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Tumor-OP durchs Augenlid


Neues Verfahren bei Gehirn-Eingriffen
Tumor-OP durchs Augenlid

Lauran Neergaard, AP

28.01.2015Lesedauer: 3 Min.
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Tumor-Patientin Pamela Shavaun Scott mit einem 3D-Modell ihres Schädels.Vergrößern des Bildes
Tumor-Patientin Pamela Shavaun Scott mit einem 3D-Modell ihres Schädels. (Quelle: AP Photo / Phil Klein)

Chirurgen

Die Kalifornierin Pamela Shavaun Scott lief von einem Arzt zum anderen und erhielt überall die gleiche Information: Der Tumor in ihrem Kopf könne nur über eine Schädelöffnung entfernt werden, der Eingriff sei mit Risiken verbunden. Scott suchte weiter, während das Meningeom hinter ihrem Auge unerbittliche Kopfschmerzen verursachte. Schließlich fand sie eine verblüffende Alternative - eine Operation durchs Augenlid.

Schonende Chirurgie ist noch selten

"Das Schöne daran ist, dass wir an Ihrem Kopf viel weniger absägen müssen", erklärte ihr die Augenspezialistin S. Tonya Stefko vom Medizinischen Zentrum der Universität von Pittsburgh (UPMC). Durch einen kleinen Schnitt in der Lidfalte wollten die Ärzte am Augapfel vorbei in das schwer erreichbare Zentrum des Kopfes kommen. Solch schonende Gehirnchirurgie ist bisher wenig verbreitet, dabei erhoffen sich die Mediziner durch das verminderte Trauma eine schnellere Genesung der Patienten.

Die Odyssee der 56-jährigen Scott zeigt, wie schwierig es für Patienten sein kann, alternative Methoden zu finden. Auf der Suche nach einer Expertenmeinung wandte sich Scott schließlich an das UPMC - zur Veranschaulichung hatte ihr Mann mit einem 3-D-Drucker ein lebensgroßes Modell ihres Schädels samt Tumor angefertigt. Aus Morro Bay in Kalifornien reiste sie für die Operation nach Pittsburgh. "Das Traurige ist, dass die Leute nicht wissen, dass es andere Möglichkeiten gibt als das, was ihnen ihr Kleinstadt-Arzt sagt", sagt Scott.

Die Stelle über und hinter den Augen an der Unterseite des Gehirns ist für Chirurgen schwer zugänglich. In der traditionellen Chirurgie wird der Schädel weit geöffnet, um den Medizinern viel Bewegungsspielraum zu geben. Zudem müssen sie an Teilen gesunden Gehirns vorbei: Die Ärzte warnten Scott daher vor einer eventuellen Schädigung ihrer Sehkraft oder sogar kognitiven Störungen.

Warnung vor zu großem Optimismus

Neue Wege ins Gehirn sind gefragt. Während manche Chirurgen schon erfolgreich durch die Nasengänge operieren, setzen die Ärzte in Pittsburgh auf das Auge: Paul Gardner, Leiter des Zentrums für Schädelbasischirurgie am UPMC, erklärt, die Augenhöhle sei wie eine Eistüte geformt mit der Spitze in Richtung Gehirnzentrum. Über die Lidfalte kommen die Chirurgen demnach durch diesen Kegel bis zum Knochen, der das Gehirn abschirmt. Dort werde ein Stück in der Größe von etwa zwei Briefmarken entfernt. Je nachdem, in welchem Winkel die Mediziner ins Gehirn vorstoßen wollen, kann auch in die Fältchen im Augenwinkel oder in die Augenbraue geschnitten werden.

Robert Harbaugh, Präsident des US-Verbandes der Neurochirurgen, warnt vor allzu großem Optimismus. Noch seien die neuen Ansätze nicht genügend untersucht: "Dies ist es wert, erforscht zu werden", sagt er. Doch "weil es neu ist, heißt es nicht, dass es unbedingt besser ist".

Genesung nach wenigen Tagen

So betont auch Neurochirurg Alfredo Quinones-Hinojosa von der Johns Hopkins Universität, diese Art der Chirurgie komme bisher nur in sorgfältig ausgewählten Fällen zum Einsatz. Zum einen dürften die Tumore nicht zu groß, zum anderen keine wichtigen Nervenstränge im Weg sein. Auch Patienten mit großen Nasennebenhöhlen lehne er ab, um sicherzustellen, dass der Operateur genügend Platz hat. Zudem wagten nur Spezialisten-Teams aus Augen- und Gehirnchirurgen den Eingriff übers Sehorgan. Und solche multidisziplinären Teams seien bisher rar.

Bei Scott dauerte die Tumorentfernung durch das Auge ein paar Stunden länger als eine Schädel-OP, doch dafür war sie schneller genesen: Als sie aufwachte, hatte sie nur ein blaues Auge. Zwei Wochen später saß sie wieder in ihrer Psychotherapie-Praxis - mit Sonnenbrille und sagt: "Ich fühle mich wie ein wandelndes Wunder."

Auch die Zahnärztin Deborah Boyer aus Indianapolis suchte monatelang Spezialisten für die Entfernung eines Hirntumors, der an kritischen Nerven und Blutgefäßen wuchs und Sehkraft und Motorik bedrohte. Sie studierte medizinische Fachzeitschriften im Internet und besuchte ausgewiesene "Kompetenzzentren", bis sie auf das UPMC stieß. Bei ihr entschied sich Gardner für den Weg durch den Augenwinkel. Boyer zufolge dauerte der Eingriff doppelt so lange wie mit konventioneller Chirurgie, doch nach vier Tagen sei sie schmerzfrei entlassen worden. "Die Leute brauchen Hilfe, um schneller an die richtigen Stellen zu kommen", sagt sie.

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