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"Anne Will": Bischof fordert Schuldeingeständnis von Papst Benedikt XVI.


"Schaden, der nicht gutzumachen ist"
Bischof richtet klare Forderung an Papst Benedikt XVI.

Von Daniele Gambone

31.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Bischof Georg Bätzing bei "Anne Will": "Das ist ein Schaden, der nicht gutzumachen ist."Vergrößern des Bildes
Bischof Georg Bätzing bei "Anne Will": "Das ist ein Schaden, der nicht gutzumachen ist." (Quelle: imago-images-bilder)

Ist die katholische Kirche in der Lage, ihre Skandale aufzuarbeiten? Georg Bätzing, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, gelobt Besserung. Bei den anderen Gästen überwiegt die Skepsis.

Georg Bätzing ging am Sonntagabend in der ARD hart mit seiner katholischen Kirche ins Gericht. "Das ist ein Schaden, der nicht gutzumachen ist. Vor allem die Gläubigen sind natürlich nicht nur verwirrt, sie sind empört", sagte der Limburger Bischof mit Blick auf die Wirkung der jüngsten Enthüllungen. Vom ehemaligen Oberhaupt aller Katholiken, dem emeritierten Papst Benedikt XVI., forderte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz bei "Anne Will" sogar unmissverständlich ein Schuldeingeständnis und eine Bitte um Verzeihung.

Die Gäste

  • Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
  • Matthias Katsch, Mitbegründer der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch"
  • Christiane Florin, Religionsexpertin des Deutschlandfunks
  • Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsvizepräsidentin (Bündnis 90 / Die Grünen)
  • Ingrid Matthäus-Maier, SPD-Politikerin

Die ungewohnt klaren Worte kamen nicht von ungefähr. Die katholische Kirche steht hierzulande unter Druck. Ein Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising hat offengelegt: Die Zahl der mutmaßlichen Täter für den Zeitraum zwischen 1945 und 2019 geht in die Hunderte. Es ist von mindestens 497 Opfern die Rede.

Während den Betroffenen im Kinder- und Jugendalter kaum Beachtung geschenkt wurde, konnten sich straffällige Geistliche oder Angestellte oftmals auf den Schutz ihrer Institution verlassen. Bis in die höchsten Kirchenkreise haben sich Kleriker so mitschuldig gemacht. Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. wird beispielsweise vorgeworfen, in seiner Zeit als Münchner Erzbischof einen Missbrauchstäter mehr oder weniger gedeckt zu haben.

Benedikt XVI. soll Fehler eingestehen

"Er muss sich äußern, und er muss sich über seine Berater hinwegsetzen und im Grunde den schlichten, einfachen Satz sagen: Ich habe Schuld auf mich geladen, ich habe Fehler gemacht, ich bitte die Betroffenen um Verzeihung", verlangte Bätzing vom ehemaligen Pontifex und ergänzte bekräftigend: "Anders geht das nicht."

Er traue Benedikt XVI. ein solches Eingeständnis durchaus zu, sofern dieser es schaffe, sich von seinem direkten Umfeld zu distanzieren, denn es sei eine seiner Schwächen, "sich nicht immer mit den besten Beratern zu umgeben", so Bätzing.

In der Vergangenheit sei es bei der vermeintlichen Aufarbeitung durch die Kirche viel zu sehr darum gegangen, den damaligen Papst zu schützen und Schadensbegrenzung zu betreiben, kritisierte Matthias Katsch als Interessenvertreter der Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs.

Durch das neue Gutachten habe sich allerdings alles als Lüge erwiesen. "Es wurde immer versetzt und damit in Kauf genommen, dass Kinder wieder verletzt werden. Ich nenne das Komplizenschaft", urteilte der Mitbegründer und Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch".

Politik mit "Beißhemmung" gegenüber Kirchen

"Das war bisher bei der gesamten Aufarbeitung das Entscheidende, dass die Kirche das Heft in der Hand behält", bestätigte Christiane Florin. Die Deutschlandfunk-Redakteurin, die seit Langem die Vorgänge in der Kirche mit kritischer Aufmerksamkeit verfolgt, äußerte großes Erstaunen über die Zurückhaltung staatlicher Stellen in dieser Angelegenheit. "Es gibt eine schwer erklärbare, aber eben vorhandene Beißhemmung seitens der Politik gegenüber den Kirchen, wo ich immer denke: Kann man denn Suppenküchen gegen Missbrauch aufrechnen?", fragte die Journalistin provokativ in die Runde.

"Die höchsten Lobbyisten in diesem Lande sind die Kirchen", konstatierte die aus Bonn zugeschaltete Ingrid Matthäus-Maier. Bösartig gesprochen habe es "eine Kumpanei zwischen den offiziellen Kirchen und der Politik" gegeben. "Das muss aufhören", forderte die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete. Für die Juristin stand zudem fest: "Wir brauchen jetzt eine Untersuchungskommission, und zwar eine staatliche."

Die Beirätin der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung wollte darüber hinaus den Opferzahlen aus den bisherigen Missbrauchsgutachten keinen rechten Glauben schenken. "Die Dunkelziffer ist sehr, sehr viel höher", mutmaßte Matthäus-Maier, die sich auch hinsichtlich einer möglichen Abschaffung der umstrittenen Staatsleistungen für die Kirchen in Deutschland skeptisch zeigte.

Bundestagsvizepräsidentin verlangt Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts

Dass diese und andere Privilegien überhaupt noch gewährt werden, wurde in der Sendung mehrfach beklagt, denn anders als Missbrauchstätern wird beispielsweise in der katholischen Kirche manchen Menschen, die sich für sie einsetzen, das Leben besonders schwer gemacht. Erst jüngst haben sich 125 Beschäftigte in einem mutigen Schritt als queer geoutet. Mutig ist ein solches Bekenntnis, weil es zu Konsequenzen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes führen kann. Das kirchliche Arbeitsrecht macht es möglich.

"Wir sollten es verändern, und wir sollten es so verändern, dass es anderen Regeln wie dem Antidiskriminierungsgesetz entspricht", verlangte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Für den Fall, dass die katholische Kirche an der Aufarbeitung ihrer Skandale und der Anpassung an die gesellschaftlichen Realitäten scheitere, prophezeite die Bundestagsvizepräsidentin: "Dann wird diese Kirche in diesem Land baden gehen."

Die Menschen würden dann "ihren Glauben sonst wo leben oder ihn gar verlieren – aus lauter Enttäuschung. Und deswegen wird es Regelungen geben müssen, die keine Rücksicht mehr darauf nehmen, was in Rom wer auch immer sagt", so die evangelische Christin.

Es waren etwas hilflose, weil kaum umsetzbare Forderungen wie diese, die trotz der einsichtigen Haltung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, Anne Wills Talkrunde prägten.

Sie bestätigten einen Eindruck, den viele Gläubige schon lange äußern: Ausgerechnet in einer Zeit, die angesichts sozialer Spaltungen und Herausforderungen kaum auf die Kraft der Religion, unterschiedlichste Menschen und Milieus im Glauben an das Gute zusammenzuführen, verzichten kann, präsentiert sich die katholische Kirche als bröckelnder Machtapparat ohne echte Erneuerungskraft.

Verwendete Quellen
  • "Anne Will" vom 31. Januar 2022
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