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"Aktenzeichen XY": Erster Fall, der durch die Sendung aufgeklärt wurde


Der erste Erfolg von "Aktenzeichen XY"
Erst eine goldene Uhr brachte den entscheidenden Hinweis

Von t-online, cat

Aktualisiert am 27.11.2024Lesedauer: 4 Min.
Der mutmaßliche Täter Manfred S. (r) und ein Justizbeamter vor Beginn der Verhandlung in Wuppertal am 25.02.1969. S. wird beschuldigt, den Verleger des Solinger Tageblatts, Bernhard Boll, am 20.03.1968 nahe Burg an der Wupper im Bergischen Land (NRW) ermordet zu haben. Durch Hinweise nach der Ausstrahlung eines Berichts in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY ungelöst" war er im Juni 1968 in Gelsenkirchen festgenommen worden. Das Schwurgericht Wuppertal verurteilte ihn am 26.02.1969 zu lebenslanger Haft.Vergrößern des Bildes
Manfred S. vor Gericht: Hinweise nach der Ausstrahlung von "Aktenzeichen XY ... ungelöst" führten zu seiner Festnahme. (Quelle: Wilhelm Bertram/dpa)

Ein brutaler Mord und keine Spur vom Täter: Erst durch "Aktenzeichen XY" gelingt der Durchbruch. Es ist der erste Fall, der durch die Sendung aufgeklärt wird – und ein Meilenstein der Kriminalgeschichte.

Am 20. März 1968 wird Bernhard Boll, Verleger des "Solinger Tageblatts", Opfer eines grausamen Verbrechens. Der 54-Jährige, der sich für die anstehenden Kommunalwahlen in seinem Wochenendhaus vorbereitet, wird erschlagen. Um Spuren zu verwischen, legt sein Mörder anschließend ein Feuer. Als die Feuerwehr eintrifft, brennt das Häuschen lichterloh. Die Ermittler finden die Leiche des Verlegers unweit davon entfernt. Der Anblick ist verstörend: Boll wurde mit mehreren Axthieben getötet. Die Tat löst in der Region Entsetzen aus.

Bernhard Boll führte die Zeitung in dritter Generation. Mit seinem gleichnamigen Sohn, der gerade im Verlagswesen angelernt wurde, beabsichtigte er die Fortführung des Familienunternehmens. Dieser Plan wurde früher als gedacht zur ungewollten Realität. Nachdem Boll nicht wie verabredet in der Redaktion erschienen war, machte sein Sohn sich auf den Weg zur Hütte. Als er das Haus erreichte und die Flammen sah, ahnte er noch nichts von dem brutalen Mord an seinem Vater.

Schockierendes Wechselbad der Gefühle

Bernhard Boll schilderte später die traumatischen Momente, als er vor dem brennenden Wochenendhaus seines Vaters stand. In der Dunkelheit habe er das Gebäude nur schemenhaft wahrgenommen und sei von beißendem Rauchgeruch empfangen worden. "Ich habe mich nicht getraut, hineinzugehen", erzählte er. Stattdessen holte er Hilfe aus einer nahegelegenen Gaststätte. Die Versuche, das Feuer zu löschen, verschlimmerten die Situation. Als die Feuerwehr mit den Löscharbeiten begann, kam die schreckliche Erkenntnis: Sein Vater lag tot vor dem Gebäude – er war nicht durch die Flammen getötet, sondern erschlagen worden.

Der junge Boll durchlief ein schockierendes Wechselbad der Gefühle: "Zuerst die Erleichterung, dass er nicht im Haus war, und dann der Schock, dass er draußen umgebracht wurde." Doch damit nicht genug. Er musste die Nachricht vom Tod seines Vaters der restlichen Familie überbringen. "Ich habe mich nicht getraut, es meiner Mutter direkt zu sagen. Ich bin zuerst zu meiner Patentante gefahren, um es ihr schonend beizubringen."

Die Polizei begann eine großangelegte Fahndung. Bereits früh ergaben sich für die Ermittler wichtige Spuren: ein blutiger Anzug, ein zurückgelassener Verbandskasten und eine geraubte goldene Uhr. Dennoch blieb der Täter zunächst unauffindbar. Die Behörden setzten schließlich auf Öffentlichkeitsfahndung und die Zusammenarbeit mit der TV-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst".

Entscheidende Hilfe durch das Fernsehen

Am 7. Juni 1968 wurde der Mordfall in der sechsten Folge der ZDF-Sendung vorgestellt. Ein Film rekonstruierte den Tatablauf und rückte die geraubte Uhr ins Zentrum. Eduard Zimmermann, der damalige Moderator, beschrieb sie detailliert: eine vergoldete Sardina mit einer individuellen Reparaturnummer im Inneren. 20 Millionen Zuschauer sahen zu, darunter ein Rentner aus Gelsenkirchen – der eine fast identische Uhr besitzt.

Zunächst zögerte der Mann, meldete sich dann aber bei der Polizei. Die Ermittler stellten fest, dass es sich tatsächlich um die Uhr des Opfers handelte. Sie führte zum vorbestraften Sohn des Rentners, Manfred S., der seinem Vater die Uhr für 20 Mark verkauft hatte. Nur wenige Stunden nach der Ausstrahlung wurde der 40-Jährige festgenommen.

 
 
 
 
 
 
 

Ein Leben in Kriminalität

S. hatte eine lange kriminelle Laufbahn hinter sich. Nach einer schwierigen Kindheit und zahlreichen Aufenthalten in Heimen und Haftanstalten beging er immer wieder neue Straftaten. Im März 1968 hielt er sich in Solingen auf, nachdem er kurz zuvor eine Arbeitsstelle angetreten hatte, die er aber schnell wieder aufgab. Ohne festen Wohnsitz brach er in das unbewohnte Wochenendhaus seines späteren Opfers ein, lebte dort einige Tage und verwüstete es. Als der Verleger ihn überraschte, kam es zur tödlichen Eskalation.

Mehrmals schlug Manfred S. mit einer Axt auf Boll ein. Die Hiebe waren so brutal, dass sie das Gehirn des 54-Jährigen durchschlugen. Doch damit nicht genug: Der 40-Jährige versetzte ihm noch weitere Hiebe, obwohl der Verleger bereits regungslos am Boden lag. Zwar gestand er die Tat nach seiner Festnahme, behauptete aber, in Notwehr gehandelt zu haben. Weder die Ermittler noch die Staatsanwaltschaft glaubten ihm. 1969 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die wichtige Rolle von "Aktenzeichen XY"

Als erster Fall, der mithilfe der Sendung gelöst wurde, gilt der Mord an Bernhard Boll als Meilenstein in der Geschichte von "Aktenzeichen XY". Die Aufklärung brachte der Familie des Opfers eine gewisse Erleichterung. Für den jungen Bernhard Boll und seine Familie bedeutete sie nicht nur das Ende von wochenlangem Leid, sondern auch von grausamen Gerüchten, die in Solingen die Runde machten.

"Die Geschichten, die man über meinen Vater erzählte, waren furchtbar. Menschen spekulierten, dass er sich mit zwielichtigen Gestalten in der Hütte getroffen hätte", erinnert sich Boll. "Die Wahrheit zu kennen, egal wie schlimm sie war, hat uns geholfen, einen Abschluss zu finden."

Bernhard Boll übernahm später den Verlag seines Vaters und führte das Familienunternehmen erfolgreich weiter. Ein wichtiger Schritt, um die traumatischen Ereignisse zu verarbeiten. "Es war eine schwere Zeit, aber wir haben uns aufgerappelt – auch, um den Mitarbeitern und dem Unternehmen eine Zukunft zu geben."

Der Mordfall zeigt die enorme Reichweite und den Einfluss des Fernsehens in der Verbrechensaufklärung. Für die Ermittlungsbehörden ist es ein Beweis, dass die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit kriminalistische Erfolge ermöglicht – eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert.

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