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Wem gehört das Weltall? Die USA stecken erste Claims ab


Raum und Recht
Wem gehört das Weltall?

spiegel-online, Frank Patalong

Aktualisiert am 01.12.2015Lesedauer: 4 Min.
Planeten auf einer Computergrafik der Nasa.Vergrößern des BildesDer Weltraum, unendliche Himmelsschätze. (Quelle: UPI Photo/imago-images-bilder)

Seit fast 50 Jahren herrscht internationaler Konsens darüber, dass keine Nation Anspruch auf das Weltall erheben kann. Ein neues US-Gesetz stellt das nun infrage: Es erklärt die USA faktisch zum Schürfrechte-Verwalter.

Es war eine Art Annektierung in drei Schritten: Innerhalb von 14 Tagen segnete zunächst der US-Senat, dann der Kongress einen Gesetzentwurf ab, der das Weltall de facto zum amerikanischen Verwaltungsraum erklärt. Sechs Tage später, am 25. November 2015, unterzeichnetet auch Präsident Barack Obama das Schriftstück, mit dem US-Behörden quasi das Recht der Lizenzvergabe zur Ausbeutung des Sonnensystems für sich beanspruchen.

Damit steht aus US-Sicht weder der Errichtung von Kolonien auf dem Mars noch der kommerziellen Ausbeutung des Asteroidengürtels etwas im Wege - wenn man von den noch immer astronomischen Kosten und technischen Problemen absieht.
Sei's drum: Dem neuen Gesetz zufolge brauchte jemand, der so weit wäre, sich auf den Weg zu machen, nur noch ein paar Genehmigungen dafür zu beantragen. US-Verkehrsministerium, US-Verteidigungsministerium und Nasa würden darüber befinden, wer da wie und zu welchem Zweck wohin fliegen und Schätze aus dem All zurückbringen darf.

Klingt nach einer klaren Regelung, birgt aber jede Menge Zündstoff: Mit welchem Recht kann man etwas verwalten, was einem gar nicht gehört?

Die Nasa selbst hatte diesen seit rund drei Jahren kursierenden Gesetzentwurf als eine Art "Straßenverkehrsordnung für das All" verniedlicht. Die einflussreiche Wissenschaftsseite Phys.org sieht das Gesetz dagegen deutlich kritischer: Es sei nicht nur "gefährlich und möglicherweise illegal", sondern auch "ein Ereignis von kosmischen Maßstäben".

Zu dick aufgetragen? Für die meisten Menschen sind solche Themen höchst abstrakt. Raketen und Raumschiffe, Kolonien auf dem Mars und Minen auf dem Asteroiden Mallorca (ja: den gibt es) klingen für viele nur nach Science-Fiction. Das ist es aber nicht mehr lang.

Der Weltraum: unendliche Himmelsschätze

Schon seit einigen Jahren zeichnet sich ab, dass ähnlich wie in den Sechzigern wieder ein Weltraumwettrennen beginnt. Neben staatlichen Akteuren ventilieren auch private Investoren Ambitionen, in absehbarer Zukunft Edelmaterialien auf Asteroiden gewinnen oder Kolonien auf dem Mars gründen zu wollen. Damit wird natürlich auch die Frage nach den Besitzrechten im Weltraum konkret, die bisher eher theoretisch war.

Eigentlich ist das alles schon seit langer Zeit geregelt. Als 1967 die Vertreter von zunächst 94 Nationen (inzwischen sind es 104) sich unter dem Dach der Vereinten Nationen zusammenrauften, um miteinander den sogenannten Weltraumvertrag zu schließen, kam dabei ein Vertragswerk heraus, das große, schöne Visionen mit der unmittelbaren Notwendigkeit verband, sehr, sehr hässliche konkrete Möglichkeiten zu verhindern.

Der "Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" scheute kein Pathos, wenn es darum ging, die Nutzung und Erforschung des Raumes zum Nutzen der gesamten Menschheit zu beschwören. Das lag ja auch in weiter Ferne: Selbst die größten Optimisten glaubten nicht wirklich daran, dass man da sehr bald schon irgendetwas Geldwertes würde teilen müssen. Allen war klar, dass die technologischen Voraussetzungen schlicht noch nicht gegeben waren.

Der Weltraumvertrag: Krieg und Landnahme verhindern

Zugleich aber wurde es denkbar, dass sich das irgendwann ändern könnte. So war die Selbstverpflichtung der Weltraumforschung "zum Vorteil und im Interesse aller Länder ohne Ansehen ihres wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungsstandes" durchaus kein naives Bekenntnis zum reinen Herzen: Ganz konkret ging es auch darum zu verhindern, dass möglicherweise ein Konkurrent die Nase vorn haben könnte.

So verbot der Vertrag jede "nationale Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation oder durch andere Mittel". Im Klartext: Niemand sollte auf Mond, Mars oder sonstwo seine Fahne in den Staub rammen und fürderhin andere fernhalten dürfen. Der Weltraum war für alle da. Forschen und Entdecken, aber auch Besiedeln und Schürfen sollte jeder dürfen.

In Artikel 3 schrieb der Vertrag zudem ein Verbot der nuklearen Aufrüstung des Raumes fest - bis heute sicher der konkreteste Nutzen des Vertrags.

Kein rechtsfreier Raum: Weltraumrecht ist konkret und gilt

Der Weltraumvertrag gilt - ergänzt durch den sogenannten Mondvertrag von 1979 - noch heute als Basis des Weltraumrechts. Eine Autorität, die Schürfrechte für Himmelskörper verwaltet, ist darin nicht vorgesehen.

Darum aber geht es nun im neuen US-Gesetz. Der "U.S. Commercial Space Launch Competitiveness Act" macht zum einen das US-Verkehrsministerium zur Aufsichtsbehörde für privatwirtschaftliche Weltraumflüge, zum anderen das US-Verteidigungsministerium zur Aufsicht über Aspekte der nationalen Sicherheit im All und die Weltraumbehörde Nasa zur celestialen Minenverwaltung. Das Gesetz wird da höchst konkret: "Jedwedes von einem Asteroiden im All gewonnenes Material ist Besitz der Körperschaft, die das Material gewonnen hat, die damit alle Besitzrechte daran gewinnt, im Einklang mit US-Bundesrecht und existenten internationalen Verpflichtungen."

Genau das glaubt noch nicht einmal das Gros der US-Medien: In etlichen Zeitungen kamen Kommentatoren auf die naheliegende Analogie vom Wilden Westen - die letzte Periode, in der US-Regierungen freigiebig Landrechte an Gebieten vergaben, die vermeintlich niemandem gehörten. Das gilt auch für das Weltall: Es gehört den USA nicht.

Material gehört dem, der es gewinnt

Der US-Kongress hat bereits erklärt, dass er in dem Gesetz trotzdem keine Kollision mit geltenden internationalen Verträgen erkennen kann. Vonseiten der Uno, Esa und anderer möglicher Parteien, die hier Einwände haben könnten, stehen öffentliche Reaktionen noch aus.

Hinter den Kulissen dürfte da gerade so einiges geprüft werden: Formal regelt das US-Gesetz tatsächlich nur, dass im Weltall gewonnenes Material dem gehören soll, der es gewinnt - ein Besitzrecht am konkreten Himmelskörper beansprucht es nicht.

Die wichtigste juristische wie diplomatische Frage, die deshalb im Vordergrund stehen wird, ist darum wohl eine andere: Wenn das Weltall der ganzen Menschheit gehört, was gibt den Amerikanern dann das Recht, Besitzrechte dort im Alleingang zu regeln?

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