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Bremen: Wo die Vier-Tage-Woche schon ein Erfolg ist


Flexible Arbeitszeit
"Zufriedener und mehr Umsatz": Wo die Vier-Tage-Woche in Bremen gut funktioniert

  • Katharina Grimm
Von Katharina Grimm

Aktualisiert am 05.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein Bremer Friseursalon hat auf das Vier-Tage-Modell umgestellt (Symbolbild). (Quelle: Christophe Gateau/dpa/Symbolbild/dpa-bilder)

Die Rufe nach flexibleren Arbeitszeitmodellen werden lauter. Einige Arbeitgeber haben umgestellt – und den Schritt nicht bereut. Dennoch tun sich viele Firmen schwer.

Für Detlef Gehlhaar ist die Sache klar: Die Vier-Tage-Woche ist ein voller Erfolg. Nach der Corona-Pandemie setzte der Friseur in seinem Salon auf Veränderung, denn für Gehlhaar konnte es so nicht weitergehen. Also wurde im "Headhunter" am Sielwall im Bremer Viertel alles anders: Statt Billig-Haarschnitt ohne Termin gibt es jetzt Qualitätsfrisuren. Und: An drei Tagen in der Woche ist der Laden dicht. "Ich ärgere mich fast, die Vier-Tage-Woche nicht schon früher umgesetzt zu haben", sagt Gehlhaar zum "Weserreport".

Vier Tage arbeiten, drei Tage freihaben: So sieht eine der alternativen Arbeitszeitmodellen aus. Vor allem jüngere Mitarbeiter fordern die Abkehr von der starren Fünf-Tage-Woche. Bei einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung gaben knapp 73 Prozent an, gerne eine Arbeitszeitreduzierung umzusetzen, wenn das Gehalt nicht sinken würde. Weitere acht Prozent würden sogar finanzielle Einschnitte hinnehmen, bei geringerer Arbeitszeit. Auch einige Gewerkschaften, wie die IG Metall, fordern die Vier-Tage-Woche.

Vier-Tage-Woche sorgt für geringeren Krankenstand

Ein jüngst abgeschlossenes Experiment, das größte seiner Art zu dem Thema Vier-Tage-Woche, in Großbritannien zeigt: Die Mitarbeiter sind ausgeruhter, engagierter und vor allem seltener krank. Die Produktivität sei bei einigen Firmen gesteigert worden. So gaben von den 61 Firmen, die bei dem Testlauf mitgemacht haben, 56 an, das Vier-Tage-Modell beizubehalten.

Auch bei Friseur Gehlhaar hat sich die Umstellung ausgezahlt. "Meine Mitarbeiter sind zufriedener, arbeiten schneller und machen dadurch mehr Umsatz", sagte er dem "Weserreport". Seine vier Angestellten arbeiten nur noch Dienstag bis Freitag, an diesen Tagen allerdings immer eine halbe Stunde länger. Ihr Gehalt hat sich nicht verändert. "Die Vier-Tage-Woche kann nur bei vollem Lohnausgleich funktionieren", so Gehlhaar.

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Auch Sylvia Heißenhuber hat ihre Firma "Siebdruck Center" umgestellt. Dort arbeiten die Mitarbeiter 37,5 Stunden. Allerdings können sie sich aussuchen, ob sie das an vier oder fünf Tagen in der Woche tun möchten. "Angst vor Veränderung bedeutet Stillstand. Und wir hatten ja nichts zu verlieren", sagt Sylvia Heißenhuber dem Regionalmagazin "buten un binnen". "Überraschenderweise haben alle Kunden sehr positiv reagiert. Wenn es doch mal Probleme gibt, was sehr selten vorkommt, finden wir aber immer eine Lösung." Ganz konsequent kann sie die Vier-Tage-Woche noch nicht umsetzen, je nach Krankenstand oder Auftragslage. Dennoch: Die Chefin hält an dem System fest, erzählte sie dem "Weserreport".

Firme kritisieren Vier-Tage-Woche

Doch viele Firmen tun sich schwer mit einer Vier-Tage-Woche. Die Unternehmen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie ihre Mitarbeiter zwar weniger arbeiten lassen, aber dabei voll bezahlen müssen. "Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr", sagte Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius im Frühjahr zur "Bild am Sonntag". "Unsere Industrie befindet sich in einer Jahrhundert-Transformation. Da müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Sonst verlieren die deutschen Autohersteller ihren Spitzenplatz auf der Welt."

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Auch Marcel Christmann von den Unternehmerverbänden Bremen hat die Sorge, dass sich der Fachkräftemangel eher vergrößere durch eine Vier-Tage-Woche. "Allerdings ist eine Fachkraft, die mir an vier Tagen die Woche zur Verfügung steht, besser als eine, die gar nicht da ist", sagt Christmann. "Geht nicht" könnten sich die Arbeitgeber nicht mehr leisten.

Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte vom IW Köln, sieht die Vier-Tage-Woche ebenfalls kritisch. Die Ergebnisse des Tests aus Großbritannien könne man nicht einfach auf Deutschland umlegen. Zudem hätten daran vor allem Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich teilgenommen. Dort sei eine solche Redaktion machbar. Schwierig bis unmöglich würde es in den Bereichen Pflege, Soziales und Gesundheit, erzählt der Experte in einem "SWR"-Interview. Zum einen würde das Pflege, Kinderbetreuung und Gesundheitsleistungen drastisch verteuern. Zum anderen: Schon jetzt fehlen Fachkräfte in diesem Bereich. Wie sollte die Arbeit noch erledigt werden, wenn die Leute weniger arbeiten?

Fachkräftemangel als Problem

Der Fachkräftemangel ist tatsächlich ein Hebel, den Unternehmer sehen. Der Friseur Detlef Gehlhaar bekommt deutlich mehr Bewerbungen. Sein Unternehmen sei viel attraktiver für Bewerber geworden. Im Werben um Mitarbeiter kann die Vier-Tage-Woche also durchaus ein Vorteil sein. Allerdings: Viele Firmen argumentieren dagegen. Statt die Arbeitszeit zu reduzieren, müssen die rar gewordenen Mitarbeiter eigentlich mehr arbeiten, um das Pensum noch zu schaffen. "Es gibt und wird auch künftig weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt geben. Das heißt, es braucht von den übrigen Menschen mehr Arbeitskraft", sagt auch Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen zum "Weserreport".

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Die Kunden der Siebdruckfirma von Sylvia Heißenhuber mussten sich umstellen. Ihre Aufträge konnten sie nicht mehr wie gewohnt am Freitag abholen. Aber insgesamt hätten die Kunden Verständnis gezeigt. "Manche nehmen es auch zum Anlass, über ihre eigenen Strukturen nachzudenken", sagte Heißenhuber zu "buten und binnen". "Einer unserer Kunden hat auch die Vier-Tage-Woche eingeführt."

Verwendete Quellen
  • boeckler.de: Pressemitteilung vom 8. Mai 2023
  • butenunbinnen.de: "4-Tage-Woche und voller Lohn? So klappt's in Bremer Unternehmen"
  • tagesschau.de: "Weniger Fehltage durch Vier-Tage-Woche"
  • weserreport.de: "Nur noch an vier Tagen arbeiten"
  • bild.de: "Fahren wir nur noch hinterher, Herr Mercedes-Chef?"
  • swr.de: Experte: "Vier-Tage-Woche ist in Deutschland nicht realistisch"
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