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Faszination Polarlicht: Jäger des Himmelsfeuers


Faszination Polarlicht: Jäger des Himmelsfeuers

spiegel-online, von Christoph Seidler

16.03.2013Lesedauer: 3 Min.
Polarlicht: Ein Crash des Partikelstroms des Sonnenwindes mit Sauerstoff-Ionen in niedrigen Höhen lässt den Himmel grün strahlenVergrößern des BildesPolarlicht: Ein Crash des Partikelstroms des Sonnenwindes mit Sauerstoff-Ionen in niedrigen Höhen lässt den Himmel grün strahlen (Quelle: imago-images-bilder)
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Eine Vorhersage für Weltraumwetter - wer braucht denn so was? Satellitenbetreiber, Flugzeugcrews und Energieunternehmen zum Beispiel. Denn ihnen können Sonnenstürme gefährlich werden. Doch auch Polarlichtfans freuen sich über gute Prognosen.

Tief unten infernalisches Wabern in Grün, oben zarte Vorhänge in Rot. Nur wenige Menschen haben das Himmelsfeuer so bestaunen können wie Don Pettit. 370 Tage war der NASA-Astronaut im All - und nach seinen Zwölf-Stunden-Schichten auf der Internationalen Raumstation (ISS) machte er oft stundenlang Fotos. Allein bei Pettits letztem Einsatz funkten er und seine Crew-Kollegen eine halbe Million Bilder zur Erde.

Kosmische Lichtshow

Das Polarlicht ließ den Amerikaner besonders staunen. In 400 Kilometern Höhe war er mittendrin in der kosmischen Lichtshow: "Es ist, als sei man auf Mini-Format geschrumpft und ins Innere einer Neonreklame gesperrt worden", beschreibt der 57-Jährige - noch immer hörbar fasziniert.

Auf Einladung der Europäischen Weltraumorganisation ESA hält Pettit einen Vortrag bei einem Weltraumwetterseminar im finnischen Rovaniemi - und unterhält die Gäste mit seinen spektakulärsten Nordlichtbildern und -filmen. Und das, obwohl das Phänomen hier am Polarkreis statistisch gesehen an 150 bis 200 Nächten im Jahr auftaucht, wenngleich nicht immer mit bloßem Auge sichtbar.

Verantwortlich für das Leuchtspektakel sind die rasend schnellen Teilchen des Sonnenwindes, vor allem Elektronen und Protonen. Die prasseln mit bis zu drei Millionen Kilometern pro Stunde auf die hohen Schichten der Atmosphäre. Dabei folgen die Partikel den Linien des Erdmagnetfeldes: Weil die bei den magnetischen Polen senkrecht nach unten führen, rasen die Partikel auf Kamikaze-Kurs den Teilchen der extrem dünnen Atmosphäre entgegen.

Ein Crash des Partikelstroms mit Sauerstoff-Ionen lässt den Himmel grün strahlen, wenn er in etwa hundert Kilometern Höhe stattfindet. Zusammenstöße in größeren Höhen hinterlassen rote Spuren. Pettit war auf der Raumstation genau dazwischen.

Der norwegische Physiker Kristian Birkeland hatte den Mechanismus bereits Ende des 19. Jahrhunderts postuliert - doch erst Jahrzehnte später wurden die Elektronen des Sonnenwindes von einer russischen Sonde erstmals nachgewiesen.

Vorhersagen nur eingeschränkt möglich

Bis heute lässt sich das Polarlicht nur eingeschränkt vorhersagen. Wichtig ist die Sonnenaktivität, die mehreren langfristigen Zyklen folgt. Doch Juha-Pekka Luntama, Esa-Experte für Weltraumwetter, sagt: "Große Sonnenstürme können auch bei niedriger Sonnenaktivität stattfinden."

Für die 150 Millionen Kilometer von der Sonne bis zur Erde braucht der Partikelexpress zwei bis vier Tage. So lang ist die maximale Vorwarnzeit, nachdem Satelliten wie "SDO", "Soho" oder die "Stereo"-Zwillinge ungewöhnliche Aktivität auf unserem Zentralgestirn registriert haben.

Das Problem: Die energiereichen Teilchen können den Solarpanelen und der Elektronik an Bord von Satelliten gefährlich werden, Flugzeugen ebenso. Auch die Präzision von Navigationssignalen schwindet im Partikelbombardement.

Mit verlässlichen Prognosen lassen sich solche Probleme minimieren, werben Luntama und seine Kollegen: Satelliten würden teilweise deaktiviert, Flugzeuge auf andere Routen geschickt, klassische Verfahren zur Navigation herangezogen. Am Boden seien Vorhersagen zum Sonnenwind ebenfalls wichtig - zum Beispiel, um bei einem großen Ausbruch die Stromnetze zu schützen. Dort kann es zu gefährlichen Überspannungen kommen.

Space Situational Awareness (SSA) heißt die professionelle Beobachtung unserer kosmischen Nachbarschaft. Das Weltraumwetter gehört dazu, ebenso die Verfolgung von Weltraumschrott und potentiell gefährlichen Asteroiden. Von den 20 ESA-Staaten machen allerdings nur 14 beim SSA-Programm mit - und auch die nicht in allen Bereichen.

"Die Vorhersage des Weltraumwetters ist heute da, wo die Meteorologie auf der Erde in den Fünfzigern war", sagt Minna Palmroth vom finnischen Wetterdienst FMI. Weil die Europäer gerade besonders aufs Geld achten müssen, wurde das SSA-Programm bei der vergangenen ESA-Ministerratstagung im Herbst 2012 ziemlich gerupft: Nur 46,5 Millionen Euro für vier Jahre stehen zur Verfügung.

Große Teleskope kann man dafür nicht kaufen, Satelliten auch nicht. Wohl auch deswegen wirbt die ESA mit ihrer Veranstaltung in Finnland für das Thema. Die Nordlichter sind dabei auch ein Mittel zum Zweck. Juha-Pekka Luntama kündigt unter anderem an, dass seine Leute in einigen Monaten eine Vorhersage für Polarlichtsucher vorstellen wollen.

Faszinierendes Phänomen

Denn das Phänomen ist faszinierend. Und so finden sich die Seminarteilnehmer am Ende des Tages auf dem Eis eines zugefrorenen Sees wieder, ein paar Kilometer südlich des lappländischen Städtchens Sodankylä. Der Sternenhimmel ist spektakulär, das Thermometer zeigt 27 Grad unter Null.

Die Forscher des nahen geophysikalischen Instituts haben mit dem Radarteleskop zumindest schwache Nordlichtsignale in der hohen Atmosphäre ausgemacht. Und tatsächlich: Im Norden beginnt es grün zu leuchten, ganz sanft. Die Vorhersage hat also gestimmt.

Man kann spüren, wie Astronaut Pettit unruhig wird. Er will noch ein paar Fotos machen.

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