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Deutsche Bahn: Behindertensportler geschockt von Problemen


Keine Fahrt und Probleme bei Erstattung
Peinliche Prüfung: Bahn ärgert Behindertensportler

Von Jannis Seelbach

Aktualisiert am 25.07.2019Lesedauer: 3 Min.
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Ein Rollstuhlfahrer wartet auf den Zug: Für eine Gruppe von behinderten Sportlern war die Bahnreise schon vor dem Antritt vorbei. Zusätzlich gab es noch Ärger mit der Rückerstattung.Vergrößern des Bildes
Ein Rollstuhlfahrer wartet auf den Zug: Für eine Gruppe von behinderten Sportlern war die Bahnreise schon vor dem Antritt vorbei. Zusätzlich gab es noch Ärger mit der Rückerstattung. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Vorfreude war groß bei den Paraschwimmern aus Hamburg: die Fahrt zur Deutschen Meisterschaft! Doch dann machte ihnen die Bahn einen Strich durch die Rechnung, und der Ärger begann.

Gleich doppelt musste sich der Hamburger Markus Werner ärgern, Betreuer eines Paraschwimmteams: Erst schaffte die Bahn es nicht, einer Gruppe Behindertensportler die lang geplante Bahnfahrt zu ermöglichen. Dann sollte Werner für die Kostenerstattung auch noch neue Nachweise für die Behinderung vorlegen. "Das war wirklich unerträglich." Nach einer Anfrage von t-online.de rudert die Bahn jetzt zurück.

Barrierefreier Wagen fehlte

"Die Reise war lange im Voraus detailliert geplant," erinnert sich Werner. Die Bahn musste genau wissen, wie viele Rollstuhlfahrer mitfahren, die Größe und Länge der Rollstühle und das Gewicht der Rollstuhlfahrer. Es sollte für sein Team zur Deutschen Meisterschaft der Paraschwimmer gehen, er und die fünf Sportlerinnen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren freuten sich schon lange auf den Wettkampf. Bei insgesamt sechs Zügen an dem Tag sei die Buchung für die Gruppe mit drei Rollstuhlfahrern gar nicht möglich gewesen: Alle Rollstuhlplätze waren reserviert oder keine Ausstiegshilfen bei der Ankunft in Berlin verfügbar.

Am Bahnsteig dann die böse Überraschung: Der gebuchte ICE um 14.34 Uhr mit den reservierten Plätzen kam – aber der einzige barrierefreie Wagen mit ihren Plätzen stand nicht zur Verfügung. Bei der kostenpflichtigen Hotline habe man Verständnis gehabt, aber ihm nicht helfen können. Das heißt: Die gebuchte Reise wurde vom Mobilitätsservice nachträglich abgelehnt. Die Gruppe blieb ruhig, "das sind Sportler", sagt Werner, "die sind aufs Ziel fokussiert."

Bahn: Personal zur Hilfe war verplant

Die Bahn räumt auf t-online.de-Anfrage ein, dass es zu den genannten Problemen gekommen sei. Bei dem gebuchten Zug sei der Wagen wegen eines kaputten Behinderten-WCs nicht nutzbar gewesen. Zur Ankunft einer alternativen späteren Verbindung seien die Servicemitarbeiter schon bei anderen Zügen zur Ausstiegshilfe verplant gewesen. Gerade in der Ferienzeit seien Engpässe bei den stark genutzten Rollstuhlstellplätzen nicht immer auszuschließen.

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Der Paraschwimmtrainer schaffte es, kurzfristig mit einem Vater einen Transfer mit Autos zu organisieren. Das Team konnte an den Start gehen, vier Schwimmerinnen erzielten Erfolge bis hin zu einem neuen Deutschen Rekord. Im Anschluss ging es dann aber um die Erstattung der Kosten für die ausgefallene Zugreise und der entstandenen Kosten für die Fahrt mit dem Auto. Die Gesamtforderung belief sich auf 252,30 Euro.

"Prüfung war schlimmer als der Ausfall"

Die darauffolgende Reaktion der Bahn hatte Werner nach der Enttäuschung bei der Anreise nicht erwartet: Das Unternehmen, dem er Details zu Größen der Rollstühle und Gewichten der Reisenden geliefert hatte, forderte die Übersendung von Kopien der Schwerbehindertenausweise. Das sei nötig, um zu prüfen, ob überhaupt Anspruch auf eine Erstattung bestehe. Werner meint dazu: "Das Nachprüfen, ob man wirklich behindert ist, war schlimmer als der Ausfall des Wagens. Diese Masche ist einfach unerträglich."

Die Bahn nahm nach der Anfrage von t-online.de Kontakt mit ihm auf: "Wir haben uns persönlich entschuldigt", so eine Sprecherin. "Es tut uns leid, dass bei seiner Fahrt so viel schiefgelaufen ist. Selbstverständlich erstatten wir die Ticketkosten und übernehmen auch die Kosten für die alternative Fahrt mit dem Auto – ohne weitere Prüfung."

Die peinliche Prüfung erklärt die Bahn mit Datenschutz: Es dürften keine Informationen ausgetauscht werden zwischen der Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) und dem Servicecenter Fahrgastrechte, das die Erstattungen vornimmt. Für das Servicecenter sei nicht ersichtlich gewesen, ob der Preis überhaupt erstattet werden durfte.

Alles nur ein Einzelfall?

Doch die Bahn hat nicht nur ein Kommunikationsproblem. Bei Schwierigkeiten mit der Beförderung von Behinderten "kann von Einzelfällen keine Rede sein, sondern von strukturellen Problemen", sagt Kay Macquarrie von der Initiative "Bahn für Alle" der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL).

Es gebe in den Zügen sowohl zu wenig Ausstattung als auch zu wenig Platz und die Bahn sei wenig flexibel. Es fehle vor allem an Personal, das beim Einsteigen beziehungsweise Aussteigen helfe. "Und die Bahn hat kein Konzept zur Beseitigung der Missstände. Wenn es so weitergeht, ändert sich auch bis zum Jahr 2100 nichts", meint er. Nötig seien erhebliche Investitionen, das größte Ärgernis seien die nicht allein zu überwindenden Stufen.

Die Bahn verweist dagegen auf ihre neue Generation ICE 4. Der ICE 4 verfügt über vier Rollstuhlstellplätze und eingebaute Hublifts, mit denen Rollstuhlfahrer in den Zug gelangen können.

Verwendete Quellen
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