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SC Freiburg: Schuster fordert zum Kampf gegen Verblödung auf


Freiburg-Kapitän Julian Schuster
"Die Liga muss mehr Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen"

Ein Interview von Guido Heisterkamp

Aktualisiert am 08.03.2018Lesedauer: 6 Min.
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Spielt seit 2008 für den SC: Der Vertrag von Freiburg-Kapitän Julian Schuster läuft am Saisonende aus.Vergrößern des Bildes
Spielt seit 2008 für den SC: Der Vertrag von Freiburg-Kapitän Julian Schuster läuft am Saisonende aus. (Quelle: Jan Huebner/imago-images-bilder)

Das Fußballgeschäft ist überhitzt: Gigantische Ablösesummen sind an der Tagesordnung. Spieler streiken sich aus laufenden Verträgen. 20-jährige Profis kassieren Millionengehälter.

Julian Schuster ist das komplette Gegenteil: Der 32-Jährige spielt seit fast zehn Jahren für den gleichen Verein, kostete "nur" 150.000 Euro Ablöse und hat mit dem SC Freiburg alle Höhen und Tiefen erlebt. Im Interview mit t-online.de erklärt der Kapitän, welche Tipps er jungen Spielern gibt – und verrät, was seine verrückteste Investition war.

Herr Schuster, die Bundesliga ist geprägt von extrovertierten Spielern und Wandervögeln. Sie sind das genaue Gegenteil: Bodenständig und heimatverbunden – passen Sie eigentlich gar nicht in den Fußball-Zirkus?

Julian Schuster: Ich mache mir da nicht immer so arg viele Gedanken, ob ich da reinpasse oder nicht. Ich liebe es natürlich, wenn ich bei einem Spiel hier ins Stadion laufe, auch wenn es im Moment nur zum Warmmachen ist (schmunzelt). Wahnsinnig viele Menschen kommen hierher, um sich wohlzufühlen und Spaß zu haben. Und so sehe ich das auch. Manche Dinge, die in der Öffentlichkeit stattfinden und die das Leben als Profi mit sich bringen, bin natürlich nicht immer ich. Aber ich bin auch nicht so naiv, dass ich glaube, dass diese Dinge nicht dazugehören.

Was fahren Sie für ein Auto?

Ich fahre einen Mini, der schon älter ist als mein ältester Sohn (zehn Jahre, Anm. d. Red.). Und wir haben natürlich noch ein Familienauto für unsere drei Jungs. Auf Autos lege ich nicht so viel Wert, da bin ich eher praktisch veranlagt.

Was war das Krasseste oder Verrückteste, was Sie sich mal geleistet haben?

Das Krasseste oder Verrückteste (überlegt lange)? Ein Nachbarverein hat mal seinen Kunstrasen erneuert, dem habe ich ein paar Bahnen abgekauft und in unserem Keller verlegt. Das ist vielleicht noch das Verrückteste. Ein anderer sagt vielleicht: langweilig (lacht).

Wie nehmen Sie junge Spieler wahr, die mit ihren Luxuskarossen posen oder mit Louis-Vuitton-Täschchen durch die Gegend spazieren?

Es ist nicht einfach, wenn man in so jungen Jahren schon so viel erreicht hat. Mit Anfang 20 muss man auch erst mal damit umgehen können, wenn dir so viele Menschen zujubeln. Wenn dir Leute von allen Seiten auf die Schulter klopfen, ist es nicht immer einfach, klar zu bleiben. Wenn sie sich dann mal ein schickes Auto leisten oder bestimmte Klamotten holen, ist es auch okay. Diese Erfahrung dürfen sie machen. Vielleicht merken sie dann auch, dass es eigentlich überflüssig ist, sie gar nicht so befriedigt und nur kurzweilig ein tolles Gefühl auslöst.

Sie sind in Freiburg mit ihrer Familie stark verwurzelt. Können Sie sich vorstellen, ihre Profi-Karriere in China fortzusetzen und noch mal ein paar Millionen zu verdienen?

Das ist nicht mein Ansatz. Mir ist es unglaublich wichtig, dass meine Familie sich wohlfühlt. Es wäre unheimlich schwierig, die Werte – die wir unseren Kindern vermitteln – weiter zu leben, wenn wir nach China auswandern würden.

Welche Werte sind das?

Als Fußball-Profi führt man ein sehr privilegiertes Leben, trotzdem versuche ich, bodenständig und nahbar zu sein. Ich bin mir meiner sozialen Verantwortung gegenüber unseren Fans, dem Verein und der Stadt Freiburg sehr bewusst. Man muss seine Natürlichkeit bewahren und leben, damit diese bei den Fans und Außenstehenden auch ankommt.

Freiburg hat 2008 150.000 Euro Ablöse für Sie bezahlt – was geht Ihnen bei den Wahnsinnssummen durch den Kopf, die heute für die Neymars, Dembélés und Couthinos auf den Tisch gelegt werden?

Das ist alles nicht mehr greifbar. Das sind solche abartigen Summen, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben. Ich habe mir einen Beruf ausgesucht, in dem ich in der Öffentlichkeit stehe. Mein großer Wunsch ist es aber, als so normal wie möglich betrachtet zu werden. Gewisse Dinge sind aber nicht aufhaltbar.

Ihr Mannschaftskollege Nils Petersen hat das legendäre „Verblödungs“-Interview gegeben. Wie halten Sie sich geistig fit?

Nils hat mit seinem Interview etwas angestoßen und ich verstehe, was er meint. Unser großes Problem ist es, dass wir nicht flexibel sind. Wir können beispielsweise kein Studium mit Anwesenheitspflicht machen.

Muss die Liga mehr Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen?

Absolut. Vor allem Dinge, mit denen ich auch außerhalb des Fußballbereichs etwas anfangen kann. Im Fußballgeschäft ist so viel Geld im Umlauf und die Liga sollte davon etwas zur Verfügung stellen und in Kurse, Seminare oder Studiengänge investieren, die auf den Alltag eines Profi-Fußballers abgestimmt sind.

Viele Spieler beim SC sind erst Anfang 20 – sind Sie eine Vaterfigur für die jungen Burschen?

Wenn ich nicht spiele, hilft es mir sehr, wenn ich andere Spieler unterstütze. Das gibt mir ein sehr positives Gefühl und ich glaube, dass ich einen sehr großen Einfluss auf die Jungs habe. Wenn der Trainer gewisse Dinge von den jungen Spielern verlangt, die nicht sofort verständlich sind, kann ich mit der Spielersprache oft erklären, wie der Trainer das genau gemeint hat. Dann bekommen sie schnell eine andere Sichtweise.

Also sind Sie oft eine Art Vermittler zwischen dem Trainer und den jungen Profis?

Christian Streich spricht immer wahnsinnig viel mit den Spielern, hat aber auch nicht immer Zeit für Einzelgespräche. Manchmal wird die Message des Trainers vom Spieler ganz anders wahrgenommen. Da läuft bei den Jungs natürlich gedanklich viel ab, da kann man schon mal abdriften. Da kann ich oft nachsteuern.

Ein konkreter Tipp, den sie mal gegeben haben.

Ein Beispiel ist Maximilian Philipp. Wenn der Trainer eine wahnsinnige Qualität in einem Spieler sieht, die dieser vielleicht mal nicht abrufen kann, kann der Coach auch schon mal energischer werden. Das war so ein Punkt, wo ich Maximilian gesagt habe: "Dreh es einfach um. Denn je energischer der Trainer wird, desto positiver ist es für Dich, weil er ganz arg viel in dir sieht."

Was zeichnet Ihren Trainer Christian Streich aus?

Ich lerne unter ihm einfach immer wieder neue Dinge dazu – auch heute noch. Andere würden viel dafür geben, hier ein Praktikum zu machen und von ihm zu lernen. Da bin ich in einer Luxussituation. Auch bei anderen Themen hat er eine Riesenerfahrung und eine klare Meinung. Davon profitieren wir Spieler unheimlich viel.

Können Sie sich Christian Streich bei einem Verein wie Bayern oder Dortmund vorstellen?

In München oder beim BVB herrscht sicherlich ein anderer Umgang als hier in Freiburg. Da kommen andere Aufgaben auf einen zu. In Freiburg legen wir sehr viel Wert darauf, dass die Spieler ins Gesamtgefüge reinpassen. Bei diesen Vereinen ist das vielleicht weniger der Fall, dafür wird auf andere Kriterien geachtet. Dort müsste er einige Dinge sicher anders angehen.

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Aber Ihr Trainer scheint hier ganz gut aufgehoben zu sein.

Ja, wir beschweren uns nicht (lacht).

Sie sind seit knapp zehn Jahren in Freiburg, haben alle Höhen und Tiefen mitgemacht – was ist das Besondere an diesem Verein?

Man lernt den Verein natürlich viel intensiver kennen, wenn man unterschiedliche Phasen durchlebt hat. Vor allem die Zeit nach unserem Abstieg war für mich im Nachhinein ein Riesengewinn. Die Reaktionen unserer Fans waren wahnsinnig positiv, trotz dieser sportlichen Niederlage. Man hält zueinander, egal in welcher Phase man sich befindet, und begegnet sich auf respektvolle Art und Weise. Das Gespür von den Fans, auch mal Niederlagen zu akzeptieren – wenn wir alles gegeben und reingehauen haben – ist schon sehr speziell und zeichnet Freiburg aus.

Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus, wie geht es danach weiter? Sie hatten gesagt, dass Sie gerne in der Jugendabteilung des SC als Trainer arbeiten wollen. Wie ist der Stand?

Ich habe mich noch nicht entschieden, aber ich bin relativ entspannt, egal wie es ab Sommer weitergeht. Wir werden uns im März oder April noch einmal zusammensetzen und über das nächste Jahr sprechen. Wir haben einen ganz offenen Austausch, in dem wir – ohne irgendeine Taktik – ehrlich miteinander umgehen.

Wenn es nicht als Profi-Fußballer weitergeht, wo würden Sie sich hier im Verein gerne sehen?

Ich durfte hier schon so viel lernen und weiß, was von Trainer- und Vereinsseite verlangt wird, und das weiter zu geben, gibt mir ein tolles Gefühl und macht mir Spaß. Das würde ich gerne weiter tun.

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