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"Der Ofen ist aus": Bäcker-Aufstand in Hannover – Politik verspricht Lösungen


Landespolitik verspricht schnelle Lösungen
Bäcker-Aufstand in Hannover: "Teil unserer Kultur" in Gefahr

Von t-online, dpa, pas

Aktualisiert am 15.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Bäcker demonstrieren vor dem Rathaus in Hannover: Am Mittwoch forderten Tausende Teilnehmer einer Kundgebung schnelle, aber auch langfristige Lösungen.Vergrößern des BildesBäcker demonstrieren vor dem Rathaus in Hannover: Am Mittwoch forderten Tausende Teilnehmer einer Kundgebung schnelle, aber auch langfristige Lösungen. (Quelle: Patrick Schiller)
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Bäckereien benötigen fürs tägliche Geschäft Mengen an Energie, doch die kostet – aktuell viel zu viel für die Betriebe. Kommt staatliche Unterstützung?

Immer mehr Bäckereien in Niedersachsen befürchten wegen der hohen Energiepreise schwerwiegende finanzielle Probleme oder sogar das Aus. Bei einer Kundgebung in Hannover forderten mehrere Tausend Teilnehmer schnelle und entschlossene Staatshilfen. Beschäftigte der Handwerksbranche trafen sich am Mittwochnachmittag vor dem Rathaus, anschließend zogen etliche von ihnen per Lieferwagen-Korso durch die Innenstadt.

"Wir brauchen jetzt rasche und unbürokratische Soforthilfe", sagte Initiatorin Caterina Künne vom Betrieb Herzensbäcker Künne. Man könne nicht lange auf den Beschluss komplexer Instrumente warten, denn viele Betriebe stünden schon am Abgrund und zahlten teilweise das Zehnfache ihrer normalen Energierechnungen. Ein Härtefall-Fonds müsse solchen Bäckereien, aber auch anderen angeschlagenen Handwerkern nun zur Seite stehen. "Und wir brauchen ganz schnell eine Strompreisbremse."

Die Bäckereien benötigen die Energie für ihre Öfen, aber auch zum Kühlen von Zutaten und Lebensmitteln sowie für Auslieferungsfahrten an die Filialen. Außerdem klagt das Gewerbe über gestiegene Personalkosten durch den angepassten Mindestlohn und teurere Rohstoffe.

Scholz und Habeck folgten Einladung nicht

Mitorganisator Axel Oppenborn sagte während seiner Rede: "Wir vertreten bundesweit 45.000 Mitarbeiter. Und wir liefern eine halbe Milliarde Steuereinnahmen. Das sollte man auch rechnerisch nicht vergessen."

Oppenborn hatte in der vergangenen Woche ein Video erstellt, das tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt wurde. Darin rief der Bäckerei-Unternehmer Kollegen auf, an diesem Mittwoch nach Hannover zu kommen – und hatte auch den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) nach Hannover eingeladen. Diese folgten der Einladung zwar nicht, dafür aber die Spitzenkandidaten der niedersächsischen Landespolitik.

Oppenborns Familienunternehmen würde laut eigener Aussage seit über 250 Jahren bestehen. Krise sei Teil des Unternehmens. So hätte das Unternehmen den Ersten und Zweiten Weltkrieg überstanden. Seitdem er das Unternehmen aber im Jahr 2001 mit seinem Bruder im Jahr 2001 übernommen hätte, sei Dauerkrise, so Oppenborn: "Euro-Krise, Geiz-Ist-Geil-Zeit, Weltfinanzkrise, Bankenkrise, Corona-Krise und jetzt die Energiekrise", so Oppenborn, der die gegenwärtige Krise als größte wirtschaftliche Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg betrachtet.

Schon vorab hatten die Organisatoren der Kundgebung vor gravierenden Folgen insbesondere für kleine Betriebe gewarnt, sollte es keine Entlastung geben. "Die Energiekrise schlägt derzeit voll auf die Bäckereien durch", hieß es. "Die Zeichen stehen auf Sturm."

Bäckereien "Teil unserer Kultur"

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte vor den Demonstrierenden, gut 40.000 Menschen in der Branche bangten allein in Niedersachsen um ihren Arbeitsplatz. Es sei eine Verpflichtung, diese Jobs zu erhalten – die Bäckereien seien "Teil unserer Kultur". Ein Energiepreisdeckel müsse her, und übermäßige Gewinne unter Energieerzeugern sollten abgeschöpft werden. Daneben sei eine Reform des Gas- und Strommarktes unerlässlich. "Wir brauchen einen bestimmten Maßstab von staatlich garantierten Preisen", forderte der Regierungschef in Hannover. "Wir können nicht nur über Nothilfen reden, wir müssen an die Ursache."

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) bewertete die Situation ähnlich – sprach aber auch weitere Faktoren an. "Bei den bisherigen Entlastungspaketen des Bundes fallen Bäckereien, wie viele andere mittelständische Betriebe, weitgehend durch das Raster", kritisierte er. Zudem müsse die Stromsteuer in Deutschland dringend auf das EU-weit zulässige Mindestmaß gesenkt werden. Ebenso komme man nicht um eine Mehrwertsteuersenkung für Energie und Kraftstoffe herum. Und: "Wir brauchen endlich ein Hilfsprogramm, aus dem betroffene Unternehmen Zuschüsse von bis zu 500.000 Euro erhalten könnten."

Der niedersächsische FDP-Fraktionschef Stefan Birkner forderte einen Rettungsschirm für das Handwerk. Doch statt nur auf kurzfristige Lösungen zu setzen, forderte er vor allem auch langfristige Lösungen – vor allem aus Berlin, aber auch von der bestehenden Landesregierung. Doch auch er bekräftigte seine Bereitschaft für eine schnelle, überparteiliche Zusammenarbeit, um Lösungen für die Betriebe zu finden.

Pfiffe für Grünen-Politikerin

Auch Julia Willie Hamburg (Grüne), Oppositionsführerin im Landtag, stellte sich den Teilnehmern. Gleich zu Beginn ihrer Rede musste Hamburg Buhrufe und Pfiffe stellvertretend für die Äußerungen Habecks von vergangener Woche über sich ergehen lassen. In der ARD-Sendung "Maischberger" hatte Habeck auf die Frage, ob er mit einer Insolvenzwelle am Ende dieses Winters rechne, geantwortet: "Nein, das tue ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren." Oppenborn beruhigte die Teilnehmer rasch.

Hamburg schloss sich parteiübergreifend der Suche nach schnellen Lösungen an, verwies auch darauf, dass die zugesicherten September-Hilfen rückwirkend möglich sind. Zudem forderte sie ein Sondervermögen des Landes, um die gegenwärtige Krise abzumildern. Auf die Frage, warum Habeck selbst nicht der Einladung gefolgt war, sagte Hamburg t-online: "Der Wirtschaftsminister möchte sich nicht in den Wahlkampf einmischen. Die Probleme in der Bäckerbranche sind ihm aber bewusst. Darum arbeitet er 'Tag und Nacht' in Berlin an Lösungen", so die 37-Jährige.

Ist ein Nachtragshaushalt vor den Landtagswahlen noch möglich?

Bereits vergangene Woche hatten die Bäcker in Norddeutschland ihre schwierige Lage thematisiert. Mit einer symbolischen Aktion ("Licht aus") machten sie auf Existenzsorgen aufmerksam. Nach Innungsangaben gibt es in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rund 800 Handwerksbäckereien mit Tausenden Filialen. Die Branche fordert etwa, dass auch Kleinbetriebe Zugriff auf das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) des Bundes erhalten.

  • "Alarmstufe Brot": Bäcker fürchten um ihre Existenz

Am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Weil deutete an, nötigenfalls schon vorher über ergänzende Landeshilfen für Mittelständler zu sprechen. Aus dem CDU-geführten Finanzressort hieß es hingegen, dafür sei die Zeit zu knapp: "Nächste Woche einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, wird nicht möglich sein." Es müsse erst abgewartet werden, welche Hilfsprogramme Berlin auflege.

Wirtschaftsministerium verspricht Zuschüsse

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Dienstag angekündigt, die Energiekosten-Zuschüsse für weitere Branchen zu öffnen. Auch das Handwerk soll Förderinstrumente nutzen können. Jedoch muss das Vorhaben noch im Bundeskabinett besprochen werden.

Im Vorfeld der Veranstaltung wurde in mehreren Telegram-Gruppen der "Querdenken"-nahen Szene Aufrufe geteilt, die Veranstaltung zu besuchen. Einzelnen lautstarken Störern gelang es jedoch nicht, die Bäcker für sich zu vereinnahmen. Ihre Forderungen "Nord Stream 2 auf" zu machen und "Kriegstreiber"-Rufe wurden weitestgehend ignoriert. Stattdessen wurden die Versprechen der anwesenden Politiker mit immerhin verhaltenem Applaus bedacht.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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