frau, die in einem Einkaufsmarkt eine Kassiererin angespuckt hatte. Zuvor hatte es Streit gegeben, weil sich die Frau um Schutzmaßnahmen wie ausreichenden Abstand nicht geschert hatte. Mit Corona gedroht hatte sie bei ihrer Spuckattacke nicht und daran auch nicht gedacht. Davon geht die Polizei in Haselünne aus, nachdem die Frau ermittelt ist.
  • Krach auf der Straße brachte Zeugen am Dienstag um kurz vor Mitternacht dazu, vier junge Leute in Oberhausen an die Coronaschutzverordnung zu erinnern. Die Gruppe zwischen 19 und 22 Jahren hustete den verärgerten Nachbarn buchstäblich etwas: Sie machten sich über die Zeugen lustig, hüstelten in deren Richtung. Hier folgten Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern in Höhe von jeweils 200 Euro.
  • In Aalen attackierten zwei Jugendliche (15 und 16 Jahre alt) einen Lokführer, weil der sie für das Überqueren der Gleise gerügt hatte. Als sie den 40-Jährigen aus der geöffneten Tür des Führerstandes ziehen wollten und das nicht klappte, spuckte einer dem Lokführer ins Gesicht. Ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion Stuttgart zu t-online.de: "Um Corona ging es dabei nicht." Der Lokführer ließ sich aber testen.

Der Text wurde mit weiteren Beispielen aktualisiert.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website