t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalKöln

Urlaubschaos am Flughafen Köln/Bonn: "Das wird eine Katastrophe"


Urlaubschaos vorprogrammiert
Flughafenmitarbeiter warnt: "Das wird eine Katastrophe"

Von Tobias Christ

Aktualisiert am 08.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Player wird geladen
Lange Warteschlangen: Aufnahmen zeigen das Chaos auf dem Flughafen Köln/Bonn. (Quelle: Pressematerial)

Seit Wochen gibt es wegen Personalmangels riesige Warteschlangen an deutschen Flughäfen. Gäste verpassen ihre Flüge, Personal werde bedroht und angebrüllt, berichtet ein Mitarbeiter. Die Situation droht, außer Kontrolle zu geraten.

Wenn Paul seinem Arbeitsplatz ein Zwischenzeugnis ausstellen müsste, würde es derzeit wohl eher mau ausfallen. "Es ist ein Punkt erreicht, wo ich sogar überlege, mir einen neuen Job zu suchen."

Paul (Name geändert, Anm. d. Red.) arbeitet an den Sicherheitskontrollen des Flughafens Köln/Bonn und damit an einer besonders sensiblen Stelle. Genau dort aber laufe es nicht rund, sagt der Angestellte der Firma Securitas, die im Auftrag der Bundespolizei für die Kontrollen am Airport zuständig ist.

"Wir haben mittlerweile ständig Ärger mit den Fluggästen, weil es zu lange dauert. Die kommen an die Kontrollstelle und lassen bei uns ihren Frust ab." Vor Kurzem habe die Bundespolizei einschreiten müssen, weil verspätete Fluggäste angefangen hätten zu randalieren: Ihr Flieger war offenbar ohne sie abgehoben.

Flughafen Köln/Bonn: Fluggastzahlen waren trotz Corona absehbar

Verpasste Flugzeuge, lange Wartezeiten: "Mitten in Europa darf das nicht passieren, weil man an der falschen Stelle gespart hat", sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim. Seinen Berechnungen zufolge fehlten schon vor der Pandemie rund 100 Mitarbeiter an den Kölner Kontrollstellen.

In der Corona-Zeit sei es versäumt worden, die 580 Beschäftigten, die Securitas im Sommer vergangenen Jahres vom Vorgängerunternehmen Kötter übernommen habe, aufzustocken. "Man ist davon ausgegangen, dass sich der Flugverkehr erst 2025/2026 erholen wird", so Özay Tarim.

Doch schon in den Sommerferien 2021 sei es mit den Fluggastzahlen wieder bergauf gegangen. Trotzdem habe Securitas bis Ende 2021 Kurzarbeit angeordnet. Für die Sommerferien 2022 schwant Özay Tarim daher nichts Gutes: "Es wird auf jeden Fall nicht stressfrei ablaufen."

Chaos vor Kontrollen: "Die Sicherheit leidet"

"Das wird eine Katastrophe", prognostiziert Security-Mitarbeiter Paul. Denn der Flugbetrieb habe sich normalisiert, die Personalstärke an den Kontrollen jedoch nicht. "Die Personalsituation ist schlechter geworden, weil sich die Leute während Corona andere Jobs gesucht haben." Dazu kämen technische Probleme an den Kontrollspuren und ein hoher Krankenstand.

Die Folge sei eine enorme Arbeitsverdichtung: "Sie sehen nur noch Menschenmengen vor sich und arbeiten wie eine Maschine." Die Sicherheit leide bei dieser Akkord-Arbeit: "Wenn ich schneller arbeite, kontrolliere ich vielleicht nicht so gründlich, wie ich kontrollieren sollte", so der langjährige Luftsicherheitsassistent.

Zahlreiche Überprüfungen durch Bundespolizei oder Securitas sorgten für zusätzlichen Druck. Und natürlich die schlechte Laune der Fluggäste: "Man wird angebrüllt, man bekommt dumme Kommentare", berichtet Paul aus seinem Arbeitsalltag: "Kollegen sind auch schon bedroht worden."

Schon jetzt 30.000 Passagiere am Tag

Der Flughafen Köln/Bonn sieht ebenfalls "akuten Handlungsbedarf". Man setze sich "auf allen Ebenen dafür ein, dass geeignete Schritte unternommen werden, um schnellstmöglich spürbare Verbesserungen für die Fluggäste zu erreichen und vor allem in Verkehrsspitzen sehr lange Wartezeiten an der Kontrollstelle zu vermeiden", heißt es in einer Stellungnahme.

Passagiere sollten derzeit vor dem Abflug mehr Zeit als gewöhnlich einplanen: "Mindestens gute zwei bis zweieinhalb Stunden." Schon vor einigen Wochen seien die Fluggastzahlen deutlich angestiegen, derzeit lägen sie bei rund 30.000 Passagieren am Tag: "Wir gehen davon aus, dass dieses Niveau in den Sommermonaten ähnlich sein wird beziehungsweise moderat steigt."

Die Sicherheitskontrolle in Terminal 2, die während der Pandemie geschlossen wurde, soll aber offenbar nicht wieder geöffnet werden. Die zentrale Kontrolle in Terminal 1 verfüge über ausreichend Kapazitäten, heißt es vom Airport. Verdi sieht das anders und spricht von einer "Flaschenhalssituation".

Passagieraufkommen "deutlich schneller erholt"

Laut einem Securitas-Sprecher ist der Krankenstand am Flughafen Köln/Bonn derzeit "etwas höher als im Bundesdurchschnitt", die Fluktuation unter den Mitarbeitern sei aber nicht außergewöhnlich groß. Der von Verdi auf 100 Beschäftigte bezifferte Mehrbedarf sei nicht zutreffend.

Zwar sei für das gesamte Jahr 2022 inklusive Fluktuationsausgleich in etwa mit diesem Personalbedarf gerechnet worden. Der aktuelle Mehrbedarf jedoch sei geringer. Und schon 2021 sei begonnen worden, mehr Personal zu rekrutieren. Allerdings erhole sich das Passagieraufkommen seit dem zweiten Quartal 2022 "deutlich schneller als gemeinhin prognostiziert".

Verdi-Sprecher: "Kind längst in den Brunnen gefallen"

Für die Bundespolizei ist der Personalmangel am Flughafen kein Problem nur von Securitas, vielmehr gebe es bundesweit zu wenig Fachkräfte. Man setze zwar alles daran, die Situation für Fluggäste und Sicherheitspersonal zu entspannen, so Sprecher Jens Flören. Das sei jedoch kurzfristig kaum möglich.

"Es bedarf vor allem einer Entspannung des Arbeitsmarktes sowie einer Entzerrung des Flugplans und beides braucht Zeit und ist durch die Bundespolizei nicht beeinflussbar", sagt Flören. Engpässe gebe es vor allem, wenn sehr viele Passagiere in einem sehr kleinen Zeitfenster abgefertigt werden müssten. Dazu komme nicht selten falsch gepacktes Handgepäck.

"Wir arbeiten daran, die Situation zu verbessern, können aber keine seriöse Prognose abgeben", heißt es von Securitas: "Wir planen noch in diesem Jahr eine zweistellige Anzahl Mitarbeiter auszubilden und einzustellen." Für Özay Tarim hingegen ist "das Kind längst in den Brunnen gefallen". Denn die Ausbildung dauere mehrere Monate. Für einen reibungslosen Ablauf in den Sommerferien jedenfalls sei es wohl zu spät.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim
  • Gespräch mit Securitas-Mitarbeiter
  • Stellungnahmen des Flughafens Köln/Bonn, Securitas und der Bundespolizei
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website