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Personalnot in der Eventbranche: Jetzt müssen die Stars kellnern


Eine Spurensuche in der Eventbranche
Personalnot: Jetzt müssen schon die Stars ausschenken

  • Meike Kreil
Von Peter Budig

Aktualisiert am 11.07.2022Lesedauer: 6 Min.
Nachrichten
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Martin Rassau (links) und Volker Heißmann helfen beim Ausschank beim "Fürth Festival" aus - mehr als nur ein Marketinggag.Vergrößern des Bildes
Martin Rassau (links) und Volker Heißmann helfen beim Ausschank beim "Fürth Festival" aus – weit mehr als nur ein Marketinggag. (Quelle: Peter Budig)

Personalmangel überall. Wer macht den Job noch – Bühnenbau, Gastro, Sicherheit? Und wo sind die tüchtigen Mitarbeiter von einst gelandet? Eine Spurensuche in Franken.

Der Lockdown ist vorbei, wie losgelassen strömen die Menschen auf Veranstaltungen, freuen sich besonders auf Jahrmärkte, Konzerte, Ballereignisse. Doch die Veranstalter von ebendiesen klagen über akuten Personalmangel: Bühnenbau, Zäune aufbauen, Licht- und Tontechnik, Catering – das Fach- und Aushilfspersonal für die Eventbranche scheint während Corona verschwunden zu sein. Aber wo sind die tüchtigen Mitarbeiter von einst alle gelandet? Eine Spurensuche.

Comödie beim "Fürth Festival": "Es fehlt hinten und vorne an Personal"

Die Fürther Comödie ist bundesweit bekannt: Denn Volker Heißmann und Martin Rassau sind als Komiker, Sänger und Boulevardschauspieler auf Tourneen, Fernsehauftritten und Produktionen ständig unterwegs. Das Unternehmen (70 Mitarbeiter) hat noch andere Geschäftsfelder, etwa Gastronomie und Veranstaltungen. Marcel Gasde ist für Werbung und Events zuständig.

An diesem Wochenende bespielte die Comödie im Rahmen des städtischen "Fürth Festivals" den großen Platz zwischen Bahnhof und Fußgängerzone, die Fürther Freiheit: Auftritte wie die der Coverband ABBA 99 sind für die Besucher kostenlos, werden über den Bierpreis finanziert. "Aber inzwischen findet man ja kaum noch jemanden, der ausschenkt oder bedient", klagt Gasde im Gespräch mit t-online. "Wir haben natürlich unsere Leute, Verwandte, Freunde von uns und den Angestellten, aber es fehlt hinten und vorne an Personal."

Dass der Komödiant Volker Heißmann ("Mariechen") an einem der Stände eine Samstagsschicht lang ausschenkt, ist deshalb mehr als nur ein Gag fürs Publikum. "Der Volker hat Routine, der ist eine echte Unterstützung", lacht Gasde.

Seit 1998 veranstaltet die Comödie auch den Sommernachtsball (23. Juli ab 19 Uhr) und verwandelt den Fürther Stadtpark mit vier Tanzbühnen, Restaurant, Imbiss- und Barbetrieben für eine Nacht in einen Sommertraum. Hier kommt Gasde mit dem eigenen Personal aus, denn schon früh hat er wichtige Partner gefunden, die mit eigenen kleinen Ständen für Speisen, Bier, Cocktails oder Süßes sorgen: "Anfangs haben wir viele Stationen selbst betrieben. Aber es war Wahnsinn, das Personal zu finden, für diese eine Nacht, das qualifiziert und zuverlässig war. Deshalb suchen wir uns Profipartner, die den Abend mit uns und nach unseren Maßgaben gestalten. Die haben ihre eigenen Leute, anders ginge das nicht mehr."

Starkoch Alexander Herrmann: Die Berufe wurden kaputtgeredet

Sternekoch Alexander Herrmann sieht insgesamt einen Mentalitätswandel, was das Berufsethos betrifft: Corona habe die Situation verschärft, aber im Kern seien es gesellschaftliche Entwicklungen, die den Notstand an Arbeitskräften befördern. Schon länger beobachte er: "Anscheinend gibt es heute nur noch zwei Berufe, die etwas gelten: Influencer und Fußballstar." Aber wohin sind sie alle verschwunden, der berufsverliebte Koch, die soziale Krankenschwester, die in ihrem Beruf aufgeht, die Servicekraft, die wirklich brennt? "Es sind jedenfalls sehr viel weniger geworden. Meine Beobachtung ist, dass unheimlich viel kaputtgeredet wird."

Herrmann selbst ist Unternehmer, der noch immer das elterliche Familienhotel in Wirsberg (Oberfranken) mit einem Restaurant und einem gehobenen Bistro betreibt. Außerdem Fernsehshows, Kochbücher, die Nürnberger Restaurants "Fränk’ness" und "Imperial", das Dinner-Varieté "Palazzo" und weitere Events, wie die VIP-Lounge am Sommernachtsball der Comödie Fürth.

Auf Kante genäht: Das Nürnberger Bardentreffen

Umsonst und draußen: Das Nürnberger Bardentreffen lädt am letzten Juliwochenende (29. bis 31. Juli) wieder zum Musikgenuss ein. Etwa 200.000 Menschen bevölkern die Innenstadt Nürnbergs dann für gewöhnlich, 90 Künstler aus 20 Ländern, 100 Konzerte, acht Bühnenplätze.

"Wenn man vom Bardentreffen spricht, spricht man von Superlativen", schreibt Festivalleiter Rainer Pirzkall vom Projektbüro der Stadt auf der Barden-Homepage. Viel Band, viel Ehr, aber auch viel, viel Arbeit. Auch in diesem Jahr gibt er wieder rund 250 Teamausweise aus: "Es gilt Mitarbeiter aus sehr vielen Gewerken zu finden und es wird immer schwieriger. Viele Spezialisten aus dem Bühnenbau, die auch das Dach befestigen können oder Lichtanlagen montieren, sind zu Corona-Zeiten in die Baubranche abgewandert, wo sie mit offenen Händen empfangen wurden."

Zwar spielt Idealismus bei den Konzert-Jobs eine nicht unbedeutende Rolle. Doch laut Pirzkall "haben auch die begeisterten Bühnenbauer gelernt, dass feste Arbeitszeiten, freie Wochenenden, ein planbares Privatleben ihre Vorzüge haben."

Besonders geschüttelt ist die Gastrobranche und so fehlen auch Mitarbeiter, welche für das Catering der Musiker sorgen, 700 kalte und warme Essen werden während des Bardentreffens von Helfern verteilt. Sie fehlen, obwohl die Bezahlung gar nicht schlecht ist: 11,89 Euro Grundlohn, plus Aufschläge für Wochenende und Nachtarbeit, manche Stunde wird mit knapp 20 Euro vergütet. Doch ohne dabei auf belastbare Daten zurückgreifen zu können, hat Pirzkall einen Trend ausgemacht, der ihn manchen Jobber unter den jungen Leuten kostet: "Viele Studenten wohnen seit Corona wieder daheim. Sie verlassen die Heimat nicht und brauchen jetzt viel weniger Geld, also arbeiten sie auch weniger."

Event-Ausstatter: Diese Entwicklung bringt Markt zusätzlich unter Druck

Auf der Homepage eines Event-Ausstatters mit Hauptsitz in Pyrbaum steht ganz oben, was Sache ist: "WIR SUCHEN DICH" – Verwaltungsleute, Disponenten oder Lageristen. Thorsten Becker, Geschäftführer von "Mojo Rental", braucht jede Kraft. Als großer Event-Ausstatter, der fast alles liefert, von Absperrungen, Toiletten, Tribünen, Containern, Zelten, Garderoben bis zu Podestbühnen, hat er zuletzt den Metropol Marathon in Fürth, Rock im Park, Flüchtlingsunterkünfte oder Messen ausgestattet.

Becker ist ausgebildeter Veranstaltungstechniker, er resümiert: "Wir haben etwa 20 bis 25 festangestellte Kollegen, plus 30 bis 40 Mann zusätzlich in der Sommersaison bei den großen Veranstaltungen. In 16 Wochen im Sommer machen wir zwei Drittel vom Umsatz", erläutert er die Tücken des Geschäfts. Becker unternimmt nach eigener Aussage allerhand, um seine guten Leute zu halten: "Wir zahlen über dem Mindestlohn und selbstverständlich alle Zuschläge für Abende oder Wochenende. Wir sind nicht die Günstigsten am Markt, aber Qualität und Verlässlichkeit gibt es nur mit guten Mitarbeitern."

Während Corona habe Becker seine Leute über Kurzarbeitergeld gehalten, "nur vier haben uns verlassen." Trotzdem gebe es Probleme, wenn es hoch hergeht. Etwa das Konzert von "Fanta 4" in München: "Wir haben mit 80 Helfern auf- und abgebaut, und mussten 18 Helferfirmen koordinieren – früher war das mal eine", beschreibt er eine Entwicklung, die den Markt zusätzlich unter Druck bringt. "Etliche große Personaldienstleister, Spezialisten für Eventmitarbeiter, sind während Corona pleitegegangen. Deren Leute sind abgewandert, viele in die Baubranche, wo es keine 48-Stundenverträge und meist freie Wochenenden gibt."

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Ein kleiner Dienstleister aus der Druckbranche in Not

"Flyermeyer – Deine Expressdruckerei" heißt der Nürnberger Betrieb von Matthias Drummer. Der hat sich auf schnelle Drucksachen und Veranstaltungsflyer spezialisiert. Günstiger Preis, bester Service, das Geschäftsmodell floriert seit vielen Jahren. "So etwas hab‘ ich noch nie erlebt", schildert er die vergangenen Monate. Bis März Kurzarbeit, totale Flaute. Er habe überlegen müssen, langjährige Mitarbeiter zu entlassen. Dann, von einer Minute auf die andere – 150 Prozent. "Ich suche händeringend Leute mit Kenntnissen aus der Druckbranche. Aber ich finde niemanden. Ich habe das Gefühl, es will niemand mehr arbeiten." Er fängt das Ganze mit persönlicher Mehrarbeit ab – aber auf Dauer hat dieser Einsatz Grenzen.

Schausteller-Chef Lorenz Kalb: "Ich habe meine Leute während Corona durch bezahlt"

Das Schaustellergeschäft hat etliche Parallelen zum Eventbusiness und doch noch eine wichtige Besonderheit. Auch hier wird am Wochenende gearbeitet, es gibt (bei den Fahrgeschäften) Jobs, die körperlich sehr fordern, lange Schichten; wer an Verkaufsständen arbeitet, muss geschickt sein im Umgang mit Waren und Kunden.

Sprachkenntnisse spielen eine Rolle, denn "der junge deutsche Mann zum Mitreisen, der das aus Abenteuerlust eine Zeit lang macht, den gibt es schon lang nicht mehr", erklärt Lorenz Kalb. Die Mitarbeiter, die im besten Fall von März bis Weihnachten Schausteller begleiten, müssen wie ihre Arbeitgeber ständig den Arbeitsplatz wechseln.

Dieses Unternehmertum auf Reisen kennen Schausteller wie Kalb seit Kindertagen, für andere ist es nicht so selbstverständlich, das ganze Arbeits- und Privatleben an den unterschiedlichsten Orten zu verbringen. Kalb betreibt seit Jahrzehnten Schaustellergeschäfte, mit den Kollegen vom Süddeutschen Schaustellerverband organisiert er die beiden Nürnberger Volksfeste. Er beobachte einen gesellschaftlichen Wandel: "Auch junge Schausteller denken in Kategorien wie Work-Life-Balance. Viele überlegen sich gut, ob sie sich die Aufgabe, ein großes Fahrgeschäft zu besitzen, antun wollen. Etwas Kleineres, ein Imbiss tut es doch auch? Für uns gab es das nicht, da war der Traum, etwas Großes zu besitzen, viel emotionaler besetzt."

In seinem Imbissbetrieb beschäftigt er vor allem polnische Mitarbeiter, die hier teilweise seit 15 Jahren arbeiten und mitreisen. In den Pausen besuchen sie ihre Familien. In der Pandemie habe er seine Leute weiter bezahlt. Trotz der jahrelangen Verbundenheit kam es nach Corona vor, dass Mitarbeiter schnell wieder absprangen: "Die waren nach der Pause die harte Arbeit nicht mehr gewohnt", sagt Kalb. Er rekrutiere neue Leute fast ausschließlich aus dem Freundes- und Familienkreis der bewährten Mitarbeiter. "Die Agenturen, die solche Arbeitskräfte aus Polen und Rumänien vermitteln, sind nicht immer seriös", sagt er vorsichtig.

Trotzdem, es werde immer schwieriger, gutes Personal dauerhaft zu halten – und die Preissteigerungen, die jetzt anstehen, vor allem für Energie, werde die Branche vor weitere Herausforderungen stellen.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz zum Fürther Sommernachtsball
  • Gespräch mit Lorenz Kalb vom Schaustellerverband
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