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Israel und Corona: Der Impfweltmeister wird zum Sorgenkind


Corona in Israel
Der Impfweltmeister wird zum Sorgenkind

  • Saskia Leidinger
Von Saskia Leidinger

Aktualisiert am 26.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Sanitäterin impft in einem Altersheim in Israel: Die Impfkampagne in dem Land ist ins Stocken geraten.Vergrößern des Bildes
Eine Sanitäterin impft in einem Altersheim in Israel: Die Impfkampagne in dem Land ist ins Stocken geraten. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Eine schnelle Impfkampagne, wenige Corona-Fälle – zuletzt galt Israel als Musterland der Corona-Bekämpfung. Doch die Zahlen steigen jetzt wieder rapide an. Die Gründe dafür zeigen, dass auch Deutschland bald wieder ein Problem bekommen könnte.

Ein Klick, ein Selfie – im Kampf gegen das Coronavirus geht Israels Premierminister Naftali Bennett auch ungewöhnliche Wege. Der Politiker hat sich die Hilfe von Social-Media-Stars gesichert und hofft auf ihren Einfluss auf die junge Bevölkerung Israels. "Eure Aktionen werden heute dazu führen, dass Leben gerettet werden", sagte Bennett bei einem Treffen mit einigen der einflussreichsten Internetstars und fügte hinzu, dass jeder von ihnen die Fähigkeit habe, 30 bis 40 Menschen zu retten.

Ob sich durch die PR-Aktion tatsächlich junge Menschen von einer Impfung überzeugen lassen, ist nicht klar. Es ist zumindest ein Versuch der Regierung, sich gegen die rapide ansteigenden Corona-Zahlen zu stemmen. Fast 10.000 Fälle an einem Tag zählte das Gesundheitsministerium am vergangenen Montag. Das ist nur etwas weniger als der bisherige Tagesrekordwert von 10.100 Fällen aus dem Januar. Die Bundesregierung hat Israel als Hochrisikogebiet eingestuft.

Dabei schien die Pandemie in Israel schon vorbei. Vom 1. bis zum 7. Juli wurde kein einziger neuer Corona-Infizierter gemeldet und das Land mit seinen 9,4 Millionen Einwohnern lag im Wettrennen um die höchste Impfquote lange in Führung. Deutschland blickte zudem neidisch auf die zahlreichen Dosen an Impfstoff, die hierzulande noch Mangelware waren.

Impfmüdigkeit

Doch bereits im April hat der große Ansturm auf die Impfung nachgelassen. Vollständig geimpft sind um die 63 Prozent, in Deutschland sind es rund 59 Prozent. Etwa eine Million Menschen in Israel wollen sich überhaupt nicht impfen lassen. Vor allem die junge Bevölkerung lässt sich vergleichsweise selten eine Spritze verpassen.

Bei den über 70-Jährigen liegt die Quote der vollständig Geimpften bei mehr als 90 Prozent. Doch je jünger die Menschen sind, desto größer ist die Impfskepsis. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind nur noch rund 70 Prozent vollständig geimpft und in der Gruppe der 12- bis 15-Jährigen erst knapp 30 Prozent. Das geht aus Daten des israelischen Gesundheitsministeriums hervor.

Auch in Deutschland sind es derzeit vor allem junge Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren. Also die Gruppe, die erst spät Zugang zu Impfstoffen bekommen hat.

Israels Premierminister Bennett posiert deshalb mit Influencern, Schüler sollen während des Unterrichts geimpft werden und das Gesundheitsministerium produziert Videos mit jungen Menschen auf Partys, bei denen alle Spaß haben, nur die ungeimpfte Person muss zu Hause sitzen. Daneben der Hinweis: "Bleiben Sie gesund und genießen Sie das Leben weiterhin."

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Die Regierung verstärkt auch deshalb ihre Bemühungen um junge Menschen, weil nach ihrer Auffassung von der Impfquote der Teenager auch ein möglicher neuer Lockdown im September abhängt.

Ein erneuter Lockdown droht

Der Monat wird ein schwieriger für die Pandemie-Bekämpfung: Es stehen mehrere jüdische Feiertage an, unter anderem Jom Kippur. Das Versöhnungsfest ist der höchste Feiertag im jüdischen Kalender. Sich jetzt nicht impfen zu lassen, sei, als ob "man mit einem Maschinengewehr herumläuft und Delta-Varianten auf Menschen abfeuert", sagte der israelische Premierminister.

Dabei gehören ultraorthodoxe Juden und arabische Israelis zu den größten Gruppen der Impfverweigerer, wie aus einer Untersuchung des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Hinzu komme, dass es einen Zusammenhang zwischen Armut und der Impfbereitschaft gebe. "Die Reichen werden mehr geimpft, die ärmeren Bevölkerungsschichten viel weniger", sagte Gesundheitsminister Horowitz und kündigte an, mobile Impfteams in die entsprechenden Gemeinden zu schicken.

"An die fünfte Welle denken, nicht nur an die vierte"

Für Besorgnis sorgten zudem Meldungen über Impfdurchbrüche., also Patienten, die sich trotz einer Impfung infizierten und im Krankenhaus behandelt werden mussten. Doch Datenanalyst Jeffry Morris gibt Entwarnung: Die Zahlen aus den Krankenhäusern zeigten, dass die Impfungen wirkten, schreibt der Professor für Biostatistik auf Twitter.

Es zeigt sich, dass, gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung, deutlich mehr Ungeimpfte schwer an Covid-19 erkranken als Geimpfte. Zudem sei es normal, dass bei steigender Impfquote auch mehr Menschen ins Krankenhaus kommen, die bereits eine Spritze bekommen haben.

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Dass Israel jetzt wieder einen starken Anstieg an Neuinfektionen sieht, hängt laut dem israelischen Arzt Salman Zarka, den die "Times of Israel" nur den "Coronavirus-Zar" nennt, mit der Delta-Variante zusammen. Die Regierung glaubte, das Virus besiegt zu haben und sei dann von der Mutation "überrascht" worden. Jetzt sei klar, dass "wir nur die Schlacht gewonnen haben und der Krieg noch nicht vorbei ist", so Zarka.

Es sei aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen, in der Phase geringer Infektionszahlen die Impfkampagne zurückzufahren, wieder weitgehend zum normalen Leben zurückzukehren und Einrichtungen zur Virusbekämpfung zu schließen, analysiert der Arzt. "Wir müssen aus diesen Fehlern lernen und bereits an die fünfte Welle denken, nicht nur an die vierte."

Mit einem Booster aus der Pandemie

Deshalb probiert Israel gerade etwas, das auch in Deutschland ab September geplant ist: eine dritte Impfdosis, die sogenannte Booster-Impfung. Über eine Million Israelis haben diese bereits erhalten, darunter hauptsächlich ältere Menschen. Jetzt gab es auch die Freigabe für alle ab 30 Jahren.

Israelische Gesundheitsexperten schätzen, dass die Corona-Fallzahlen wieder zurückgehen werden, sobald fünf Millionen Menschen die dritte Dosis erhalten haben. "Ohne uns wüsste die Welt nicht, wie hoch die Wirksamkeit der Auffrischungsimpfungen genau ist, wann sie verabreicht werden, wie sie sich auf Infektionen auswirken und wie sie schwere Erkrankungen beeinflussen", sagte Premierminister Bennett.

Laut einer ersten Auswertung soll die Wirksamkeit gegen die Delta-Variante mit der Booster-Impfung höher sein als ohne. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bleibt einer dritten Impfung gegenüber skeptisch.

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Rückkehr der Corona-Regeln

Doch bis die Zahlen möglicherweise wieder sinken, setzt Israel erneut auf strengere Corona-Regeln. Ausländische Touristen dürfen nicht einreisen, für Reiserückkehrer gilt eine Quarantänepflicht und bei Veranstaltungen im Freien ab 100 Teilnehmern müssen wieder Masken getragen werden, bei anderen gilt die 3G-Regel. Unternehmen sollen wieder verstärkt Homeoffice ermöglichen.

In Deutschland haben mehrere Politiker einen erneuten Lockdown bereits ausgeschlossen. Zudem soll die Inzidenz nicht mehr als alleiniger Maßstab für künftige Corona-Regeln gelten. Dennoch zeigt das Beispiel Israels, dass auch in Deutschland wieder strengere Maßnahmen nötig werden könnten. Denn entscheidend für die Verbreitung des Virus, da sind sich Experten einig, ist die Impfquote – und die muss in Israel und Deutschland noch deutlich ansteigen.

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