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Corona in Schulen: "Infektionen werden billigend in Kauf genommen"


Kein Weiter-so
Infektionen in Schulen werden billigend in Kauf genommen

MeinungGastbeitrag des Berliner GEW-Landesvorsitzenden

07.12.2020Lesedauer: 3 Min.
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Berliner Schüler und Schülerinnen sitzen bei geöffnetem Fenster im Klassenraum: Tom Erdmann kritisiert die Intransparenz der Corona-Maßnahmen der Berliner Bildungsverwaltung.Vergrößern des Bildes
Berliner Schüler und Schülerinnen sitzen bei geöffnetem Fenster im Klassenraum: Tom Erdmann kritisiert die Intransparenz der Corona-Maßnahmen der Berliner Bildungsverwaltung. (Quelle: imagebroker/Rolf Schulten/Symbolbild/imago-images-bilder)

Schulklassen sollen halbiert werden: In seinem Gastbeitrag für t-online fordert Tom Erdmann, Berliner Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von der Politik konsequente Maßnahmen, um den Schulbetrieb nicht zu gefährden.

Seit März sind Schulen und Kitas im Krisenmodus. Das Lernen zu Hause ist plötzlich wieder Voraussetzung für Bildungserfolg – und das in Zeiten, in denen über einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschule diskutiert wird. Die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft tritt immer stärker zutage. Ein bildungspolitischer Rollback.

Es wird immer wieder beteuert, dass es keine Infektionen in den Schulen gibt, sondern diese "nur" hineingetragen werden. Studien aus Israel und Frankreich belegen aber Ansteckungen in Schulen. Und wenn in Berlin nur sechs Prozent der Infektionen nachverfolgt werden können, dann ist die These nicht mehr haltbar, dass es keine Infektionen in Schulen gibt. Die Inzidenz unter Lehrkräften in NRW ist mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der erwachsenen Bevölkerung.

Schulen sollen offenbleiben

Zu Schuljahresbeginn haben wir pädagogischen Fachkräfte versprochen, dass wir für die Schülerschaft da sind, egal, wie groß die Herausforderungen auch sein mögen. Um es klar zu sagen: Wir wollen, dass die Schulen offenbleiben. Lehr- und Erziehungskräfte haben im zurückliegenden Dreivierteljahr mehr für die Digitalisierung von Schule beigetragen als alle Beiräte, runden Tische oder Kommissionen der letzten fünf Jahre zusammen. Sie haben ihre Verantwortung für gute Bildung unter Pandemiebedingungen wahrgenommen. Und das alles unter Benutzung ihrer eigenen Geräte, Lizenzen und Accounts. Und was macht die Politik? Sie verordnet Stoßlüften und achtstündige Maskenpflicht in den Schulen ohne Atempausen. Dabei wissen wir, dass zu viele Schulen noch immer in einem erbärmlichen Zustand sind und die Fenster mit vier Schrauben an vier Ecken im Rahmen verankert sind. Instandsetzungsoffensive? Fehlanzeige!

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Die Bildungsverwaltungen der Länder sind in der Verantwortung, Maßnahmen zu ergreifen, um die Schulen sicher zu machen: Schutzmasken, Luftfilter, Waschbecken, Testkapazitäten. Für Berlin haben wir mit einem Bündnis aus Schulleitungen, Eltern, Schülerschaft und Personalräten ein Investitionsprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro gefordert. Erst in diesem November, Monate nach Schuljahresstart und mit den höchsten Infektionszahlen seit Beginn der Corona-Pandemie, haben die ersten Bundesländer FFP2-Schutzmasken an die Schulbeschäftigten ausgeteilt. In Berlin gut zwei Stück pro Person. Einmalig. Während wir pädagogischen Fachkräfte alles dafür gegeben haben, für die Schülerschaft beste Bildung zu ermöglichen, trifft die Runde der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen keine Entscheidung.

Infektionen an den Schulen werden billigend in Kauf genommen. An keinem anderen Ort kommen aktuell so viele Menschen in geschlossenen Räumen ohne Abstand zusammen wie in der Schule.

Intransparente Entscheidungen

Mit Hilfe des Berliner Corona-Stufenplans legen die Gesundheitsämter in Absprache mit der Schulaufsicht fest, welche Eindämmungsmaßnahmen greifen sollen. Die Kriterien für die Maßnahmen werden aber nicht transparent kommuniziert. Das entsprechende Schaubild der Berliner Bildungsverwaltung ähnelt eher einem Würfelspiel als einem Leitfaden. Je weniger Transparenz und einheitliche Standards, desto mehr entsteht der Eindruck, dass es sich um politische Entscheidungen handelt.

Wir fordern das Wechselmodell! Es braucht mehr Abstand, um bei einem Corona-Fall nicht gleich Hunderte Schüler und Schülerinnen sowie Pädagogen und Pädagoginnen in Quarantäne schicken zu müssen und den Unterricht dann aufgrund fehlender Vorbereitungsmöglichkeiten tatsächlich zum Erliegen kommen zu lassen. Und in kleineren Klassen lernen Kinder effektiver. Nur so lässt sich der Schulbetrieb den Winter über verlässlich aufrechterhalten. Wir müssen vermeiden, dass wir wieder unvorbereitet in den vollständigen Lockdown rutschen.

Am Regelbetrieb wird festgehalten

Auf Teufel komm raus halten die Kultusministerien am Dogma des "Regelbetriebs" fest. Doch das ist Augenwischerei. Durch krankheits- oder quarantänebedingtes Fehlen der pädagogischen Fachkräfte fällt Unterricht aus. Im November berichtete mir eine Kollegin, dass 47 der 83 Personen des Kollegiums krank oder in Quarantäne sind. Wie soll Schule so funktionieren?

Zumindest in den ersten beiden Wochen nach den Weihnachtsferien müssen die Klassen der weiterführenden Schulen halbiert werden, um auf die zu erwartenden steigenden Infektionszahlen zu reagieren. Wir erleben einen schleichenden Lockdown der Schulen. Neben dem Gesundheitsschutz muss es unser gemeinsames Ziel sein, die negativen Folgen auf die Schülerschaft aufzufangen. Daher sagen wir: Lieber weniger Schule verlässlich für alle, als dass wir einige Schülerinnen und Schüler über Wochen von Schule ausschließen müssen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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