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Prozess in Köln: Reemtsma-Entführer "für die Allgemeinheit gefährlich"


Prozess gegen Reemtsma-Entführer
Staatsanwältin: "Für die Allgemeinheit gefährlich"

Von dpa, mtt, pb, fas

Aktualisiert am 01.02.2022Lesedauer: 4 Min.
Der Angeklagte Thomas Drach (l) winkt in den Gerichtssaal: Die Staatsanwaltschaft wirft dem verurteilten Straftäter vier Überfälle auf Geldtransporter vor.Vergrößern des BildesDer Angeklagte Thomas Drach (l) winkt in den Gerichtssaal: Die Staatsanwaltschaft wirft dem verurteilten Straftäter vier Überfälle auf Geldtransporter vor. (Quelle: Alexander Franz/dpa-bilder)
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Der Reemtsma-Entführer

Mit 13 Jahren Autos geknackt, mit 18 einen Supermarkt überfallen, dann 1981 mit Schrotflinte im Anschlag eine Bank ausgeraubt und 1996 schließlich den Multimillionär Jan Philipp Reemtsma entführt und 33 Tage lang im Keller angekettet: Thomas Drach gilt als einer der gefährlichsten Schwerverbrecher Deutschlands – der auch nicht davor zurückschreckte, aus der Haft heraus weitere Verbrechen zu planen. Nun steht der 61-jährige in Köln erneut vor Gericht.

2013 wurde er entlassen, schlug laut Anklage aber bereits fünf Jahre später wieder zu: Vier bewaffnete Überfälle auf Geldtransporter werden ihm zur Last gelegt. Unter anderem soll er ein Sturmgewehr AK-47 benutzt und zwei Geldboten angeschossen haben. Einem zerfetzte Drachs Schuss laut Staatsanwaltschaft die Oberschenkelvene, dem anderen durschlug die Kugel den Schenkel. Die Anklagebehörde wertet beide Taten als versuchten Mord.

Prozess nach nur drei Minuten unterbrochen

Der Prozess gegen Drach und einen angeklagten Komplizen begann am Dienstag zunächst mit einer Verzögerung: Nach nur drei Minuten wurde die Verhandlung unterbrochen. Der Anwalt eines Mitangeklagten gab vor dem Landgericht Köln an, sein Mandant habe starke Kopfschmerzen und müsse erst eine Tablette einnehmen.

Laut einem Bericht der "Kölnischen Rundschau" soll sich außerdem ein Fenster nicht öffnen lassen haben. Die Hauptverhandlung wurde daraufhin unterbrochen, aus Gründen des Infektionsschutzes hätten alle Journalisten und Zuschauer den Saal verlassen müssen.

Köln: Straßensperren für Thomas Drach

Der Aufwand für den Prozess ist enorm: 53 Verhandlungstage bis Ende September sind geplant, das Gericht warnte bereits: "An diesen Tagen sollte der Bereich des Justizzentrums Luxemburger Straße zu den üblichen Geschäftszeiten weiträumig umfahren werden, weil eine ungehinderte Durchfahrt nicht garantiert werden kann".

Der Grund sind Straßensperrungen, die bereits am Morgen den Verkehr behinderten – ursprünglich sollte ein Helikopter Drach zum Gericht fliegen, schlussendlich wurde der Schwerverbrecher wegen einer "Flucht- und Befreiungsgefahr" nun doch mit dem Auto befördert. Am Morgen fuhren drei Limousinen am Gericht vor, in einer davon befand sich der Angeklagte.

Brutale Überfälle mit dem Sturmgewehr

In der Anklage werden Drach unter anderem versuchter Mord und besonders schwerer Raub vorgeworfen. 2018 und 2019 soll er bei vier Taten in Köln, Frankfurt am Main und Limburg Geldtransporter überfallen und dabei insgesamt rund 230.000 Euro erbeutet haben. In zwei Fällen – in Frankfurt und am Flughafen Köln-Bonn – habe er jeweils auf einen Wachmann geschossen. Beide Männer erlitten lebensgefährliche Verletzungen. Bei den Taten habe Drach unter anderem mit einem Sturmgewehr gefeuert, so die Vorwürfe. Angeklagt ist er auch wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

"Die Gesamtwirkung des Angeklagten Drach und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist", sagte die Staatsanwältin. Deshalb sei Sicherungsverwahrung anzuordnen. Drach, mit Halbglatze und Dreitagebart, blätterte derweil in seinen Unterlagen und tippte auf einem Laptop.

Zweiter Angeklagter weist Vorwürfe zurück

Zu den Vorwürfen wollte er sich jedoch nicht äußern. Der 61-Jährige werde von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und sich weder zu seiner Person noch zur Sache äußern, erklärte sein Verteidiger am Dienstag am ersten Tag des Verfahrens. Der zweite Angeklagte wies unterdessen über seinen Anwalt Wolfgang Heer – bekannt als Verteidiger der NSU-Terroristin Beate Zschäpe – jede Beteiligung an den Raubüberfällen zurück.

Am Nachmittag endete der erste Prozesstag schließlich unspektakulär – die Verteidiger von Drach bezweifelten die Vollständigkeit der von der Staatsanwaltschaft übermittelten Akten, berichtet der WDR. Deshalb beantragten sie die Unterbrechung der Hauptverhandlung. Wenige Minuten später beendete der Richter die Sitzung.

Bericht: Drachs Kleidung wird geröntgt

Dass es sich bei Drach um einen extremst gefährlichen Straftäter handeln soll, das legen die Vorkehrungen der Behörden offen: Berichten zufolge gibt es unter den Ermittlern die Sorge, dass Drach Komplizen angeheuert haben könnte, die einen Befreiungsversuch starten. Deswegen habe die Polizei bereits alle Gullydeckel rund um das Gerichtsgebäude verschweißt, heißt es in einem Bericht der "Bild"-Zeitung. Die Polizei bestätigte dies t-online auf Anfrage allerdings nicht.

Außerdem berichtete die "Bild", Drachs Kleidung werde an jedem Prozesstag in der JVA Köln durchsucht und geröntgt und er an Händen und Füßen gefesselt sowie mit einer Augenbinde versehen in den Gerichtssaal geführt.

Zuschauer mussten zudem statt wie sonst üblich nicht nur durch eine Sicherheitsschleuse, sondern durch zwei. Sie wurden unter anderem auf Waffen kontrolliert.

Anwälte rechnen mit Freispruch – "Vorverurteilung"

Zusammen mit Drach steht ein 53 Jahre alter niederländischer Staatsbürger vor Gericht. Er soll einen Überfall am Flughafen Köln-Bonn gemeinschaftlich mit dem 61-Jährigen begangen und bei einer weiteren Tat geholfen haben.

Die Anwälte von Drach sehen jedoch bislang keine Beweislage, die zu einer Verurteilung des 61-Jährigen im Prozess gegen ihn am Kölner Landgericht führen könnte. "Es gibt gar keine Beweissituation, die eine Verurteilung rechtfertigen könnte", sagte sein Anwalt Andreas Kerkhof am Dienstagmorgen vor dem Start des Verfahrens. "Es gibt ein paar vage Indizien, mehr aber auch nicht."

Er komme in der Erwartung, dass Drach das Gericht am Ende des Prozesses als freier Mann verlassen könne. In dem ganzen Fall liege eine Vorverurteilung vor. "Hätte der Mandant einen anderen Lebenslauf, müsste er sich hier nicht verantworten", sagte Kerkhof.

Im Februar 2021 hatten niederländische Spezialkräfte Drach in einer Amsterdamer Wohnung festgenommen. Im Mai wurde er nach Deutschland ausgeliefert, seither sitzt er in U-Haft. 1996 hatte Thomas Drach den Erben der Hamburger Tabak-Dynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, entführt und ihn später gegen Lösegeld wieder freigelassen.

Verwendete Quellen
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