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Verbrechen in der DDR: Der grausame Kreuzworträtsel-Mord von Halle


Bekanntester Kriminalfall der DDR
Der grausame Kreuzworträtsel-Mord von Halle

Von Niclas Staritz

Aktualisiert am 20.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Die einzige Spur der DDR-Ermittler waren Anfang der 1980er-Jahre ausgefüllte Kreuzworträtsel. (Symbolfoto) (Quelle: artisteer/Getty Images)

Der Mord an einem Kind aus Halle (Saale) sorgte Anfang der 1980er-Jahre für Aufruhr. Es folgte die wohl aufwendigste Verbrecherjagd der ostdeutschen Kriminalgeschichte.

Am 15. Januar 1981 kam der siebenjährige Lars Bense nach einem Kinobesuch nicht zurück nach Hause. Seine Eltern verständigten noch am Abend die Polizei, die eine Suchaktion im gesamten Gebiet Halle-Neustadt begann – zunächst ohne Erfolg. Erst die Entdeckung eines Bahnmitarbeiters brachte zwei Wochen nach dem Verschwinden des Jungen traurige Gewissheit. Aber die Ermittler standen vor einem Rätsel.

Am Streckenabschnitt 107,4 der Bahnstrecke Halle-Leipzig entdeckte ein 19-jähriger sogenannter Streckenläufer einen Koffer. Als er den Koffer mit einer Stange öffnete, sah er den Oberschenkel eines kleinen Jungen. Wie die Polizei schnell feststellte, handelte es sich bei dem Kind um den vermissten Lars Bense. Bei der Obduktion wurde die ganze Grausamkeit des Verbrechens deutlich.

Rätselhafter Koffer

Die Untersuchungen der Gerichtsmediziner ergaben, dass der Junge vor seinem Tod sexuell missbraucht worden war. Anschließend sei er mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden. Darüber hinaus wies die Leiche mehrere Einstichstellen auf. Die einzigen Hinweise auf den Täter bot der Koffer, in dem die Leiche lag.

Denn darin fanden die Ermittler mehrere Kreuzworträtsel aus Zeitungen. Einige von ihnen waren vollständig, andere nur teilweise ausgefüllt. Dem Leiter der Mordkommission in Halle, Siegfried Schwarz, war klar: "Nur über diese Kreuzworträtsel werden wir zum Erfolg kommen", wie er später in einer Dokumentation des RBB berichtete.

Preisausschreiben für den Mörder

Daher begann die Polizei, jede Art von Schriftproben der Einwohner von Halle-Neustadt zu sammeln. Dazu gehörten: Ausweisanträge, Kfz-Anmeldungen und andere Behördenanträge sowie Rätsel aus dem Altpapier. Außerdem fragten Polizisten persönliche "Schreibleistungen" an Haustüren ab.

Darüber hinaus einigte man sich mit der Lokalzeitung "Freiheit" auf ein Preisausschreiben. Damit hofften die Ermittler, den Täter aus der Reserve zu locken. Für das Einreichen eines ausgefüllten Kreuzworträtsels erhielt ein Gewinner 10 Mark. Mehr als 10.000 Bürger nahmen an dem Gewinnspiel teil und gaben damit unwissentlich Schriftproben ab.

Die Stecknadel im Heuhaufen

"Das war eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen", fasste der damalige Oberstaatsanwalt Wilfried Wölfel die Auswertung der Schriftproben zusammen. Neun Monate nach dem Mord an Lars hatte die Polizei die Schriftproben von einem Viertel der Bürger Halle-Neustadts ausgewertet – doch ohne Erfolg.

Beim Einsammeln der Schriftproben gingen die Ermittler blockweise vor. Auch von abwesenden Personen wurden "Schreibleistungen" eingefordert. So geschah es auch im Block 398. Eine Frau G. arbeitete zu der Zeit als Saisonkraft an der Ostsee und war nicht zu Hause anzutreffen. Daher wurde die Polizei in Wustrow gebeten, eine Probe der Frau einzuholen.

Erfolg nach 551.198 Schriftproben

Als sie die Probe am 17. November 1981 auswerteten, konnten die Ermittler das Ergebnis kaum glauben. Tatsächlich handelte es sich bei der Frau um die gesuchte Person. Bis dahin waren 551.198 Schriftproben ausgewertet worden. Nun hatten sie die gesuchte Person gefunden. Doch als die Polizei in Wustrow Frau G. für eine Vernehmung abholen wollte, war sie nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz anzutreffen.

Kollegen berichteten, dass sie sich auf den Weg nach Werder bei Potsdam gemacht hatte, um von dort mit ihrer Tochter in den Urlaub zu fahren. Die Polizei in Halle machte sich noch in derselben Nacht auf den Weg. In Werder angekommen, trafen sie Frau G. und ihre 20-jährige Tochter an.

Eine Nacht im Verhör

Die Polizisten brachten die beiden zurück nach Halle, hielten sich mit den Gründen allerdings bedeckt. Schon auf der Autofahrt stellte sich heraus, dass die Tochter von Frau G. in einer Beziehung war. Ihr Partner arbeitete zu der Zeit in Thüringen und wurde sogleich von den Kriminalbeamten zu einer Vernehmung abgeholt.

Nach einer langen Nacht im Verhör gestand der 19-jährige Matthias S., der Freund der Tochter, letztlich die Tat. Er habe den Jungen mit Spielzeugautos gelockt und in der Wohnung von Frau G. vergewaltigt und ermordet, erzählte er den Beamten. Der Täter war gefunden.

Vorlage für "Polizeiruf: 110"

Ein Gericht verurteilte Matthias S. 1982 zu einer lebenslangen Haftstrafe. Nach der Wiedervereinigung wurde der Prozess allerdings wieder aufgenommen, da der zum Tatzeitpunkt 18-Jährige nach bundesrepublikanischem Recht unter Anwendung des Jugendrechts hätte verurteilt werden müssen.

Am 20. Mai 1992 wurde Matthias S. daher zu der Höchststrafe von zehn Jahren verurteilt, mit anschließender Einweisung in den Maßregelvollzug. 1999 kam Matthias S. endgültig frei und zog nach Magdeburg. Dort verstarb er auf den Tag genau 32 Jahre nach seiner Tat im Alter von 50 Jahren.

Aufgrund der enormen Anstrengungen der Ermittler ist der Fall Lars Bense bis heute berüchtigt. 1988 diente er auch als Vorlage für die Folge "Der Kreuzworträtselfall" der beliebten DDR-Krimireihe "Polizeiruf: 110", die bis heute in der ARD läuft.

Verwendete Quellen
  • rbb Fernsehen: "Die großen Kriminalfälle: Der Kreuzworträtsel-Mord" vom 29. Oktober 2011
  • stern.de: "Die Spur der Buchstaben"
  • volksstimme.de: "Kreuzworträtsel-Mörder starb in Magdeburg"
  • Eigene Recherche
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