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Benedikt und der Missbrauchsskandal: Welche Schuld trägt der Papst?


Deutscher Papst ist tot
Missbrauchsskandal: Welche Schuld trug Benedikt?

  • Olaf Kern
Von Olaf Kern

31.12.2022Lesedauer: 3 Min.
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Benedikt XVI. ist tot: Diese bewegenden Bilder bleiben für immer in Erinnerung. (Quelle: t-online)

Welche Rolle spielte Benedikt XVI. im Missbrauchsskandal der Kirche? Matthias Katsch, selbst Betroffener, findet klare Worte.

Den Tausenden von Missbrauchsopfern seiner Kirche in aller Welt werde Joseph Ratzinger in unguter Erinnerung bleiben als langjähriger Verantwortlicher jenes Systems, dem sie zum Opfer fielen, sagt Matthias Katsch. Er selbst war einer der Leidtragenden als Schüler des Berliner Canisius-Kollegs. Später stieß er dort die Aufklärung mit an und wurde zum Aktivisten für Missbrauchsopfer der katholischen Kirche.

Bis heute weigere sich die katholische Kirche in Deutschland, die Verantwortung für die Folgen der sexualisierten Gewalt zu übernehmen, der zahlreiche Kinder und Jugendliche durch Priester dieser Kirche ausgesetzt gewesen seien. Die Auseinandersetzung damit werde weitergehen. Auch wenn eine aktuelle Klage aus Traunstein konkret gegen den ehemaligen Erzbischof von München, Joseph Ratzinger, nun wohl nicht mehr verhandelt werden könne.

Katsch meint damit die Klage eines 38-Jährigen, der nach eigener Aussage als Kind in den 1990er-Jahren im Landkreis Altötting vom Priester Peter H. missbraucht wurde. Unter Erzbischof Ratzinger wurde Peter H. in den frühen 1980er-Jahren in der Seelsorge eingesetzt, obwohl es zuvor im Bistum Essen Missbrauchsvorwürfe gegen ihn gegeben hatte. Strafrechtlich ist der Fall verjährt, der Betroffene will jedoch die Angelegenheit zivilrechtlich klären.

Tausende Vatikan-Akten "unerreichbar für die weltliche Justiz"

Zur Frage, welche Rolle der emeritierte Papst Benedikt im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche einnahm, hat Matthias Katsch bereits eine klare Meinung. Jeder Mensch verdiene Respekt und Beistand am Ende seines Lebens. Aber Benedikt habe persönliche Schuld und Verantwortung auf sich geladen. Das betreffe den "Missbrauchspriester", dem er als Erzbischof Zugang zu neuen Opfern ermöglicht habe, ebenso wie seinen Umgang mit anderen kirchlichen Serientätern, wie dem Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel.

Ratzinger habe eine Situation geschaffen, in der Tausende von Akten über Missbrauchsfälle aus aller Welt unerreichbar für die weltliche Justiz im Vatikan lagerten. Katsch fordert, diese Akten müssten aufgearbeitet und die Rolle des Vatikans bei dem weltweiten System des Missbrauchs und der Vertuschung aufgeklärt werden.

Nach Meinung von Matthias Katsch sei es der Kirche bislang gelungen, die Kontrolle über den Prozess der Aufklärung und Aufarbeitung weitgehend zu behalten: Sie gebe Gutachten in Auftrag, entscheide, was wie veröffentlicht werde, kontrolliere den Zugang zu den Akten: "Das weckt bei den Betroffenen wenig Vertrauen", sagt er.

Der Staat, Bund wie Länder, müsse sich endlich zuständig erklären und staatliche Untersuchungskommissionen einsetzen. Es gehe um Verbrechen des Missbrauchs durch Priester und systematische Vertuschung dieser Straftaten durch Verantwortliche der Kirche – "da darf man die Aufklärung nicht einfach der Institution selbst überlassen", ergänzt er.

"Es ging immer nur um schwarze Schafe, faule Äpfel"

Katsch ist sicher, dass Benedikt die systemische Dimension des weltweiten Missbrauchsskandals nie gesehen habe. "Es ging immer nur um schwarze Schafe, faule Äpfel, also letztlich bedauerliche Einzelfälle. Schuld war nicht die vormoderne Sexualmoral der Kirche oder ihr Herrschaftsmodell, sondern es waren die Menschen der Neuzeit, weil sie sich von dieser Sexualmoral befreit haben", sagt er.

Was sich Matthias Katsch für die zukünftige Arbeit zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wünsche? Die Kirche in Deutschland wie auf Ebene des Vatikans müsse außenstehenden, unabhängigen Instanzen den Zugang zu den Akten erlauben und die Verbrechen, Verstrickungen und Verantwortlichkeiten aufklären lassen. Dann könne sie mit ihren Bemühungen um Prävention auch glaubwürdig und nachhaltig an der Überwindung von sexuellem Kindesmissbrauch mitwirken.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Matthias Katsch
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