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Coronavirus in Russland: Wenn der Krankenwagen erst nach Tagen kommt


Alarmierende Berichte aus Russland
Corona-Kollaps? Wenn der Krankenwagen Tage braucht


07.11.2020Lesedauer: 3 Min.
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Krankenwagen vor einem Krankenhaus im Omsk Ende Oktober: In der Stadt gibt es kaum noch freie Betten für neue Corona-Patienten.Vergrößern des Bildes
Krankenwagen vor einem Krankenhaus im Omsk Ende Oktober: In der Stadt gibt es kaum noch freie Betten für neue Corona-Patienten. (Quelle: Yevgeny Sofiychuk/TASS PUBLICATION/imago-images-bilder)

Sein Land stehe besser da als im Frühjahr, sagt der russische Präsident Putin. Der Blick in ländliche Regionen Russlands, abseits der Hauptstadt Moskau, erzählt eine andere Geschichte – vor allem von großer Not.

Eine 70-jährige Frau und ein 85-jähriger Mann werden von Rettungswagen abgeholt. Eigentlich müssten sie aufgrund ihrer schweren Symptome einer Coronavirus-Infektion sofort im Krankenhaus behandelt werden. Doch über zehn Stunden lang ist für sie kein Bett frei. Schließlich parken die Fahrer der Rettungswagen noch mit den Patienten an Bord vor dem Gesundheitsministerium der Region – aus Protest. Denn der Fall aus der russischen Stadt Omsk, über den die "New York Times" berichtete, ist nur einer von vielen. Er steht beispielhaft für eine Reihe dramatischer Berichte.

Die Corona-Zahlen in Russland steigen wieder an, fast jeden Tag werden neue Rekordwerte vermeldet. Von Donnerstag auf Freitag kamen 20.582 Infektionen hinzu. Über 407.000 Menschen befinden sich mit Symptomen in medizinischer Behandlung, meldet die staatliche Nachrichtenagentur TASS. Nach Angaben der Vize-Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa war in der letzten Woche im ganzen Land nur noch jedes fünfte für Corona-Patienten reservierte Bett frei. In 16 Regionen sind 90 Prozent der Betten ausgelastet, in fünf Regionen sind es sogar 95 Prozent.

Putin: Lage jetzt besser als im Frühjahr

Trotzdem sieht Präsident Wladimir Putin keinen Anlass, die Corona-Maßnahmen im Land zu verschärfen. "Trotz der schwierigen epidemiologischen Lage sind wir jetzt viel besser gewappnet", verglich er letzte Woche die Situation mit der im Frühjahr.

Aktuell gibt es eine Maskenpflicht an belebten Orten und die Empfehlung, dass Gastronomie und Diskotheken um 23 Uhr schließen sollten. Nur in Moskau sind die Regeln strenger. Doch die Probleme der zweiten Corona-Welle liegen, anders als im Frühjahr, in den damals kaum betroffenen Regionen abseits der Metropole.

Ein Arzt für Hunderte Patienten

In der "Frankfurter Rundschau" erklärte die Chefin der unabhängigen russischen Mediziner-Gewerkschaft "Allianz für Ärzte", dass sie den offiziellen Zahlen nicht traue: Ambulanzfahrer berichteten ihr, dass oft nicht alle Notrufe angefahren werden könnten. "Wie viele Leute sterben ohne medizinische Versorgung zu Hause?", fragt sie. In der Großstadt Uljanowsk, die etwa 700 Kilometer östlich von Moskau liegt, kämen teils nur zwei Ärzte auf 100 Corona-Patienten. Aus einem Krankenhaus habe sie sogar gehört, es gebe für 400 Patienten nur einen Arzt und einen Pfleger.

Die Ärzte aus Kurgan, einem Verwaltungsbezirk in der Nähe der Grenze zu Kasachstan, veröffentlichten auf der russischen Nachrichtenseite "ura.ru" einen offenen Brief an Putin, wie die Deutsche Welle schreibt. Das Gesundheitssystem stehe kurz vor dem Kollaps, es gebe zu wenig Ärzte und Betten. Teils müssten Kranke tagelang auf Rettungswagen warten, darauf, dass ein Arzt sie behandelt eine Woche oder noch länger, heißt es dort.

"Sitzende Aufnahme" im Krankenhaus

Doch selbst wenn Patienten es bis ins Krankenhaus schaffen: Oft sind keine Betten mehr frei. In Tomsk, einer Stadt mit etwa einer halben Million Einwohner im Westen Sibiriens, gibt es nun die "sitzende Aufnahme". Laut der "Moscow Times" werden neue Patienten zwar betreut, erhalten aber kein Bett mehr, weil es davon zu wenige gibt. Auch der bekannte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny teilte auf Twitter ein Bild aus einem Krankenhaus der Stadt und kritisierte die Regierung scharf für die Missstände.

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In der Stadt Rostow am Don kam es kürzlich zur Tragödie: In der Nacht zum 12. Oktober starben dort übereinstimmenden Medienberichten zufolge 13 Corona-Patienten, nachdem die Sauerstoffversorgung ausgefallen war. Einer der diensthabenden Ärzte erzählte später in der russischen Zeitung "Novaya Gazeta", schon im Laufe des Abends habe es Probleme gegeben, dann sei die Versorgung ganz zusammengebrochen. Der Zustand der Patienten habe sich in Folge schnell verschlechtert. Ärzte und Pfleger hätten nichts mehr tun können, außer zu versuchen, die in Todesangst um Luft ringenden Patienten zu beruhigen.

Aus der sibirischen Stadt Nowokuznetsk kursiert derweil ein Video aus einer Leichenhalle in den sozialen Medien, wie die "New York Times" schreibt. Der filmende Mitarbeiter läuft darin über die Leichensäcke mit verstorbenen Corona-Patienten. Es gebe keinen anderen Weg mehr, erzählt der Mitarbeiter, alles sei voller Leichen, selbst der Flur. Die regionalen Gesundheitsbehörden ließen in einem Statement verlauten, dass mehr Lagerraum geschaffen werden solle. Der Grund für die Zustände in der Leichenhalle liege demnach vor allem bei den Familien der Verstorbenen: Die Angehörigen könnten ihre Toten nicht zur Beerdigung abholen – viele seien selbst an Covid-19 erkrankt.

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