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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach jahrelangen Diskussionen Opfer rassistischer Attacke: Platz nach Eugeniu Botnari benannt

Rassismus war das Motiv: 2016 wird ein obdachloser Moldauer in Lichtenberg totgeschlagen. Jetzt trägt der Platz, in dessen Nähe die Tat geschah, seinen Namen. Der Weg dahin war lang – und umstritten.
Seit 2023 prangt ein großes Graffiti am Bahnhof Lichtenberg in Berlin. "Niemand ist vergessen" steht darauf. In unmittelbarer Nähe des Wandgemäldes gibt es ein Schild mit der Aufschrift "Eugeniu-Botnari-Platz". Darunter der Verweis: "In Erinnerung an alle Opfer extrem rechter, menschenverachtender Gewalt." Der Bahnhofsvorplatz, der am Montag (19. Mai) offiziell eingeweiht wird, ist nach einem Moldauer benannt. Er starb an den Folgen einer rassistisch motivierten Attacke, die sich an diesem Bahnhof zugetragen hatte.
Eugeniu Botnari wurde am 17. September 2016 im Edeka des Bahnhofs vom damaligen Filialleiter verprügelt und misshandelt. Der Supermarkt-Chef warf ihm wiederholten Diebstahl vor. Anstatt die Polizei zu rufen, brachte er Botnari in einen Lagerraum und schlug auf ihn ein. Dabei trug er sogenannte Quarzhandschuhe, die mit Quarzsand oder ähnlichen Materialien verstärkt sind und Opfer dadurch deutlich schwerer verletzen. Anschließend schickte der Filialleiter Botnari durch die Hintertür aus dem Geschäft.
Botnari lebte seit 2015 in Deutschland und hatte keinen festen Wohnsitz. Da er nicht krankenversichert war, lehnte er nach dem Angriff zunächst einen Arztbesuch ab. Aber sein Zustand verschlechterte sich, sodass er sich doch entschied, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am 19. September verlegte ihn ein Arzt wegen einer Hirnblutung in ein Krankenhaus, wo er einen Tag darauf an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas verstarb.
Filialleiter im Jahr 2017 zu Freiheitsstrafe verurteilt
Der Filialleiter wurde im Jahr 2017 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. In seiner Urteilsverkündung verwies der Richter laut dem "Tagesspiegel" auf die Menschenverachtung, den Rassismus und den Zynismus, den der Filialleiter demonstriert hatte: Er hatte von einer Überwachungskamera aufgenommene Videos der Tat an Kollegen verschickt – mit dem Kommentar "Moldawien zu Gast bei Freunden".
Zeugen machten laut Amadeu Antonio Stiftung zudem im Prozess deutlich, dass der Filialleiter solche Taten schon mehrfach gegen vermeintliche Diebe verübt haben soll. Bei den meisten Opfern soll es sich um Ausländer und Obdachlose gehandelt haben.
Auch Jana Adam, Projektleiterin beim Berliner Register, ordnet die Tat als rassistisch ein. Die Meldestelle dokumentiert extrem rechte und diskriminierende Vorfälle auf lokaler Ebene, um Problemlagen zu erkennen und darauf reagieren zu können.
Doch auch Sozialchauvinismus habe laut Adam eine Rolle gespielt. Die Attacke habe sich gegen einen Menschen gerichtet, der aufgrund seines sozialen Status nicht als gleichwertig angesehen wurde. "Bei solchen Fällen gibt es Täter, die glauben, wohnungslose Menschen hätten keine Rechte", so Adam. "Und dann gibt es Opfer, die nicht die Mittel haben, sich zu wehren und niemanden, der für sie einsteht oder der für sie spricht." Das sei eine schwierige Situation.
"Mahnung, dass solche Taten nicht nochmal passieren dürfen"
Die Gewalt gegen wohnungslose Menschen bereite ihr große Sorgen. "Gerade, wenn man die erstarkende rechte Jugendkultur aktuell in den Blick nimmt und die Baseballschläger-Jahre der 90er im Hinterkopf hat." Auch damals habe sich tödliche Gewalt gegen sozial schwache Menschen gerichtet.
Deshalb reagiere der Bezirk mit der Benennung des Eugeniu-Botnari-Platzes richtig. Dadurch werde für Gewalt gegen Obdachlose und deren Diskriminierung sensibilisiert. "Durch die Benennung des Platzes von Eugeniu Botnari ist er zum einen im öffentlichen Bewusstsein", sagt Adam. "Zum anderen ist der Platz eine Mahnung, dass solche Taten nicht noch mal passieren dürfen." Adam sagt, es sei ohnehin der Zivilgesellschaft zu verdanken, dass es den Eugeniu-Botnari-Platz heute gibt.
Es waren Einzelpersonen und Initiativen, die den Wunsch hatten, den Platz nach Botnari zu benennen. Durch einen offenen Brief brachten sie die Idee in die Bezirksverordnetenversammlung. Das war im Jahr 2020. Der offizielle Beschluss fiel dann erst im April 2023. In der Zwischenzeit wurde viel diskutiert.
Die FDP in Lichtenberg argumentierte etwa, dass Straßen und Plätze nach Menschen benannt werden sollten, die eine Lebensleistung vorzuweisen hätten. "So schrecklich es ist, Opfer eines rassistischen Angriffs zu werden, ist dies allein keine Lebensleistung", twitterte die Partei damals. Außerdem habe Botnari laut "Tagesspiegel" eine Flasche Schnaps stehlen wollen – nach Meinung der FDP ein weiteres Ausschlusskriterium.
Botnari: von Parteien und Medien "verunglimpft"
"Botnari wurde von manchen Parteien und Medien als Ladendieb verunglimpft und durch seine Obdachlosigkeit als ungleichwertig dargestellt", so Adam von der Meldestelle für extrem rechte und diskriminierende Vorfälle. Die "B.Z." hatte den Fall Botnari mit "Ehrung für einen totgeprügelten Ladendieb" betitelt.
Letztlich stimmten CDU, AfD und FDP aus verschiedenen Gründen gegen die Benennung des Eugeniu-Botnari-Platzes. Grüne, SPD und Linke stimmten dafür – mit Erfolg. Zwei weitere Jahre nach dem Beschluss dauerte es, bis das Schild am Bahnhof Lichtenberg aufgestellt wurde. Das lag laut Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) unter anderem an Diskussionen zur Beschriftung der Hinweistafel, wie sie in der "Taz" erklärt. Nun aber sei sie froh, den Platz einweihen zu können. Der Bezirk wolle ein klares Zeichen gegen die Ausgrenzung und Diskriminierung von Obdachlosen und migrantischen Personen setzen.
- Telefonat mit Jana Adam vom Berliner Register
- Reporter vor Ort
- amadeu-antonio-stiftung.de: "Eugeniu Botnari"
- berlin.niemandistvergessen.net: "Eugeniu Botnari"
- berlin.de: Pressemitteilung des Bezirksamtes Lichtenberg vom 29. April 2025
- berlin.de: Pressemitteilung des Bezirksamtes Lichtenberg vom 20. April 2023
- tagesspiegel.de: "Berlin benennt Platz nach Opfer rechter Gewalt"
- taz.de: "Spätes Gedenken an ein Opfer rassistischer Gewalt"