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Berlins Ex-Bürgermeister Müller blickt zurück: "Ja, ich fühle mich sicher in Berlin"


Ex-Bürgermeister Müller
"Die Aggressivität gegenüber Einsatzkräften besorgt mich"

InterviewVon t-online, ASS

28.12.2021Lesedauer: 5 Min.
Berlins ehemaliger Bürgermeister Michael Müller (Archivbild): Nach sieben Jahren als Regierender Bürgermeister wurde der SPD-Politiker 2021 in den Bundestag gewählt.Vergrößern des BildesBerlins ehemaliger Bürgermeister Michael Müller (Archivbild): Nach sieben Jahren als Regierender Bürgermeister wurde der SPD-Politiker 2021 in den Bundestag gewählt. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Nach sieben Jahren ist Schluss: Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Michael Müller wechselt in den Bundestag. Mit t-online schaut er auf das vergangene Jahr zurück. Dieses Mal: die Kriminalität in Berlin.

Als Regierender Bürgermeister saß Michael Müller (SPD) jahrelang auf dem Chefsessel des Roten Rathauses in Berlin. Nach sieben Jahren im Amt wurde er nun am 21. Dezember von seiner Parteikollegin Franziska Giffey abgelöst und wechselt von der Landes- in die Bundespolitik. Bei der Wahl im September gewann er ein Direktmandat und zog in den Bundestag ein.

Mit t-online hat der Ex-Bürgermeister auf das vergangene Jahr zurückgeblickt. Ist die Hauptstadt 2021 sicherer geworden? Wie groß ist das Problem der Clan-Kriminalität in Berlin wirklich?

Hinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt.

t-online: Wie sicher ist Berlin? Fühlen Sie sich in der Hauptstadt sicher?

Michael Müller: Ja, ich fühle mich sicher in Berlin. Wahr ist aber: Wir sind eine Stadt mit fast vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und da finden selbstverständlich, wie in allen Metropolen der Welt, täglich eine Vielzahl an Straftaten statt.

Erfreulich ist, dass die jüngste Statistik einen Gesamtrückgang der Straftaten aufweist. Zugleich hat die Aufklärungsquote den höchsten Wert seit zehn Jahren erreicht. Die Kriminalitätsdaten aus dem Jahr 2020 sind natürlich aber unter der besonderen Situation der pandemiebedingten Einschränkungen zu betrachten.

Welches Kriminalitätsphänomen drängt Ihrer Meinung nach in Berlin am meisten?

Rein mengenmäßig machen Diebstahlsdelikte in unserer Stadt die größte Straftatengruppe aus, allerdings gibt es kontinuierliche Rückgänge, zum Beispiel beim Fahrrad-, Kfz- und Taschendiebstahl. Aufgrund der Fallzahlenentwicklung und der Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben sowie der Schutzwürdigkeit der Opfer liegt der Fokus in der Kriminalitätsbekämpfung derzeit auf der politisch motivierten Kriminalität, der Cybercrime- und der sogenannten Clan-Kriminalität – also der Kriminalität durch Angehörige von ethnisch abgeschotteten Familienstrukturen. Auch die Organisierte Kriminalität und die Bekämpfung der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie stehen im Fokus.

Was mich persönlich besorgt, ist die Zunahme der Angriffe und die Aggressivität gegenüber Polizisten und Rettungskräften, die unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie ihre Arbeit verrichten. Das ist inakzeptabel und verurteile ich zutiefst.

Das Gleiche gilt für antisemitische, rassistische und homophobe Übergriffe, die wir nicht dulden oder hinnehmen dürfen. So etwas darf weder in Berlin noch irgendwo anders passieren. Gegen die Feinde unserer Demokratie, unserer Werte und unserer Freiheit müssen wir uns als Gesellschaft entschieden wehren. Berlin ist die Stadt der Freiheit und wird es auch bleiben.

Wie groß ist das Problem der Clan-Kriminalität in der Hauptstadt wirklich?

Es gibt nichts drum herumzureden: Es gibt in diesem Zusammenhang Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Und jede einzelne muss verfolgt werden. Es handelt sich dabei aber nicht immer um spektakuläre und medienwirksame Straftaten. Es beginnt mit kleineren Regelverstößen, geht über Allgemeinkriminalität bis zur Bandenkriminalität und erreicht in der stärksten Ausprägung das, was als Organisierte Kriminalität bezeichnet wird.

Gegen diese Kriminalitätsform geht der Berliner Senat seit 2018 entschlossen mit einem Fünf-Punkte-Plan vor. Dieser sieht das konsequente Eingreifen der Ermittlungsbehörden schon bei Ordnungswidrigkeiten, die Einziehung illegal erlangten Vermögens, eine verstärkte Gewerbe- und Finanzkontrolle, ein Präventions- und Ausstiegskonzept sowie die Verbesserung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit vor.

2020 hat die Polizei Berlin beispielsweise 240 Einsätze zur Bekämpfung der sogenannten Clankriminalität durchgeführt, davon 71 Einsätze im Verbund mit anderen Behörden. Das zeigt: Wir halten den Kontrolldruck in dem Bereich aufrecht. Die Regeln unseres Rechtsstaats gelten ausnahmslos für alle.

Was wurde im vorigen Jahr unternommen, um gegen organisierte Kriminalität vorzugehen?

Kriminelle machen vor Ländergrenzen nicht Halt. Deshalb arbeiten wir bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eng mit ausländischen Sicherheitsbehörden zusammen. Dies geschieht beispielsweise durch internationale Kooperationen und Vereinbarungen in Form von sogenannten Joint Investigation Teams (JIT) oder gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Darüber hinaus haben wir in Berlin die Ermittlungsdienststellen personell verstärkt, einen besonderen Fokus auf die zeitnahe Vermögensabschöpfung gelegt und die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft intensiviert.

Dass unser Weg erfolgreich ist, zeigt der Blick in die Zahlen: 2020 haben wir in Berlin insgesamt 64 Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität mit insgesamt 498 Tatverdächtigen geführt. Dabei wurden Vermögenswerte von rund 2,3 Millionen Euro sichergestellt. Wir werden auch weiter auf allen Ebenen gegen die offen zur Schau getragene Verletzung unserer rechtsstaatlichen Regeln vorgehen.

Was wurde im vergangenen Jahr unternommen, um Polizei, Ordnungsämter und Justiz zu stärken?

In den vergangenen fünf Jahren hat es einen massiven Personalzuwachs bei der Polizei, den Ordnungsämtern und in der Justiz gegeben. Bei der Polizei wurden beispielsweise 2.260 zusätzliche Stellen geschaffen, davon 1.713 im Polizeivollzugsdienst. Damit ist mehr Polizei auf der Straße sichtbar, und zwar in der ganzen Stadt. Auch das Landeskriminalamt wurde zur effektiveren Kriminalitätsbekämpfung mit mehreren Hundert Stellen verstärkt. Schließlich haben wir neben dem Personal auch die Infrastruktur verbessert, etwa durch bauliche Maßnahmen, Investitionen im IT-Bereich oder weitere Mittel für die Fahrzeugbeschaffung.

Die bezirklichen Ordnungsämter haben seit März 2020 einen großen Teil der Corona-Kontrollen wahrgenommen. Dafür wurden sie von anderen Aufgaben entlastet. Zugleich werden viele neue Kräfte für den Allgemeinen Ordnungsdienst an der Verwaltungsakademie Berlin qualifiziert.

In der Justiz haben wir über 500 neue Stellen geschaffen. Erstmals seit 2005 wird die Berliner Justiz mit dem Kathreiner-Haus am Kleistpark bald auch wieder ein zusätzliches Gerichtsgebäude erhalten, in das nach Sanierung das Verwaltungsgericht einziehen wird.

Im Bund wird die Legalisierung von Cannabis diskutiert: Was würde die Freigabe von Cannabis aus Ihrer Sicht für Berlin bedeuten? Entwickelt oder verhindert die Legalisierung eine offene Drogenszene?

Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht zunächst einmal vor, dass die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften künftig erlaubt sein soll. Wie das genau durch ein Bundesgesetz ausgestaltet wird, ob unmittelbar für die gesamte Bundesrepublik der Verkauf an Erwachsene umgesetzt wird oder zunächst Modellprojekte durchgeführt werden, bleibt abzuwarten.

Auf jeden Fall werden wir die Effekte im Detail analysieren und evaluieren müssen. Ich persönlich bin jedoch skeptisch, was die Legalisierung von Cannabis angeht. Wenn es aber so kommt, ist mir dabei natürlich besonders wichtig, dass wir den Jugendschutz im Blick behalten.

Was die offene Drogenszene angeht: Aktuelle Studien zeigen uns, dass die illegalen Drogenverkaufsstrukturen, die wir in Berlin vorfinden, Angst und Unsicherheit produzieren. Ob der kontrollierte Verkauf in institutionalisierten Läden tatsächlich eine offene und problematische Drogenszene reduzieren könnte? Ich bin da unsicher. Präventionsangebote in Form der analysegestützten Drogenberatung, dem sogenannten Drugchecking, oder von Drogenkonsumräumen werden aber auf jeden Fall von großer Bedeutung bleiben.

Vielen Dank für das Interview!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Michael Müller per Mail
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