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Neonazis posieren am Jahrestag des Brandanschlags auf Ulmer Synagoge


Antisemitismus
Neonazis posieren am Jahrestag des Anschlags auf Ulmer Synagoge

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 08.06.2022Lesedauer: 3 Min.
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Zwischenfall: Am Jahrestag des Brandanschlags auf die Synagoge in Ulm bauten sich mutmaßliche Rechtsextremisten mit Bannern vor dem Gebäude der jüdischen Gemeinde auf.Vergrößern des Bildes
Zwischenfall: Am Jahrestag des Brandanschlags auf die Synagoge in Ulm stellten sich mutmaßliche Rechtsextremisten mit Bannern vor dem Gebäude der jüdischen Gemeinde auf. (Quelle: Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg)

Genau ein Jahr nach einem Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge haben sich offenbar Neonazis vor dem Gebäude aufgebaut und mit eindeutigen Symbolen posiert. Nachbarn reagierten beherzt.

Rabbiner Shneur Trebnik hat sich genau angeschaut, was die Bilder der Überwachungskamera der Synagoge in Ulm zeigen: Zum Jahrestag eines Brandanschlags stellten sich mutmaßliche Neonazis mit rechtsextremen Bannern vor das Gebäude. Besonders überrascht war der Rabbiner davon nicht: "Dass es solche Leute gibt, ist uns allen bekannt".

Die Vermutung liegt zwar nahe, dass der 5. Juni gezielt gewählt wurde, weil am 5. Juni 2021 ein Brandanschlag auf die Synagoge verübt worden war, der bundesweit Empörung ausgelöst hatte. Der Rabbi hält das aber noch für Spekulation: "Ich bin mir nicht sicher, ob solche Leute intelligent genug sind, diese Verbindung herzustellen."

Bei einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag am Dienstag mahnte Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg, Aufklärung an und ging auf die Symbolik ein, der sich die Männer bedienten: Die Verwendung der NS-esoterischen sogenannten "Schwarzen Sonne" und die Hinweise auf den Verschwörungsmythos vom angeblichen "White Genocide" zeigten eine verfestigt antisemitische Gesinnung. "Es ist wichtig, diese Leute zu stellen und ihre Radikalisierung zu stoppen, solange noch Zeit dafür ist!"

Das Symbol für White Power vor einer Schwarzen Sonne war auch in den Dateien von Stephan B. gefunden worden, der einen Anschlag auf die Synagoge in Halle geplant und dann zwei Menschen in der Umgebung der Synagoge erschossen hatte.

In Ulm war vor einem Jahr an der Synagoge eine Flüssigkeit ausgeschüttet und angezündet worden. Das Feuer konnte schnell gelöscht werden, weil ein Passant damals umgehend die Feuerwehr rief. Die Fassade der Synagoge und eine Glasscheibe wurden beschädigt.

Ein damals 45-jähriger türkischer Staatsbürger aus Ulm wurde als mutmaßlicher Täter ermittelt, hat sich aber in die Türkei abgesetzt. Die Türkei und Deutschland liefern ihre Staatsbürger jeweils nicht ins andere Land aus.

Die mutmaßlich von dem Türken begangene Tat könnten nun die Rechtsextremen zum Anlass für ihren Auftritt genommen haben. "Wir erleben so viele Absurditäten, da kann das auch sein", kommentiert der Rabbiner. "Sie verbindet ja vielleicht das gemeinsame Interesse." Das wäre dann Judenhass.

Der rechte Spuk spielte sich der Aufzeichnung der Überwachungskamera zufolge um kurz nach 19 Uhr am Sonntag ab und dauerte wenige Minuten. Das lag vielleicht auch daran, dass Nachbarn aufmerksam wurden. Die Gruppe wurde konfrontiert, es gab einen kurzen verbalen Schlagabtausch, wie der Blog "Rechte Umtriebe Ulm" berichtet. Dann gingen die Männer, zwei von ihnen zunächst in eine Sackgasse. Möglicherweise waren sie nicht ortskundig.

Um 23 Uhr informierten die Nachbarn Rabbi Trebnik über das Geschehen einige Stunden zuvor. "Das läuft gut mit der Nachbarschaft. Wir passen gegenseitig aufeinander auf", sagt der Rabbiner. "Unsere Sicherheit ist deren Sicherheit." Er selbst schob die Nachricht von dem Zwischenfall erst einmal beiseite. "Es war auch der jüdische Feiertag von Schawuot, die Tat schon einige Stunden vorüber, und die Polizei war ja informiert."

Eine Streife der wenige Hundert Meter entfernten Polizei traf niemanden mehr an, wie die "Südwestpresse" berichtet. Der Polizei liegen Rabbi Trebnik zufolge die Bilder der Überwachungskamera vor. Zudem gibt es Aufnahmen weiterer Zeugen.

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Die Synagoge wird von der Polizei bestreift und je nach Bewertung der Lage überwacht. "Diese Praxis ist von Bundesland zu Bundesland anders geregelt", sagt Trebnik, der auch seit 2021 einer von zwei Polizeirabbinern in Baden-Württemberg ist. "Ich bin nicht der Experte, um zu beurteilen, ob das angemessen wäre. Ich möchte gerne auf Polizei und Justiz des Landes vertrauen und es gibt bei der Polizei die Fachleute zur Beurteilung." Er stelle deshalb auch keine Forderung auf. "Ich hoffe nur, dass es jetzt schnell aufgeklärt wird."

Verwendete Quellen
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