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Leverkusens Sardar Azmoun attackiert Regime im Iran: "Schämt Euch"


Leverkusen-Star attackiert Irans Regime
"Schämt Euch"


30.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Sardar Azmoun im Trikot von Bayer Leverkusen: Der Iraner spielt seit Januar für die Werkself.Vergrößern des Bildes
Sardar Azmoun im Trikot von Bayer Leverkusen: Der Iraner spielt seit Januar für die Werkself. (Quelle: IMAGO/Julian Meusel / SVEN SIMON)

Bayer Leverkusens Sardar Azmoun solidarisiert sich mit den Protesten in seiner Heimat Iran – und legt sich selbst mit dem Regime an. Ein großes Risiko.

"Ich bin stolz auf Euch", schreibt Sardar Azmoun in seinem neuesten Post bei Instagram zu einem Foto der von ihm gegründeten Frauen-Volleyball-Mannschaft. "Ich bin stolz auf jede einzelne von Euch." Und kommt dann zum Punkt: "Mein Herz ist gebrochen wegen Mahsa Amini und solcher wie Mahsa Amini, die unschuldig von uns gegangen sind und einen Schmerz hinterlassen, der niemals vergessen werden wird." Der Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen hält ein flammendes Plädoyer: "Ich werde immer an Eurer Seite sein, Ihr seid meine Schwestern, und ich hoffe, dass Ihr eines Tages die Stellung in unserem Land bekommt, die Euch zusteht, und dass die Frauen in unserem Land niemals mehr um ihr Leben fürchten müssen."

Wenn Sardar Azmoun mit der Werkself heute Abend zum Schlagerspiel der Bundesliga beim FC Bayern antritt (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei t-online), wird er in Gedanken auch in seiner Heimat sein. Der Tod von Mahsa Amini bewegt und entsetzt die Menschen im Iran noch immer, im Land gibt es schwere Unruhen gegen die Terrorherrschaft des Mullah-Regimes. Die 22-Jährige war von der "Sittenpolizei" wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden und am 16. September unter ungeklärten Umständen gestorben. Seitdem kommt es im Land und auch weiteren Städten weltweit zu Protesten. Dutzende Bürger sind durch das brutale Vorgehen der Polizei bereits ums Leben gekommen – und Azmoun, einer der populärsten Spieler im fußballverrückten Land, ist der nächste Superstar, der sich öffentlich klar mit den Protesten solidarisiert.

Und dabei zunächst sogar noch deutlicher wurde: "Wegen der Regeln der Nationalmannschaft durften wir bis zum Abschluss unseres Trainingslagers nichts sagen, aber ich kann kein Schweigen mehr ertragen", schrieb der 27-Jährige noch unter der Woche. Und weiter: "Schämt euch, die ihr Menschen so leicht tötet. Lang leben die iranischen Frauen." Die Willkür der Herrscher kommentierte er mit: "Wenn das Muslime sind, möge Gott mich zum Ungläubigen machen." Die Posts hat Azmoun mittlerweile gelöscht und durch das emotionale Plädoyer oben ersetzt, wohl auch aus Schutz für die eigene Familie und sich selbst.

Azmouns WM-Teilnahme scheint jetzt unklar

Und Sardar Azmoun riskiert damit alles. Seine Karriere in der Nationalmannschaft – seinen ursprünglichen Post hatte der Offensivspieler nach dem Testspiel des Iran gegen Uruguay in Wien am vergangenen Freitag abgesetzt, bei der darauffolgenden Partie gegen den Senegal unter der Woche traf er zum 1:1-Endstand. Ob Azmoun, mit 41 Toren in 65 Länderspielen der Star der Mannschaft, aber nach seinen wiederholt scharfen Attacken tatsächlich im WM-Kader stehen wird, ist unklar. Genauso wie mögliche Folgen abseits des Fußballs.

Denn das Regime im Golfstaat greift gnadenlos durch. So soll unter anderem das Haus des früheren Nationalspielers Ali Karimi beschlagnahmt worden sein (mehr dazu lesen Sie hier) – der einstige Mittelfeldspieler des FC Bayern hatte getwittert: "Hab keine Angst vor starken Frauen. Vielleicht kommt der Tag, an dem sie deine einzige Armee sind." Karimi soll bereits seit Jahren mit seiner Familie in Dubai leben, aus Angst um die Sicherheit seiner Liebsten. Seinem einstigen Teamkollegen Hossein Mahin erging es noch schlimmer: Der 36-Jährige wurde am Donnerstagabend auf Anordnung der Justizbehörden festgenommen – wegen seiner anhaltenden Unterstützung der Proteste.

"Er ist ein großes Vorbild"

Azmoun, der im Land zur ethnischen Minderheit der Turkmenen gehört, steht für einen moderneren, toleranteren Iran. Er trägt Tattoos, die im Land zwar nicht offiziell verboten sind, von den streng religiösen, ultrakonservativen Kreisen und ihren Schergen von der "Sittenpolizei" aber nicht gern gesehen werden.

Der "iranische Messi", so wegen seiner Spielstärke genannt – er selbst verwehrt sich gegen diesen Spitznamen –, setzt sich für die Belange der turkmenischen Minderheit und für den Erhalt ihrer Kultur ein. Zur Meisterfeier seines damaligen Klubs Zenit St. Petersburg 2019 erschien Azmoun in traditioneller turkmenischer Kleidung. Und: Der in jungen Jahren begeisterte Volleyballspieler hat gemeinsam mit seinem Vater in seiner Heimatstadt ein Frauenteam ins Leben gerufen, den "Serik Gonbad Kavus Women's Volleyball Club", deren Spielerinnen er in seinem Instagram-Post so bewegend würdigte. "Ich bezahle unseren Spielerinnen jeden Monat ein Gehalt. Viele von ihnen sind Nationalspielerinnen", erzählte er im Juli dem "Kölner Stadtanzeiger".

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Mögliche Konsequenzen seines aktuellen Engagements nimmt er billigend in Kauf: "Die ultimative Bestrafung wäre, dass sie mich aus dem Team werfen", schrieb Azmoun in seinem gelöschten Instagram-Post. "Was aber ein kleines Opfer im Vergleich zu jeder einzelnen Haarsträhne einer iranischen Frau wäre." Bayer Leverkusen stärkt ihm den Rücken: "Natürlich unterstützen wir sein persönliches Engagement, weil er sich damit für die Wahrung und Stärkung demokratisch legitimierter Grundwerte einsetzt", erklärte jüngst Sportdirektor Simon Rolfes, und Trainer Gerardo Seone adelte seinen Spieler: "Er ist ein großes Vorbild."

Sardar Azmoun riskiert seine Existenz. Wie aktuell Millionen Menschen im Iran. Allein sind sie nicht.

Verwendete Quellen
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