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Nationaler Sicherheitsrat: Was über das Projekt bekannt ist


Für Krisen rüsten
Merz will eine jahrzehntealte Forderung umsetzen


04.05.2025 - 18:01 UhrLesedauer: 5 Min.
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Friedrich Merz spricht auf dem kleinen Parteitag der CDU: Der Bundeskanzler in spe will einen Nationalen Sicherheitsrat einrichten. (Quelle: IMAGO/FRANK TURETZEK/imago)
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Die künftige schwarz-rote Bundesregierung will einen Nationalen Sicherheitsrat gründen. Experten fordern das seit Langem, dennoch bleibt der Koalitionsvertrag vage. Was bisher bekannt ist.

Friedrich Merz und seine künftige schwarz-rote Bundesregierung wollen ein Projekt anpacken, an dem schon einige Vorgänger gescheitert sind. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, einen Nationalen Sicherheitsrat zu schaffen: "Wir entwickeln den Bundessicherheitsrat, im Rahmen des Ressortprinzips, zu einem Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt weiter", heißt es in dem Papier.

Seit mehr als 20 Jahren fordern Experten ein solches Gremium. Merz will den Nationalen Sicherheitsrat wieder auf die Tagesordnung bringen. Grund dafür dürfte die Vielzahl internationaler Krisen sein, die die künftige Bundesregierung bewältigen muss.

Doch welche Aufgaben soll ein solcher Rat innerhalb der Bundesregierung übernehmen? Und wie konkret sind die schwarz-roten Pläne wirklich? t-online gibt einen Überblick.

Wozu braucht es einen Nationalen Sicherheitsrat?

Insbesondere seit den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 wird immer deutlicher, dass innere und äußere Bedrohungen nicht mehr so einfach voneinander zu trennen sind. Zuletzt scheiterte noch die Ampel an der Uneinigkeit, ob der Rat ans Kanzleramt oder an das Auswärtige Amt angebunden werden sollte. Das Projekt verlief im Sande. Einzig eine Nationale Sicherheitsstrategie brachten SPD, Grüne und FDP zu Papier.

Spätestens seit Russlands Vollinvasion der Ukraine im Februar 2022 haben sich die zu bewältigenden Krisen für die Bundesregierung vervielfacht. Auch im Nahen Osten ist nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 Krieg entbrannt. Hybride Angriffe nehmen europaweit zu. Und die innere Sicherheit steht nach mehreren Terroranschlägen auf deutschem Boden sowie Problemen in der Migrationspolitik ebenso zunehmend auf dem Prüfstand.

Ein weiterer Weckruf war der Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Lehren aus Afghanistan" vom Januar 2025. Im Rahmen der Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes von 2001 bis 2021 wurde deutlich, dass die ressortübergreifende Koordination innerhalb der Bundesregierung in Sicherheitsfragen verbessert werden muss.

Sowohl die Union als auch FDP und AfD forderten in dem Bericht einen Nationalen Sicherheitsrat. CDU und CSU sowie die Liberalen schrieben diese Forderung auch in ihre Wahlprogramme, bei SPD und Grünen fand sich das Thema nicht wieder. In den Koalitionsverhandlungen sperrten sich die Sozialdemokraten zunächst noch gegen die Einrichtung.

Wie stellt sich die schwarz-rote Koalition den Nationalen Sicherheitsrat vor?

Im Koalitionsvertrag nimmt das Thema lediglich zwei Absätze ein. Union und SPD haben demnach zwar Vorstellungen für einen Ansatz zur Bildung des Gremiums und für mögliche Aufgaben. Wie der Rat strukturell aufgebaut sein wird, lässt der Vertrag jedoch offen.

Immerhin: Der Nationale Sicherheitsrat soll sich aus dem bereits bestehenden Bundessicherheitsrat entwickeln. Dieser berät die Bundesregierung in Sicherheitsfragen.

Abseits von Genehmigungen für Rüstungsexporte hört die Öffentlichkeit jedoch selten von dem Kabinettsausschuss. Dem Bundessicherheitsrat gehören neben dem Bundeskanzler und seinem Kanzleramtschef auch die Minister des Auswärtigen, der Verteidigung, der Finanzen, des Inneren, der Justiz, der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit an. Beratend kommen noch der Bundeswehr-Generalinspekteur, die Chefs von Bundespräsidial- und Bundespresseamt sowie der Beauftragte für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle hinzu.

Der Nationale Sicherheitsrat soll laut Koalitionsvertrag dem Ressortprinzip folgen. Ferner gibt das Papier dem Rat mehrere Aufgaben: "Er soll die wesentlichen Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, Strategieentwicklung und strategische Vorausschau leisten, eine gemeinsame Lagebewertung vornehmen und somit das Gremium der gemeinsamen politischen Willensbildung sein." Welche Ministerien und Behörden genau beteiligt sind, geht aus dem Vertrag nicht hervor.

Weiterhin plant Schwarz-Rot zwei weitere Gremien zur Komplementierung des Nationalen Sicherheitsrats: "Für eine ganzheitliche Bewältigung von Krisen braucht Deutschland einen Bund-Länder- und ressortübergreifenden Nationalen Krisenstab der Bundesregierung und ein Nationales Lagezentrum im Bundeskanzleramt, in dem ressortübergreifend ein Gesamtlagebild zusammengefügt wird."

Was sagen Experten zum Nationalen Sicherheitsrat?

Der deutsche Sicherheitsexperte Peter Neumann vom King's College in London hat einen eigenen Vorschlag für die Struktur des Rats vorgelegt. Demzufolge übernimmt der Bundeskanzler den Vorsitz des Nationalen Sicherheitsrats.

Darüber hinaus sollen das Innenministerium, das Verteidigungsministerium, das Auswärtige Amt, das Kanzleramt sowie die Ministerien für Finanzen und Wirtschaft angeschlossen sein. Externe Mitglieder wären die Präsidenten des Bundesnachrichtendiensts und des Bundesamts für Verfassungsschutz sowie des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei, des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik und der Generalinspekteur der Bundeswehr.

Im Vergleich zum Bundessicherheitsrat wäre das Gremium also größer. Hinzu können in den Vorstellungen von Neumann nach Bedarf und Thema weitere Vertreter von Bund und Ländern sowie Berater aus Wirtschaft und Wissenschaft kommen. Außerdem spricht sich Neumann für den Posten eines Nationalen Sicherheitsberaters aus, der die Bundesregierung unabhängig beraten soll.

Der Sicherheitsexperte nennt sieben Aufgaben für das Gremium:

  • Entwicklung einer nationalen Sicherheitsstrategie
  • Lagebild-Erstellung und Gefahreneinschätzung
  • Krisenmanagement
  • Interministerielle Koordination (z. B. Innen, Verteidigung, Außen)
  • Themenübergreifende Koordination: Hybride Kriegsführung, Pandemien etc.
  • Zusammenarbeit der Nachrichtendienste
  • Schutz der Cyber- und Wirtschaftssicherheit

Der Nationale Sicherheitsrat sollte sich laut Neumann alle vier Wochen treffen, in Krisenlagen jedoch auch ad hoc. Darüber hinaus spricht sich der Sicherheitsexperte für die Bildung sogenannter Taskforces aus, etwa in der Cybersicherheit.

Mit seinem Vorschlag orientiert sich Neumann an ähnlichen Strukturen in Frankreich, Großbritannien und den USA. Der Politikwissenschaftler will bewährte Prinzipien von den Partnern übernehmen, den Nationalen Sicherheitsrat jedoch an deutsche Begebenheiten wie den Föderalismus anpassen, sodass die Länder mehr Mitsprache haben.

Wie das Portal "The Pioneer" berichtet, soll Neumann selbst Interesse haben, das Gremium zu leiten. Als damaliger Kanzlerkandidat erwog Armin Laschet (CDU) ihn in seinem Schattenkabinett schon 2021 für diese Position. Daraus ist jedoch nichts geworden, Laschet und die Union verloren die Bundestagswahl.

Die Politologin Sarah Bressan von der Denkfabrik Global Public Policy Institute wies in einem Beitrag für "Table.Media" im Januar darauf hin, dass ein Nationaler Sicherheitsrat allein nicht alle Defizite der deutschen Sicherheitspolitik lösen könne. Sie unterstrich die Bedeutung eines wissenschaftlichen Stabs, der in Fragen der strategischen Vorausschau berät. Eine Reform des bestehenden Bundessicherheitsrates würde nicht ausreichen, schrieb sie.

Welche innenpolitischen Herausforderungen gibt es?

Magdeburg, Aschaffenburg, München, Mannheim: Insbesondere in den Monaten vor der Bundestagswahl häuften sich die Anschläge in Deutschland, die Motive waren verschieden. Die Vorfälle zeigten, wie schutzlos das Land solchen Anschlägen ausgeliefert ist. Teilweise waren die Täter bereits polizeibekannt, doch die Zusammenarbeit zwischen Behörden klappte länderübergreifend häufig nicht. Zudem gab es vermehrt Angriffe auf Bundeswehrkasernen und kritische Infrastruktur.

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Daher wird es für eine neue Bundesregierung eine Aufgabe, die Kooperation unter den Polizeibehörden und Geheimdiensten zu verbessern. Teilweise überschneiden sich die Ermittlungen, Erkenntnisse dürfen aber nicht geteilt werden.

Allerdings dürften in diesen Fällen auch der ebenfalls neu eingerichtete Nationale Krisenstab der Bundesregierung und das Nationale Lagezentrum von Bedeutung sein. Die Regierung muss bei der Einrichtung also klar definieren, welche Organisation welche Zuständigkeiten erhält. Sonst drohen hier Parallelstrukturen, die eigentlich vermieden werden sollten.

Welche außenpolitischen Herausforderungen gibt es?

Die künftige Bundesregierung steht in der auswärtigen Sicherheitspolitik gleich vor mehreren Herausforderungen. Über allem schweben zwei große Unwägbarkeiten: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Donald Trump.

Hier ist vor allem schnelles Handeln und die Absprache mit den europäischen Partnern gefragt. Denn die USA fahren aktuell unter Präsident Trump einen erratischen Kurs in ihrer Ukraine-Politik. Am Freitag kündigte die US-Regierung dann an, nicht mehr als Vermittlerin zwischen der Ukraine und Russland auftreten zu wollen. Außerdem setzt Trump Deutschland und die EU mit seiner Handelspolitik unter Druck.

Die russische Bedrohung Europas geht jedoch darüber hinaus. Experten gehen davon aus, dass Russland in den kommenden Jahren eine Konfrontation mit der Nato suchen könnte. Schon jetzt steht Russland im Verdacht, europaweit hybride Angriffe zu forcieren. Mit Blick auf diese Herausforderung beabsichtigt die Mehrzahl der europäischen Staaten, für eine effektivere Abschreckung aufzurüsten. Auch dieser Punkt erfordert eine schnelle und effektive Koordination.

Zudem haben der Krieg im Nahen Osten, aber auch der Zerfall des Assad-Regimes in Syrien gezeigt, dass sich sicherheitspolitische Krisen in kürzester Zeit entwickeln können. Mit einer guten strategischen Koordination könnte eine Bundesregierung schneller auf solche Entwicklungen reagieren, so die Hoffnung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD: "Verantwortung für Deutschland"

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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