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Clan-Konflikt in NRW: Diese Fake-News führten zu den Massenschlägereien


Erst Kinder-Streit, dann Massenprügelei
Essener Ratsherr: Diese Fake-News heizen den Clan-Konflikt an

Von t-online, olf

Aktualisiert am 07.08.2023Lesedauer: 3 Min.
Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Massenschlägerei in Castrop-Rauxel.Vergrößern des BildesDie Männer wurden nach der Schlägerei in Castrop-Rauxel festgesetzt (Archivbild): Was war der wahre Grund für die Eskalation? (Quelle: Justin Brosch)
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Seit einer Woche brodelt der Streit zwischen Großfamilien im Ruhrgebiet. Das Internet und diverse Falschnachrichten spielen eine große Rolle.

In den vergangenen Tagen haben sich Großfamilien aus Syrien und dem Libanon im Ruhrgebiet gewalttätige Auseinandersetzungen geliefert. Bei den Schlägereien in Castrop-Rauxel und Essen war von mehreren Hundert Beteiligten die Rede. Es sollen zusätzlich zahlreiche Hieb- und Stichwaffen sowie eine Maschinenpistole gefunden worden sein, wie am Mittwoch im Innenausschuss des Nordrhein-Westfälischen Landtags berichtet wurde.

Bisher hieß es, Anlass sei ein Streit zwischen zwei Familien aus Castrop-Rauxel gewesen. In verschiedenen Medien wurde kolportiert, es gehe auch um kriminelle Machenschaften von Familienclans, um die Vorherrschaft im kriminellen Milieu. Doch Ahmad Omeirat, integrationspolitischer Sprecher der Grünen in Essen, hat eine andere Erklärung.

Im Gespräch mit t-online sagte Omeirat, der selbst Teil der libanesischen Community ist: "Ein privater Streit zwischen zwei Familien ist durch die sozialen Medien extrem eskaliert."

Syrische Flüchtlinge im Libanon

Angefangen habe alles im Libanon, in dem schon seit Jahren ein Konflikt zwischen syrischen Geflüchteten und libanesischen Einwohnern schwelt, so Omeirat. Das krisengebeutelte Land ist eines der Länder mit den meisten Geflüchteten weltweit: Laut dem Bundesamt für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war 2022 jeder fünfte Einwohner des Libanon ein Geflüchteter, die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. Das biete reichlich Konfliktpotenzial in der Bevölkerung, das auch für den Wahlkampf im Land genutzt werde, so Omeirat.

Auch die libanesische Bloggerin Nidal al Ahmadie nutze dies für eines ihrer Videos und einen Auftritt bei einem libanesischen Fernsehsender, in dem sie rassistische Ressentiments gegenüber syrischen Geflüchteten verbreitete. Dieses Video sei vielfach auf Tiktok und anderen sozialen Medien geteilt worden und habe die Stimmung aufgeheizt.

Auf den Zug seien dann auch die syrischen und libanesischen Communitys in Deutschland aufgesprungen. Sie hätten Falschbehauptungen gestreut, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen gewesen seien, erklärt Omareit.

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Fake News auf Tiktok

Die aktuellen Auseinandersetzungen entzündeten sich demnach aufgrund eines Streits zwischen den Kindern der libanesischen und syrischen Familien in Castrop-Rauxel. Anschließend soll laut Omareit ein syrischer Blogger auf TikTok behauptet haben, die Wohnungstür der syrischen Familie sei von libanesischen Männern aufgebrochen und die Frau in der Wohnung von ihnen verprügelt worden. Später stellte der Mann der vermeintlich verprügelten Frau klar, dass es diesen Vorfall nie gegeben hat. "Da war es aber schon zu spät, die Fake News waren schon weit verbreitet", sagte Omeirat im Gespräch mit t-online.

Dieses Video soll dann der Anlass für einen Aufruf gewesen sein, der beschuldigten syrischen Familie zu Hilfe zu kommen. Dies habe zu einer Gegenmobilisierung auf der libanesischen Seite geführt, die in der Massenschlägerei in Castrop-Rauxel mündete, fasst Omeirat zusammen.

Eine Einladung nach Essen eskaliert

Die Eskalation in Essen soll ihren Ursprung wiederum in einem Video des Betreibers der Essener Shisha-Bar "Mandalay" haben. In diesem Video soll der Betreiber gesagt haben, dass ihm die Beleidigungen und Bedrohungen der Syrer auf die Nerven gehen. Die Syrer sollten nach Essen kommen, wenn sie "was wollen".

Diese Worte nahmen zahlreiche Menschen offenbar ernst. Sie kamen nach Essen, was wiederum die libanesische Community dazu bewegte, ebenfalls Präsenz zu zeigen. Wie die Ereignisse und zahlreiche Videos über das Ereignis eindrücklich zeigen.

Allerdings betont Omeirat im Gespräch mit t-online: "Das Aufeinandertreffen in Essen ist nicht mit dem in Castrop-Rauxel zu vergleichen." Während es in Castrop zu einer Massenschlägerei gekommen sei, soll es in Essen vielmehr um eine Machtdemonstration gegangen sein. Durch die besonnene Reaktion der Polizei Essen sei eine zusätzliche Eskalation vermieden worden.

Libanesen und Syrer teilen das gleiche Schicksal

Omeirat ist es wichtig, zu betonen, wie nah sich Libanesen und Syrer eigentlich sind. Die Geschichte ihrer Länder, die von Bürgerkriegen erschüttert wurden, sei sehr ähnlich. Viele Menschen mussten fliehen.

Als ab 2015 zahlreiche Menschen aus Syrien nach Deutschland kamen, hätten sich viele Libanesen daran erinnert und in den Geflüchtetenheimen massiv bei der Integration der Menschen geholfen. "Ich hoffe, der Streit ist bald beigelegt", sagt Omeirat abschließend.

Hinweis: Unser Gesprächspartner Ahmad Omeirat entstammt einer kurdisch-libanesischen Großfamilie. Laut Omeirat handele es sich bei gegebenenfalls kriminellen Familienmitgliedern allerdings nicht um nahe Verwandte wie Vater und Mutter, Geschwister oder eigene Kinder. Omeirat lehnt den Clan-Begriff daher ab, weil er Menschen in "Sippenhaft" nehme, die nie auffällig geworden seien.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Ahmed Omeirat
  • Recherche auf Tiktok
  • bmz.de: "Mehr als jeder fünfte Einwohner ein Geflüchteter"
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